Tichys Einblick
Kollateralschäden des Lockdown

Eine ganze Generation geht dem Kinder- und Jugendsport verloren

Zehntausende melden sich wegen des Corona-Lockdowns aus ihren Sportvereinen ab – bundesweit könnte bald die Millionengrenze erreicht sein. Ein Schaden für die Vereinskultur – und die Gesundheit.

wegen Corona gesperrte Sportanlagen des SC Babenhausen in Bielefeld

IMAGO / ecomedia/robert fishman

Ob West, ob Ost, die Kinder verstehen längst ihre Welt nicht mehr. Sie dürfen seit Monaten, obwohl das Risiko der Ansteckung und vor allem das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs bei ihnen äußerst gering ist, nicht mehr mit ihren Freunden gemeinsam Sport treiben, Ski fahren oder Fußball spielen – aller möglichen Hygienekonzepte ihrer Vereine zum Trotz. Dr. Angela Merkel, Dr. Markus Söder und ihre Hofvirologen wollen das nicht.

Was waren das vor allem im Osten noch für Zeiten als Staatschefs warben: „Jedermann an jedem Ort mehrmals in der Woche Sport.“ Wir können aber heute gegen die Regierenden der Lockdown-Politik auch noch Aufklärer wie Jean-Jacques Rousseau ins Feld führen: „Vor allem wegen der Seele ist es nötig, den Körper zu üben, und gerade das ist es, was unsere Klugschwätzer nicht einsehen sollen.“

Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Sporthochschule Köln erwartet jeder zweite Sportverein (52 Prozent) in Deutschland in den kommenden zwölf Monaten eine existenzbedrohliche Lage. Als Ursache dafür nennen 41 Prozent aller befragten Vereine den Mitgliederrückgang aufgrund der Covid-19-Pandemie und der angeordneten Lockdown-Politik.

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Hochgerechnet auf den Deutschen Sportbund dürfte der Mitgliederverlust bald in die Million gehen. Die Folge des anhaltenden Corona-Lockdowns sind Kollateralschäden im Breitensport vor allem für Kinder- und Jugendliche. Doch gerade der ist für die allgemeine Gesundheit und Körperertüchtigung einer jungen Generation enorm wichtig genauso wie für die Erwachsenen.

So meldet der Landessportbund Berlin jüngst nach ersten Auswertungen, seine Sportvereine haben im Corona-Jahr 2020 zwischen 30.000 und 50.000 Mitglieder verloren. Das sind bis zu sieben Prozent, und die Abmeldungen gehen 2021 weiter.

Leibesübungen im Freien sind gesund, aber nicht für Regierende

Nach Ansicht des Landessportbundes Sachsen sind jedoch Öffnungen von Sportstätten im Freien durchaus möglich. Allein Sachsen verlor in seinen 4.436 Vereinen durch die staatlich verordneten Corona-Lockdowns bislang gut 20.000 Mitglieder, darunter etwa 13.000 Kinder und rund 4.000 Rehasportler, klagt der Generalsekretär des Sportbundes Sachsen, Christian Dahms, diesen Montag im MDR-Radio an. Die Abgänge im Kinder- und Jugendbereich seien mit rund 60 Prozent am Gesamt-Mitgliederverlust erschreckend hoch. Fast eine ganze Generation verabschiedet sich aus den Vereinen für Leibesübungen. Der Breitensport dürfe nicht vergessen werden, denn er sei für viele Menschen im gesundheitlichen sowie im sozialen Bereich wichtig. Etwas über 650.000 Mitglieder treiben in Sachsen Vereinssport, warnt Dahms. Vergebens.

Auch im benachbarten Freistaat laufen die Mitglieder davon. Vor allem im Kinder- und Jugendbereich seien die Zahlen eingebrochen. So haben im vergangenen Jahr fünf Prozent weniger Kinder Sport im Verein getrieben, bei den Jugendlichen waren es 3,7 Prozent, schlägt Jörg Ammon, Präsident des bayerischen Landessportverbandes, Alarm: „Die Lage ist für alle bayerischen Sportvereine dramatisch.“ So erlebt nicht nur der TSV München Ost einen drastischen Mitgliederschwund. Der Traditionsverein hatte in den vergangenen zehn Jahren immer rund 4.000 Mitglieder. Jetzt sei die Zahl erstmals auf 3.000 gesunken. „Wir hatten bis 2019 mit die größte Kindersportschule der Münchner Sportvereine. 900 Kinder waren drin. Das hat sich inzwischen mehr als halbiert. Wir sind noch bei 450 Kindern“, stellt der langjährige Vereinsvorsitzende Hesse fest.

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Nicht nur in Bayern: Alarmstufe Rot gilt auch für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. „Insgesamt gingen in Mitteldeutschland rund 46.500 Mitglieder verloren“, beklagt der Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV), Hermann Winkler gegenüber TE. Er appelliert: „Die Politik muss endlich erkennen, dass der Vereinssport, besonders für Kinder und Jugendliche, nicht das Problem für Corona ist, sondern die Lösung der Krise sein kann.“ Schließlich gebe es keine Nachweise oder Studien für eine besondere Ansteckungsgefahr durch Sport im Freien. 

Wie zum Beweis erklärt dieser Tage Physiker und Aerosolforscher Gerhard Scheuch selbst im staatsnahen ZDF und der regierungstreuen FAZ – wer sich draußen mit Abstand trifft ohne Maske, kann sich schwer anstecken. Was Merkel und ihre Hofvirologen nicht wahrhaben wollen, begründet Scheuch für Treffen im Freien so: „Mit Abstand ist das kein Problem. Die infektiösen Aerosole verteilen sich schnell in der Luft.“ Deswegen: „Ich würde Sport im Freien sofort erlauben.“ In der Schweiz seien die Skilifte offen gewesen und es sei nichts passiert. Oder selbst beim Fußball: „Da passiert nichts bei Freizeitsport im Freien.“

Also: „Das Geheimnis des Erfolgs ist anzufangen“, wusste schon Mark Twain.

Regierende sind allerdings Fakten-resistent

Doch selbst wissenschaftliche Erkenntnisse und wichtige Gesundheitsaspekte werden von der Physikerin der Macht, Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Musterschüler Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU) ignoriert und vergessen, so wie die Kinder in den Sportvereinen. Obwohl die Risiken nach Ansicht von weniger regierungsnahen Experten gering und vertretbar sind. Ein Volk unter Angst, eingesperrt in 15 Kilometer Radien, scheint der aktuellen Regierungspolitik wohl wichtiger als körperliche Ertüchtigung zur Stärkung der Abwehrkräfte. Stichhaltige Argumente von vernünftigen Gesundheitsexperten perlen am Verstand von Merkel und Co. ab, wie Regenwasser an einer Fensterscheibe.

Sie lassen sich nicht einmal vom Leitmedium Bild beeindrucken, die in ihrer Montagausgabe einen identischen Verlauf der Todeskurven von Schweden und Deutschland in der Corona-Pandemie zeigt. „Schweden offen – bei uns alles dicht!“, titelt Bild. Aber das juckt Regierende wie Merkel, Söder oder Kretschmer nicht. Sie nehmen offensichtlich lieber Kollateralschäden an Körperkultur und Volkswirtschaft durch ihre starrsinnige Politik in Kauf – koste es, was es wolle. Selbst wenn demnächst eine ganze Kinder- und Jugendgeneration weit entfernt vom Volks- und Freizeitsport heranwächst.

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