Tichys Einblick
Versprochene Neuwahlen gibt es nicht

Mißtrauensvotum im Thüringer Landtag: Die CDU blamiert sich

Nach der rückgängig gemachten Wahl eines Liberalen mit Hilfe von AfD-Stimmen zum Thüringer Ministerpräsidenten, sollte es binnen eines Jahres Neuwahlen geben. Die fallen aus. Dafür gibt es ein Misstrauensvotum, bei dem sich die CDU als Fraktion der Sitzenbleiber darstellt.

IMAGO / Jacob Schröter

Die Thüringer Politik vergrößert wieder einmal die lange Liste gebrochener Versprechen. Erst sollte es – ein Jahr nach der Thüringen-Affäre – im Frühjahr 2021 Neuwahlen geben. Dann wollte die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) mit SED-Erben, SPD und Grünen in Tateinheit mit der CDU, Neuwahlen lieber an die Bundestagswahl im September ankoppeln. Fast alle Beteiligten, außer der AfD, erhofften sich so mehr Stimmen. Aber selbst dieser fragwürdige Deal schien einigen Abgeordneten – vor allem in der CDU – wegen drohendem Mandatsverlust zu riskant. Also kam eine Parlamentsmehrheit für erneute Wahlen nicht mehr zustande.

Die Bürger dürften sich an politische Weisheiten von weiland Gerhard Schröder erinnern. In der damals beliebten „Gerd Show“ sang die Kanzlerpuppe frech: „Was’se heute kannst versprechen, darfste morgen wieder brechen.“ Genauso geht’s auch in der Mitte Deutschlands zu.

Für Thüringens Regierungschef Ramelow von Merkels Gnaden und sein Minderheitengefolge von schwindsüchtiger SPD und Grünen unterstützt von einer willigen CDU, gilt auch hier der Gerd-Song: „Gewählt ist gewählt, ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern. Das ist ja das Geile an der Demokratie.“ So sieht’s aus.

Merkel: „Das Ergebnis muss rückgängig gemacht werden.“

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Erst hat CDU-Kanzlerin Angela Merkel im Februar 2020 nach der Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten die Demokratie beschädigt, als sie aus Südafrika regelrecht anordnete: „Das Ergebnis muss rückgängig gemacht werden.“ Also das Ergebnis einer demokratischen Wahl im Thüringer Landtag, wo der Liberale Thomas Kemmerich von CDU und FDP mit Hilfe von AfD-Stimmen zum Regierungschef gewählt wurde. Merkel setzte mit dem erzwungenen Rücktritt Kemmerichs die Fortführung einer rot-rot-grünen Regierung unter Führung der SED-Erben durch – allen früheren CDU-Beteuerungen zum Trotz, nicht mit den DDR-Sozialisten zu paktieren. Stattdessen erklärte sich die Union nach Merkels Intervention zu einem „Stabilitätspakt“ mit Ramelows linksgrüner Minderheitsregierung bereit. Eine Wählertäuschung ersten Grades. Aber: Gewählt ist gewählt…

Nach dem jüngsten Scheitern der geplanten Landtagsauflösung hat die Thüringer AfD-Fraktion ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Ramelow beantragt. Das Geheul der anderen Parteien ist groß, da AfD-Gegenkandidat Björn Höcke 46 Stimmen bräuchte, die AfD nur 22 Mandate hat. Das Misstrauensvotum ziele vor allem auf CDU und FDP, gesteht der Thüringer AfD-Abgeordnete Stefan Möller, um zu zeigen, wie einfach es wäre, den linken Ministerpräsidenten abzuwählen. Die AfD wäre auch bereit gewesen, andere Kandidaten zu unterstützen. Dieses Angebot wird jedoch schnell von CDU und FDP abgelehnt. CDU-Fraktionschef Mario Voigt kann der AfD nur so kontern: „Sie wollen provozieren.“

Höcke erinnert in der Landtagsdebatte: „Am 27.10.2019 haben die Thüringer Wähler Rot-Rot-Grün abgewählt.“ Mehr noch: „Um die AfD zu bekämpfen, zerstören sie die parlamentarische Demokratie.“ An die CDU appelliert er: „Bleiben sie heute bitte nicht sitzen.“ Der FDP, einst vorgeführt durch Merkels Anordnung, fällt in Person von Robert-Martin Montag lediglich ein, das Misstrauensvotum als „destruktives Politik-Theater der AfD“ zu bezeichnen. Denn sie sei der „Feind der Freiheit“. Soso.

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Misstrauensvoten sind im politischen Geschäft durchaus üblich, um wackelige Regierungen auf ihre Standfestigkeit zu prüfen oder sie auch zu stürzen. Legendär war das Misstrauensvotum von CDU/CSU-Fraktionschef Rainer Barzel gegen SPD-Kanzler Willy Brandt am 24. April 1972 im Deutschen Bundestag. Die Abstimmung scheiterte für die Union durch zwei vom Staatssicherheitsdienst der DDR gekaufte CDU-Abgeordnete. Der frühere Stasi-Spionagechef Markus Wolf enthüllte in seinen Memoiren, den CDU-Abgeordneten Julius Steiner mit 50.000 DM bestochen zu haben, damit sich dieser beim Misstrauensvotum der Stimme enthielt.
Auch Provokationen sind in der Politik keine Seltenheit – selbst unter der Gürtellinie. Erinnert sei hier nur an die Beleidigung des Bundestagspräsidenten Richard Stücklen (CSU) durch den damaligen Grünen-Abgeordneten Joschka Fischer: „Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub!“
Die AfD provoziert und die CDU liefert prompt

Die AfD führt jetzt mit ihrem politischen Manöver die CDU vor. Denn die Union bleibt bei der Abstimmung im Thüringer Landtag sitzen – aus Feigheit. Ihre Abgeordneten gehen nicht wählen. Die Angst ist offensichtlich so groß, dass zahlreiche Parlamentarier für den Misstrauensantrag der AfD stimmen könnten. Da nützen auch die Angriffe von Fraktionschef Voigt im Vorfeld gegen die größte Oppositionspartei wenig, das Verhalten seiner feigen Truppe zu rechtfertigen: „Björn Höcke ist ein Extremist, und der wird von der CDU nie eine Stimme bekommen. Aus diesem Grund werden wir uns an der Abstimmung auch nicht beteiligen. Das sichtbarste Zeichen, dieser Farce von Björn Höcke und der AfD entgegenzutreten, ist, nicht an der Abstimmung teilzunehmen.“ Ganz schön mutig, Herr Voigt.

Während der Abstimmung sollen sich die 21 Abgeordneten der CDU-Fraktion nicht von ihren Plätzen erheben, damit klar ist, dass keiner von ihnen einen Stimmzettel in die Wahlurne wirft. Das ist der Auftrag und er wird von den Unionsabgeordneten folgsam erfüllt.

Ein Sturm der Entrüstung im Netz, aber vor allem von vielen CDU-Mitgliedern fegt über die CDU-Fraktion, deren Chef und Abstimmungsverweigerer Voigt für diesen parlamentarischen Akt der Feigheit hinweg. Es hagelt Mails und Tweets, es klingeln die Telefone. Das ist der verdiente Lohn der Angst.

Feuer bekommt die Thüringer CDU nicht nur von ihrer Basis. Auch die Parteien des Minderheitsbündnisses schimpfen, weil die bislang so folgsame CDU sie jetzt plötzlich nicht mehr demonstrativ unterstützen möchte. Grünen-Fraktionschefin, Astrid Rothe-Beinlich, führt bei ihren wütenden Angriffen natürlich den Staatsfeind Nummer Eins – die AfD – ins Feld.

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Harsch wettert sie im Landtag über die CDU: „Sie lassen sich offensichtlich gerne am Gängelband durch die Manege ziehen oder haben keine Haltung. Das sieht man ja an allen Meldungen, wo es darum geht, ob Herr Höcke, ein ausgewiesener Faschist, Ministerpräsident in Thüringen werden soll oder nicht, und da fällt der CDU nichts anderes ein als zu sagen: ‚Wir gehen entweder raus oder wir bleiben sitzen.‘ Es gibt nur eine Antwort auf diese Frage und die lautet: ‚Nein!‘ Und offenkundig haben sie keine Antwort auf diese Frage.“ Beleidigte Grüne beklagen sich über mangelnde Unterstützung.
Minderheitsregierungschef Bodo Ramelow darf bleiben

Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei alias PDS alias SED darf also nicht stürzen. Ebenso beschweren und erregen sich auch Honeckers Erben über die CDU, die ihnen bisher so brav folgte. Linken-Fraktionschef Steffen Dittes kritisiert im Landtag: „Angesichts des vorliegenden Vorschlags der AfD-Fraktion ist es eine Selbstverständlichkeit der Demokraten in diesem Haus und die einzig richtige Antwort, nämlich seine Stimme mit ’nein‘ abzugeben und nicht das Signal in die Öffentlichkeit auszusenden, dass man sich bei dieser Frage einfach mal heraushalten kann.“

Achtung: Die Mitglieder der umbenannten Diktaturpartei SED sehen sich heute als große Demokraten. So gesehen darf die CDU ihnen wohl mit einem „Stabilitätspakt“ zur Seite stehen.

Der Linke Bodo Ramelow darf also Ministerpräsident bleiben. Denn die Abstimmung ging unter den 89 anwesenden Abgeordneten erwartbar aus. Nur 22 Abgeordnete stimmten für den AfD-Antrag, 46 dagegen. Die 21 CDU-Abgeordneten bleiben sitzen und stimmen nicht ab.

Aber die 67 heutigen Stimmen (46+21) von allen anderen Parteien außer der AfD hätten einer Auflösung des Landtags und Neuwahlen zustimmen können. Doch das ist nicht passiert. Diese Mehrheit gibt es nur für Ramelow.

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