Tichys Einblick
Getrennt marschieren – gemeinsam schlagen

Trojanisches Pferd BSW

Die Linke alias PDS alias SED ist eine untergehende Partei. Doch mit der Flucht vieler älterer Genossen zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht ihr ein Rettungsboot zum Überleben bei den anstehenden Wahlen bereit.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Clemens Niehaus

Wenn bei den bevorstehenden Europa- und Kommunalwahlen Parteihelfer ihre Wahlwerbung in die Briefkästen stopfen, dann sind die eigentlich im Niedergang befindlichen und klammen Linken ganz vorn dabei. Denn im Osten gibt es neben der Europawahl auch Kommunalwahlen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen. Im Herbst folgen Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen.

Ob in Berlin, Leipzig, Dresden, Erfurt, Potsdam oder Rostock, die Straßenlaternen sind regelrecht zugepflastert mit Plastik-Plakaten der Linken alias PDS alias SED und jetzt auch des BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht). Beobachter fragen sich, woher haben die SED-Rechtsnachfolger die enormen Summen für ihre massenhaften Plakatkampagnen, während Freie Wähler oder selbst die AfD trotz guter Wahlergebnisse nicht einmal genug Geld besitzen, breite Präsenz in Stadt und Land zu zeigen? Was schwer genug ist, weil AfD-Plakate ohnehin meist abgerissen oder beschädigt werden, wenn sie nicht ganz oben an den Laternenmasten hängen.

Mehr noch: Warum stecken eigentlich Wahlprospekte von Linkspopulisten als Beipack in denen von Wagenknechts BSW? Warum werden sie gemeinsam verteilt, wenn es eigentlich zwei „verschiedene“ Parteien sein sollen?

Getrennt marschieren und gemeinsam schlagen!

Wahrscheinlich dienen die Parteistrukturen der SED-Nachfolger auch dem BSW, wie dieser Tage in Leipziger Briefkästen zu sehen ist.

BSW und Linke machen beim Verteilen offensichtlich gemeinsame Sache. Zwischen Wagenknechts Kommunalwahlporträt am Rednerpult auf dem Prospekt lugt innen gleich der linke Kandidat Volker Kühlow hervor. Besser bekannt bei aufgeklärten Leipzigern als „Stasi-Kühlow“. Unter den Decknamen „Bernau“ und „Ostap“ bespitzelte der IM des MfS und Diplom-Lehrer für Marxismus-Leninismus kritische Studenten und Professoren. Er bekennt sich sogar zu seiner geheimdienstlichen Tätigkeit, die er auch heute noch „in Ordnung“ findet und als „legitim“ bezeichnet. Insofern ist der BSW-Beipack bezeichnend und wirkt wie ein Beweis für ein altsozialistisches Angebot.

Gemeinsame Sache: BSW plus Linke im Beipack / Foto: © Olaf Opitz

Wohl nicht nur im Kommunalwahlkampf arbeiten Linke und BSW nach wie vor zusammen. Auch im Bundestag wird man sich gegenseitig eher unterstützen als bekämpfen, selbst wenn man als gespaltene Linke nicht mehr in einer Fraktion sitzt. Getrennt marschieren und gemeinsam schlagen, lautet die Devise. Schließlich bieten die gewechselten Linken mit dem BSW nur alten Wein in neuen Schläuchen an. Denn gewendet sind sie nicht.

Hell aus dem Dunklen vergangen, leuchtet die Zukunft hervor!

Sahra zur Sonne, zur Freiheit – daran sollten die Wähler höchste Zweifel haben. Sicher bietet die frühere Ikone der Kommunistischen Plattform eine etwas härtere Asylpolitik an, kritisiert die Cancel Culture gegen Andersdenkende, wirbt wie die Grünen früher mit „Frieden schaffen ohne Waffen“ oder für Bürgerentscheide. Doch die Enteignungs- und Verstaatlichungspolitik bleibt unverrückt. Zudem steht hinter Sahra Wagenknechts teils vernünftigen Ansichten die alte Linke, deren Funktionäre rechtzeitig die Seiten wechseln, weil man im BSW länger überleben kann. Obendrein ist Sahra Wagenknecht weder als Spitzenkandidatin für Europa noch für die Kommunen oder in den kommenden Landtagsentscheiden wählbar. Sie ist ein virtuelles, linkes Trojanisches Pferd, in dem sich frühere Linksgenossen, meist schon etwas älter, verstecken.

Was die Wahlbürger auch nicht vergessen sollten: Wagenknechts im Januar 2024 gegründetes BSW ist eigentlich keine Partei, sondern ein exklusiver Klub von 450 ausgesuchten Mitgliedern. Denn das Bündnis Sahra Wagenknecht ist eine Art Closed Shop. So ähnlich wie die höchst umstrittene grüne Deutsche Umwelthilfe mit nur 475 stimmberechtigten Mitgliedern. Basisdemokratie sieht anders aus.
Zudem zieht das BSW laut Politologen Wähler ab 45 an, dafür stünden die Alt-Genossen als Kandidaten bei den Wahlen.

Willkommenskultur statt härterer Asylpolitik

Somit verbergen sich unter einer großen russischen Schachtelpuppe „Matroschka Wagenknecht“ viele Ex-Linksgenossen, die von härterer Asylpolitik bestimmt nichts wissen wollen und schon gar nicht dafür eintreten. Wie zum Beispiel Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf.

Die 48-Jährige stand jahrelang an der Spitze der Willkommensbewegung für den Flüchtlingsstrom nach Deutschland. Heute soll sie als Spitzenkandidatin für das BSW zur Landtagswahl in Thüringen am 1. September Wagenknechts strengere Asylpolitik vertreten. Unglaubwürdiger geht es nicht.

Denn für Sahra Wagenknecht müsste in Europa bei der grenzenlosen Asyleinwanderung heute die Botschaft lauten: „Deutschland ist überfordert, Deutschland hat keinen Platz mehr, Deutschland ist nicht länger bereit, Destination Nummer eins zu sein.“ Denn nur Flüchtlinge und Finanzlasten besser verteilen zu wollen, reiche nicht. Die Zahlen seien viel zu hoch.

Die Ampel wird ihr Schicksal
Dreitagsfliege BSW
Ganz im Gegensatz dazu vertrat Wagenknechts designierte BSW-Spitzenkandidatin Wolf als OB die Spitze der Pro-Asylbewegung. Die Eisenacher Aufnahmequote lag sogar bei 220 Prozent im Vergleich zu anderen Kommunen. Und die Zahlen steigen, weil Familien von Flüchtlingen nachziehen oder Flüchtlinge aus anderen Kommunen nach Eisenach kommen. Denn: „Die Willkommenskultur ist in Eisenach ein wichtiger und fester Bestandteil. Wir wissen aber auch, dass der Druck auf die Stadt steigen wird. Darauf müssen wir vorbereitet sein“, verkündet Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf zu den steigenden Flüchtlingszahlen.

Das Ergebnis dieser Willkommenspolitik der Linken können Touristen in der Wartburgstadt besichtigen. Wer arabische Nächte erleben will, dem empfiehlt sich ein Besuch von Eisenachs Innenstadt am späten Nachmittag, wenn zahlreiche in Kopftuch, Nikab oder Tschador gehüllte Frauen samt Kindern durch die Innenstadt mit ihren Arabic Food Läden streifen. Bärtige Männer besuchen hier die zahlreichen Barber Shops oder lungern unter Luther- oder Bach-Denkmal herum. Fragt man Verkäuferinnen oder Taxifahrer nach den vielen arabischen Asylgästen in der Lutherstadt, bekommt man schnell die Antwort: „Das verdanken wir unserer Oberbürgermeisterin Katja Wolf von den Linken.“

Diese Spitzenkandidatin soll also jetzt für das BSW in Thüringen eine härtere Asylpolitik durchsetzen? Wohl kaum.

Wer ist eigentlich Katja Wolf? Sie wurde 1976 in Erfurt geboren, war seit 1992 in der PDS alias SED und saß von 1999 bis 2012 für die Linken im Thüringer Landtag. Seit dem 1. Juli 2012 regiert sie Eisenach als Oberbürgermeisterin. Sie erwarb ihr Diplom in Sozialpädagogik an der Fachhochschule Erfurt 1999. Sie hat aber in dem Beruf nie richtig gearbeitet, weil sie gleich als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der PDS-Landtagsfraktion im September 1999 zur Berufspolitikerin wurde. Am 19. Januar 2024 gab Wolf dann bekannt, bei den Kommunalwahlen 2024 nicht mehr für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren zu wollen. Sie kündigte zugleich ihren Wechsel zum Bündnis Sahra Wagenknecht an, für das sie bei der Thüringer Landtagswahl 2024 kandidieren möchte. Am 15. März 2024 wählte der Wagenknecht-Klub Wolf zur Co-Landesvorsitzenden des BSW.

BSW plus Linke gleich mehr Stimmen bei Wahlen

Aber es sind nicht nur unglaubwürdige Kandidaten und Mitglieder, die das BSW vertreten. Wagenknechts linker Klub ist zudem ein Trojanisches Pferd, weil damit die Rechtsnachfolger der Täterpartei SED, verantwortlich für 1.000 Mauertote, Zehntausende politische Gefangene, zehntausendfachen Menschenhandel, Diktatur und Unterdrückung ihr schreckliches historisches Image plötzlich loswerden. Sie häuten sich wie eine Schlange, doch ihr Kern bleibt erhalten.

Obendrein vergrößern die Linken durch ihre Spaltung zumindest bei Wahlen im Osten oder jetzt zur EU-Wahl ihr Potenzial. Hatte die Linke 2019 in Europa mit 5,5 Prozent ein dürftiges Ergebnis eingefahren, so könnten jetzt BSW und Linke laut jüngster INSA-Umfrage ihre Ausbeute zusammengerechnet verdoppeln – BSW sieben Prozent plus Linke vier Prozent gleich elf Prozent.

Ramelow zu BSW: "Oligarchie oder Kalifat?"
Das BSW Spielmacher im Osten?
Ähnlich sähe es für die kommende Landtagswahl in Thüringen aus. Hier lag die regierende Linke von Minderheits-Ministerpräsident Bodo Ramelow in Umfragen nur noch bei 20 bis 22 Prozent. Jetzt mit BSW in der letzten INSA-Umfrage erreicht Links 32 Prozent – BSW und Linke jeweils 16 Prozent. So in etwa könnte es demnächst im Osten auch in den Kommunalparlamenten zugehen, wenn bürgerliche Wähler am 9. Juni zu Hause bleiben oder die falschen Kreuze setzen.

Damit nicht genug: Für die CDU kommt das Bündnis Sahra Wagenknecht gerade recht. Es raubt bei Umfragen und wohl bei Wahlen der Alternative für Deutschland gut drei Prozentpunkte. Aber was den Christdemokraten noch viel wichtiger ist, mit dem in der Versenkung verschwundenen Image der Täterpartei Ex-SED taucht das BSW als scheinbar neue Partei auf, für die sicher keine Abgrenzungsbeschlüsse gelten.

Seit dem jüngsten CDU-Bundesparteitag macht derweil eine neue Strategie für die Ost-Länder bei den anstehenden Landtagswahlen die Runde. In Thüringen könnte die CDU (20 Prozent) plus BSW (16 Prozent) toleriert durch Ramelows Linke (16 Prozent) laut Umfragen eine Minderheitsregierung bilden. Der Trick: Die BSW-Truppen seien ja nicht mehr die SED-Rechtsnachfolger.

Das heißt dann aber auch: Wer CDU wählt, wählt links bis linksextrem gleich mit. Ohnehin gibt Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther vom linken CDU-Flügel in schöner Regelmäßigkeit Regierungsempfehlungen für die Ost-CDU mit den Linkspopulisten. Auch in Sachsen könnte CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer bei der Bildung einer Nationalen Front 2.0 gegen eine starke AfD wieder mit Grünen und SPD paktieren und sich noch vom BSW helfen lassen.

Na, wenn das keine guten Aussichten für CDU-Wähler im Osten sind, was dann?


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