Tichys Einblick
keine Kritik an Landrat Witschas

Asylpolitik: Sachsens Regierungschef Kretschmer kratzt sachte die Kurve

Deutschland erlebt in diesem Jahr die drittgrößte Asylzuwanderung seit 2014. Ein CDU-Landrat in Sachsen spricht Tatsachen aus und wird vom linksgrünen Lager verdammt. Die Bundes-CDU duckt sich ab, aber Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer teilt Asylfakten seines CDU-Kollegen inhaltlich voll und ganz.

Michael Kretschmer bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Görlitz am 02.12.2022

IMAGO / Future Image

Ja, es muss schon sehr befreiend wirken, wenn sich ein Christdemokrat nicht mehr so arg unter dem Regime von Angela Merkel wegducken muss. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer ist so einer. Merkel ist passee, und schon versucht er, sacht dem linksgrünen Regierungsauftrag zu entfliehen. Der 47-jährige Ministerpräsident hat seinen Wahltermin im Sommer 2024 wie seine schwindsüchtige Sachsen-Union fest im Blick.

Wohl deswegen stellt sich Kretschmer voll inhaltlich hinter seinen Bautzener Landrat und Parteifreund Udo Witschas. Der hatte es gewagt, die ungebremste Flüchtlingseinwanderung kurz vor Weihnachten öffentlich in Frage zu stellen. 

Witschas‘ Sprengel Bautzen, die große Kreisstadt in der sächsischen Oberlausitz, liegt nicht allzuweit von zwei Landesgrenzen nach Polen und der Tschechischen Republik entfernt, über die seit Monaten Asyleinwanderer in hoher Zahl nach Sachsen strömen. Die Aufnahmekapazitäten für den grenzenlosen Asylzufluss sind am Ende, weil kein Politiker es wagt, schon gar nicht die rot-grün dominierte Ampel in Berlin, Merkels irren Einwanderungskurs zu stoppen. Auch Kretschmer kennt die hereinströmenden Asylprobleme Sachsens, schließlich ist er in Görlitz an der polnischen Grenze aufgewachsen.

In einer in den sozialen Netzwerken verbreiteten Ansprache vor Weihnachten hatte Bautzens Landrat Witschas gewagt, das Empfinden vieler Bürger zu verkünden, dass „Menschen, die zu uns kommen und unsere Kultur nicht kennen“, nicht in Mehrfamilienhäusern oder leerstehenden Wohnungen untergebracht werden sollten. Denn man wolle „die Gefährdung des sozialen Friedens dafür nicht in Kauf nehmen“. Der CDU-Politiker möchte auch Turnhallen nicht für Flüchtlinge zur Verfügung stellen, weil damit der Sport vor allem für einheimische Kinder und Jugendliche gefährdet sei. Der Kreistag von Bautzen hatte nämlich die Eröffnung einer weiteren zentralen Asylunterkunft in Hoyerswerda abgelehnt.

Asyl-Tatsachen sorgen für linksgrüne Empörungswelle

Daraufhin wurde der Landrat von einer Empörungswelle linksgrüner Politfunktionäre wie auch von Journalisten-Aktivisten überrollt, angefangen von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) bis hin zu Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow von der Partei Die Linke alias PDS alias SED.

Besonders Spitzenkandidat Dulig, der seine Sozialdemokraten bei der Landtagswahl 2019 auf das Rekordtief von 7,7 Prozent schrumpfte, holt gleich die Rechtsextremismus-Keule heraus: „Friedrich Merz hat gesagt, dass er sich abgrenzen wird von allen rechtsextremen Aktivitäten. Ich erwarte das auch hier in Sachsen.“  

Wie so oft duckt sich CDU-Chef Friedrich Merz bei Klare-Kante-Themen feige ab. Er ließ seinen Generalsekretär Mario Czaja gleich eine Entschuldigung verbreiten: „Wir distanzieren uns mit Nachdruck von der Wortwahl des Bautzener Landrates.“ Er äußerte sich ausdrücklich im Namen von Parteichef Friedrich Merz und des gesamten Vorstandes der Bundespartei. 

Verdruckst schiebt Czaja hinterher: „Wir haben überall in Deutschland eine große Herausforderung, Flüchtlinge unterzubringen.“ 

Soso. Sagen, was ist, gilt offenbar für ihn in der Politik nicht mehr. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Was für eine ängstliche Gurken-Truppe im Konrad-Adenauer-Haus!

Dabei hat selbst der Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer (Grüne Parteimitgliedschaft ruht!), schon im November 2017 vor den Folgen dieser ungezügelten Einwanderung gewarnt, entgegen der Pro-Asyl-Propaganda seiner eigenen Partei: „Die Menschen, die während der Flüchtlingskrise zu uns gekommen sind, haben eine andere Einstellung zu Frauenrechten, religiöser Toleranz und Umweltschutz. Wenn eine Million Menschen in einer so kurzen Zeit kommen, muss man sich plötzlich wieder mit Vorstellungen auseinandersetzen, die man für überwunden glaubte. Das kann eine Gesellschaft zurückwerfen.“

Ministerpräsident Kretschmer fiel anders als sein Bundesvorsteher Merz seinem Landrat nicht direkt in den Rücken. Durch eine verkürzte Botschaft vor allem in den Medien, sei ein „ganz falscher Eindruck“ entstanden, argumentierte Kretschmer bei Welt-TV. In der Sache sei es aber vollkommen richtig, auf die Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen zu verzichten, selbst wenn die Botschaft einer Klarstellung bedürfe.

Kretschmer weiß, dass nicht nur seine Landsleute bei der Asylpolitik schon lange deutlich anders denken als der bundespolitische Elfenbeinturm im Berliner Bundestag und in den rot-gelb-grün regierten Ministerien.

Denn mehr als zwei Drittel der deutschen Bevölkerung lehnt die Einwanderungspolitik der Bundesregierung ab. Das zeigt eine aktuelle Insa-Umfrage: 68,3 Prozent der Befragten sind besorgt über die steigenden Asylbewerberzahlen, weniger als ein Viertel (23,5 Prozent) sehen die Migrationslage gelassen. Nur unter den Anhängern der Grünen ist eine Mehrheit (55 Prozent) nicht besorgt.

Allein im Oktober lag die Zahl illegaler Migranten bei über 13.425. Seit Jahresbeginn kamen über 85.308 Menschen unerlaubt ins Land, im Vorjahr waren es 57.637 illegale Einreisen. Insgesamt haben allein im November mit Jahresrekord 29.383 Einwanderer Asylanträge gestellt und von Januar bis November sogar schon 214.253 Personen. Zum Jahresende 2022 wird dann mit wohl über 240.000 Flüchtlingen seit 2014 die drittstärkste Asylwelle Deutschland überrollen.

Kretschmer hatte 2018 in Chemnitz keine Hetzjagden gesehen

Bislang hatte Michael Kretschmer nur einen starken Moment gegen die frühere Kanzlerin aufzubieten, als er wie auch die Freie Presse im Sommer 2018 nicht die Propaganda von Merkel übernahm, in Chemnitz hätte es Hetzjagden gegen Ausländer gegeben, nach einem Messermord an dem Deutschen Daniel H. mit Migrationshintergrund bei einem Volksfest in Chemnitz. Merkels Kanzleramt berief sich für diese Behauptung ausgerechnet auf verfremdete Videoschnipsel des linksextremen Portals „Antifa Zeckenbiss“. Tichys Einblick deckte im November 2018 erstmals den wahren Hintergrund des „Hase, Du bleibst hier“-Videos auf.

Erst ein Jahr nach der tödlichen Attacke wurde der 24-jährige Messerstecher Alaa S. aus Syrien wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Für Kretschmers Unbotmäßigkeit, der Kanzlerpropaganda von angeblichen Hetzjagden nicht zu folgen, und somit Merkels grenzenlose Asyleinwanderung in Frage zu stellen, bekam der CDU-Fürst aus Sachsen mächtig eins auf den Deckel. Ab 2019 machte er nicht einmal mehr piep bei zahlreichen fragwürdigen Entscheidungen Berlins – vor allem Corona betreffend. Er verordnete Sachsen im Winter 2021/22 praktisch sogar einen Lockdown. Kretschmer reihte sich ein und wartete brav ab. 

Jetzt, nachdem die abgetretene Merkel renitente CDU-Amtsträger nicht mehr politisch gesehen „abschießen“ kann, wird Kretschmer etwas mutiger.

Schon mit seinen distanzierten Äußerungen zum Ukrainekrieg und Russland versuchte er sich beim verlorenen Wahlvolk wieder einzukratzen. Er gab dabei nur das wieder, was jeder vernünftige Politiker hätte erkennen müssen: Deutschland sollte nicht sofort auf russisches Erdöl und Gas verzichten, sonst schießt sich eine rohstoffabhängige Industrienation lediglich selbst ins Knie, um Russland in die Knie zu zwingen.

Auch bei einem Sportabend in der sächsischen Landesvertretung Berlins am 15. Dezember mit dem neuen RB Leipzig Manager Max Eberl kritisierte Kretschmer den DFB für seine Sportpolitik bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar mit One-Love-Binden, die man allein den Spielern auf dem Platz überlassen hatte. Eine Kritik an der Regenbogenoffensive an sich kam ihm jedoch nicht über die Lippen, doch immerhin daran, dass Bundesminister und Bundeskanzler in Katar für Flüssiggas ihre Aufwartung machen.

Die Stimmung im Volk kippt nicht nur in Sachsen

Kleine Kurswechsel sind wohl seine neue Polittaktik vor den Landtagswahlen im Sommer 2024. Ob das ausreicht, darf bezweifelt werden. Schließlich macht die aus Berlin verordnete Energie-Krise nicht nur die Sachsen immer ärmer.

Erst kein Speiseöl und Bautzner Senf, immer mehr leere Regale bei Angeboten, jetzt keine wichtigen Medikamente vor allem für Kinder aber auch Erwachsene, steigende Energiepreise, Sparappelle für Strom und Gas sowie Fernwärme – so viel Elend hat es nicht einmal am Ende der DDR gegeben, fluchen immer mehr Bürger im Alltag vor sich hin. Das spürt jetzt wohl auch Regierungschef Kretschmer in seiner Dresdner Staatskanzlei mit der goldenen Krone auf dem Dach. Da können die staatstragenden Medien mit ihren immer noch gut bezahlten Journalisten-Aktivisten so viel dagegen agitieren, wie sie wollen.

Denn um die Stärke der einstigen 50 plus X-Prozent-CDU in Sachsen ist es nach wie vor schlecht bestellt. Das weiß auch der einstige Ziehsohn von Sachsens langjährigem Ministerpräsidenten „König Kurt“ Biedenkopf. Für Kretschmers CDU verschlimmert die Ampelregierung in Berlin mit ihrer Fortsetzung der linksgrünen Merkel-Politik mit anderen Mitteln eher die Stimmung bei seinen gerne nachdenkenden und renitenten Sachsen. Die letzte aussagefähige Umfrage von den INSA-Meinungsforschern aus Erfurt datiert leider aus dem April dieses Jahres (siehe Grafik). Grundsätzlich hat sich daran wohl wenig geändert, wenn man die vergangenen Wahlen und Umfragen mit dem Abfallen von FDP und Linken und dem Wiedererstarken der AfD heranzieht.

Keine Wunder also, dass der sächsische Ministerpräsident eineinhalb Jahre vor seiner Landtagswahl noch rechtzeitig versucht, die Kurve zu kratzen. Ob das allerdings hilft, wird sich nach weiterer wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Talfahrt im nächsten Jahr noch zeigen. Doch Politiker Kretschmer und Co. setzen wie immer auf das große Vergessen bei den Wahlbürgern. Vielleicht geht es ja 2024 wieder leicht aufwärts. Und auch bei diesem Politikmotto bleiben sie sich im Wahlkampf treu: „Was schert mich mein Geschwätz von gestern.“ Sie werden ja schließlich „jeden Tag klüger“, wie Alt-Kanzler Konrad Adenauer behauptet hat. Ja, so geht politische Realsatire.

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