In den Supermarktregalen bieten Händler derzeit schon auffällig viel Pfefferkuchen und Spekulatius an, obwohl die Weihnachtszeit noch in der Ferne liegt. Für eine Ampel-Koalition von SPD, FDP und Grünen sind zwar noch keine Schaltungen vorgenommen, aber selbst laufende Sondierungen für ein solches rot-grünes Bündnis mit dem Beistand von Liberalen lassen in diesen Tagen schon einige Spekulationen zu.
Ein neues Bundeskabinett könnte wie bisher aus 16 lukrativen Posten bestehen. Denn warum sollte ausgerechnet ein so fragiles Neu-Bündnis wie eine Ampel einen personellen Einsparwillen zeigen? Schließlich müssen drei sehr verschiedene Parteien mit ministerieller Macht befriedigt werden. Es gehe ja um die Umsetzung der „eigenen Inhalte“ – so in etwa könnte man dies dem Wahlvolk verkünden.
Damit die Parteivorderen aus den Sondierungen dieser Woche später eine Ampel-Koalition verhandeln können, haben sie für jeden Partner wohl im Vorfeld bereits ein paar Erfolge vereinbart: So soll die SPD eines ihrer Kernprojekte bekommen – den Mindestlohn von 12 Euro in der Stunde für Arbeitnehmer. Der FDP-Forderung nach einem Super-Abschreibungsprogramm für klimafreundliche Technologie-Investitionen sind die anderen beiden nicht abgeneigt. Auch die Grünen könnten für noch mehr Einwanderung einen Spurwechsel von Asyl- in Erwerbsmigration, weniger Abschiebungen und dauerhafte Aufenthalte zugebilligt bekommen.
Wir rechnen derzeit lieber mal mit dem Schlimmsten oder besser mit den meisten Posten. Bislang gibt es wie in Angela Merkels Bundesregierung 16 zu verteilen: Den Kanzler und seinen Kanzleramtsminister stellt in einer Ampel die SPD. 14 weitere Minister warten auf ihre Ressorts. Doch wie werden sie verteilt?
Oft dient dazu in Verhandlungen intern ein halbwegs adäquater Prozentschlüssel, ermittelt durch die Ergebnisse. So erreichten die SPD 25,7 Prozent, die Grünen 14,8 Prozent und die FDP 11,5 Prozent bei der Bundestagswahl. Insofern könnte etwa für je 3,5 Prozent ein Ministerposten herausspringen. Danach bekämen die FDP drei, die Grünen vier und die SPD acht plus den Kanzler. FDP und Grüne könnten durchaus auch je ein Ressort mehr erhalten, doch das würde auf Kosten der SPD gehen und die Kanzlerpartei schwächen. Daran glauben wir zunächst nicht.
Personal statt Inhalte geht natürlich auch
Die SPD bietet also Vizekanzler Olaf Scholz jetzt als Regierungschef an, dazu darf er noch seinen Kanzleramtsminister stellen. Der Name seines vertrauten Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium Wolfgang Schmidt (SPD) macht hier die Runde. So könnten zwei SPD-Finanzer einen Bundeskassenwart von der FDP unter Fernkontrolle halten. Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil dürfte womöglich weitermachen, damit das Ampel-Kabinett nicht nur aus Neulingen besteht. Einen Innenminister könnte die SPD womöglich aus den Ländern wie Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz rekrutieren.
Bei den Grünen sind die vorderen Figuren ziemlich sicher aufgestellt. Der grünen Kanzlerkandidatin und Parteichefin Annalena Baerbock könnte man die verlorene Wahl mit dem Auswärtigen Amt versüßen. Sie kommt ja nach eigenem Bekunden „eher aus dem Völkerrecht“. Ihr profilierter Amtskollege und Spitzenkandidat Robert Habeck könnte einem Ressort für Klima/Energie/Umwelt vorstehen. Regierungserfahrung hat der Schriftsteller aus Lübeck in Schleswig-Holstein schon als Vize-Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Natur sammeln können. Ob Fraktionschef Anton Hofreiter noch die Autofahrer als Verkehrsminister überrascht oder Realo Cem Özdemir noch mal irgendwo ans Ruder darf, bleibt abzuwarten.
In den Reihen der FDP rechnen Insider derzeit mit drei Ministern. Wollen die Freidemokraten nicht wie 2009–2013 untergehen, müssen sie sich diesmal das Bundesfinanzministerium mit Parteichef Christian Linder an der Spitze sichern. Dessen Chefunterhändler und Generalsekretär Volker Wissing könnte das Justizressort übernehmen. Mit Finanzen und Justiz hätte die FDP ressortübergreifende Kontrolle und Einfluss auf andere Ministerien. Zudem gilt die hessische Bundestagsabgeordnete Bettina Stark-Watzinger als qualifizierte Kandidatin für ein digital aufpoliertes Bildungs- und Forschungsministerium. Hinzu kommen Möchtegernminister wie Agnes Strack-Zimmermann (Verteidigung), Alexander Graf Lambsdorff (Entwicklungshilfe) oder der profilierte Michael Theurer (Wirtschaft). Die ersten beiden sind recht unwahrscheinlich. Wenn die FDP den Finanzminister stellt, gehört dann der Wirtschaftsminister in der Regel kaum noch zum Paket.
Nicht nur im Bundestag, sondern selbst in Kreiszeitungen geistern schon Kabinettslisten herum. Gesetzt sind in solchen Fällen nur die vier Parteivorderen Scholz, Lindner, Baerbock und Habeck. Die anderen Mitspieler müssen dann auf die nächtlichen Entscheidungen ihrer Übungsleiter warten.
Keine Ampel ohne grüne Bundespräsidentin?
Damit nicht genug: Eine wichtige Personalie, ohne die eine Ampel höchstwahrscheinlich keine Zukunft hat, ist das Amt des nächsten Bundespräsidenten. Falls die FDP nicht völlig im Bündnis mit den Rot-Grünen untergehen will und den Liberalen das Finanzministerium sowie der Verzicht auf große Steuererhöhungen zugestanden werden, dann hat die kleine Zitrus-Koalition bestimmt schon über die nächste Bundespräsidentin gesprochen. Ja, sie könnte ziemlich sicher eine Frau wie Grüne sein und Katrin Göring-Eckardt heißen. Wenn die SPD den Kanzler stellen will, wird sie wohl oder übel auf diesen Deal eingehen.
Einem designierten Kanzler Olaf Scholz fällt es bestimmt nicht schwer, seinen Genossen Frank-Walter Steinmeier vom Interesse an einer zweiten Amtszeit abzubringen. Denn der 65-jährige Steinmeier, so in etwa könnte Scholz wie die Volksbanken in ihrer Werbung argumentieren, würde doch sicher in einer Ampel-Koalition neue Horizonte sehen und für diesen „Aufbruch“ den „Weg frei“ machen.
Schließlich hätte die nächste Bundesversammlung am 13. Februar 2022 derzeit 1.470 Sitze. Die Ampel-Fraktionen brächten es darin auf eine Mehrheit von 776 Stimmen. Die grüne Fraktionschefin Göring-Eckardt könnte so als erste Frau zur Bundespräsidentin gewählt werden. Im Gegenzug erkauft sich die FDP dafür mehr Beinfreiheit in einer Bundesregierung mit SPD und Grünen. In der Politik geht es eben nicht nur um Inhalte, sondern vor allem um Macht und ums Geschäft.
Jetzt wird erst noch sondiert und dann in den nächsten Wochen verhandelt. Das Ergebnis kann jedoch noch viele Wochen auf sich warten lassen. Eine neue Bundesregierung vor Weihnachten wäre kein Wunder, aber zumindest eine kleine Überraschung – siehe Grafik.