Tichys Einblick
Was tun nach der Wahl?

Neustart bei Zuwanderung und Integration

Ins bestehende Aufenthaltsgesetz ist neben den Kriterien für die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis das Kriterium der Annahme und Rückzahlung von Leistungen zur Grundsicherung eines „Integrationskredits“ aufzunehmen.

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Im Wahlprogramm von CDU/CSU ist zu den Themen Zuwanderung und Integration zu lesen: „Wir wollen, dass die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig bleibt.“ Im unabhängig von der CDU beschlossenen „Bayerplan“ der CSU wird dieser Wunsch nochmals bekräftigt und um die bekannte Forderung nach einer „Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr für Deutschland“ erweitert. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung vom 18. September ergänzt CSU-Chef Seehofer diese Zahl um die Zahl 30.000 für das Bundesland Bayern, „damit ein Konflikt zwischen Sozialsystem und Integrationskosten gar nicht erst entsteht.“ Davon will die Führung der CDU bislang aber nichts wissen.

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Integration! Integration! Integration!
Im gemeinsamen Wahlprogramm der beiden Schwesterparteien wird daher keine Obergrenze gefordert. Dort ist stattdessen zu lesen: „Wir wollen, dass alle, die mit Bleibesperspektive neu nach Deutschland kommen, baldmöglichst ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten können.“ Für wieviele Menschen dies realistischerweise möglich ist und wie deren Vermittlung in Arbeit gelingen soll, bleibt ebenso der Phantasie der Wähler überlassen, wie die Antwort auf die wohlweislich im Wahlprogramm gar nicht gestellte Frage, was mit denjenigen „Flüchtlingen“ geschehen soll, die über einen längeren Zeitraum oder auch dauerhaft keine Arbeit erhalten. Das wird, nach allem was wir inzwischen wissen, die überwiegende Mehrheit der seit 2015 rund 1,5 Millionen ins Land gekommenen „Flüchtlinge“ sein.

Derlei Kakophonie verheißt angesichts des Umstands, dass beide christdemokratischen Parteien aller Voraussicht nach auch die nächste Bundesregierung führen werden, nichts Gutes. In ihrem „Bayernplan“ beschreibt die CSU zwar eine Reihe von Maßnahmen, die eine Wende in der bisherigen Zuwanderungs- und Integrationspolitik der Bundesregierung einleiten würden; völlig ungewiß bleibt aber, wie weit sie jetzt nach der Wahl dazu in der Lage sein wird, diese Maßnahmen im anstehenden Koalitionsvertrag zu verankern und anschließend für deren Verwirklichung zu sorgen. Auf ihre Schwesterpartei CDU ist dabei gewiss kein Verlass, vor allem, wenn sie eine Regierung bilden sollte, in der die Grünen dabei sind.

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In beiden Fällen wird Seehofer aller Voraussicht nach dazu gezwungen sein, entweder, wie schon 2015/2016, Opposition aus der Regierung heraus zu betreiben oder sich den politischen Vorhaben seiner Koalitionspartner zu beugen. Seine Ankündigung, Merkel daran zu hindern, ihre verfehlte Flüchtlingspolitik fortzusetzten, wird der CSU-Chef jedenfalls nur einlösen können, wenn im Parlament wie aber auch außerhalb des Parlaments genügend Stimmen vorhanden sind, die mit Nachdruck einen Neustart in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik fordern. Er könnte auch mit die Basis für eine liberal-konservative Regierungsmehrheit in vier Jahren sein – oder früher.

Die Kernelemente eines solchen Neustarts lassen sich in den folgenden 10 Punkten zusammenfassen. Sie finden sich zum Teil in den Wahlprogrammen von CSU, AfD und FDP wieder, gehen über diese in mancher Hinsicht aber auch hinaus.

1. Systematische Trennung von Arbeitsmigration und Fluchtmigration

Das ständig von der Regierung verkündete Integrations-Versprechen, alle anerkannten Asylbewerber dürften in Deutschland auf Dauer arbeiten und wohnen, erzeugt einen enormen Pull-Effekt in den Fluchtländern. Dieser muss umgehend reduziert werden. Fluchtmigranten ist daher zu verdeutlichen, dass sie auch als anerkannte Asylanten nur ein zeitlich befristetes Schutzrecht genießen und das Land nach Wegfall ihrer Fluchtgründe wieder verlassen müssen.

2. Quantitative Begrenzung und Steuerung der Fluchtmigration gemäß der Aufnahmekapazitäten der Landkreise und Kommunen

Bei rechtmäßiger Anwendung erlauben Dublin III wie auch Artikel 16, Absatz 2 des Grundgesetzes der Regierung schon heute, unter humanitären Aspekten nur eine festgelegte Anzahl von Fluchtmigranten entweder direkt aus deren Herkunftsländern oder aus sicheren Drittstaaten ins Land zu lassen. Geltendes Recht wird aber nicht angewendet. Stattdessen erlaubt die Bundesregierung einer quantitativ unbestimmten Menge an Fluchtmigranten ins Land einzureisen, von denen ein Großteil bei korrekter Rechtsanwendung keinerlei Bleibeperspektive hat.

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Diese Immigranten werden dann nach dem Königsteiner Schlüssel top down auf die jeweiligen Länder bzw. Landkreise verteilt. Entgegen diesem Vorgehen ist zukünftig unter Einbeziehung der Landesregierungen und der Landkreise bottom up zu ermitteln, wieviele Fluchtmigranten die einzelnen Bundesländer jährlich verkraften. Dabei sind – unter Ausschluss der „stillen Reserve“ ehrenamtlicher Helfer – vor allem die Kapazitäten der zuständigen Behörden wie auch die Lage an den Arbeits- und Wohnungsmärkten in den jeweiligen Landkreisen und Kommunen zu berücksichtigen. Erst dann darf entschieden werden, wieviele Fluchtmigranten aufgenommen werden und wie sie auf die Bundesländer und Landkreise zu verteilen sind. Dies setzt ein funktionierendes Grenzregime an den Landesgrenzen voraus, so dass Fluchtmigranten nicht mehr unter Umgehung von Dublin III illegal bzw. ohne Ausweispapiere nach Deutschland einreisen können.
3. Verkürzung des Asylverfahrens auf eine Dauer von maximal einem Jahr

Die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und bei den zuständigen Verwaltungsgerichten dauern im Falle des Beschreitens des Rechtsweges gegen getroffene Entscheidungen aufgrund der völlig aus dem Ruder gelaufenen Bewerberzahlen teilweise mehrere Jahre. Dies führt unter anderem dazu, dass immer mehr Fluchtmigranten mit Duldungsstatus im Land leben, deren Bleibeperspektiven unsicher sind. Dies verunsichert die Betroffenen und steigert die Risiken steigender Kriminalität und politischer Radikalisierung. Deswegen muss in Zukunft jedes Asylverfahren nach spätestens einem Jahr endgültig abgeschlossen sein. Das ist mittels einer radikalen Verkürzung des Rechtswegs im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen in Kombination mit einer Reduzierung der Asylanträge ohne weiteres machbar. Die Zielgröße von einem Jahr Verfahrensdauer muss daher in die Berechnung der jährlichen Aufnahmekontingente mit einfließen.

4. Zentrale Unterbringung sowie Arbeitsverbot und Sprach- und Kulturunterricht für die Dauer des Asylverfahrens

Bis zur endgültigen Entscheidung über einen Asylantrag müssen Fluchtmigranten zukünftig (für maximal ein Jahr) in zentralen Flüchtlingsunterkünften der Länder verbleiben, wo sie ausschließlich Sachleistungen und Taschengeld erhalten. Erst danach dürfen sie, anders als es heute der Fall ist, auf die Kommunen verteilt werden, sofern sie eine Bleibeberechtigung erhalten. Die zwischenzeitlich erteilte Arbeitserlaubnis während des Asylverfahrens muss wieder zurückgenommen werden.

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Um Nichtstun und Langeweile während des Aufenthalts in den Unterkünften zu vermeiden, müssen die Asylbewerber Kurse besuchen, in denen ihnen neben der deutschen Sprache auch die kulturellen Regeln des Lebens in Deutschland vermittelt werden. Dabei sollten unter anderem nicht nur die Regeln des Zusammenlebens der Geschlechter eine Rolle spielen, sondern auch Regeln und Standards des Arbeitslebens wie z.B. Pünktlichkeit, Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit oder Qualitätsstandards. Den Asylbewerbern ist frühzeitig zu vermitteln, dass sie sich um die Aufnahme in ein Hochleistungsland mit hohen Leistungsstandards sowie verbindlichen Regeln des Zusammenlebens und des Zusammenarbeitens bewerben.
5. Umgehende Rückführung/Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Heimatländer

Die vorherrschende Praxis einer zeitlich stark verzögerten oder gar nicht vollzogenen Rückführung bzw. Abschiebung abgelehnter Asylbewerber wirkt wie ein sich selbst verstärkender Pull-Effekt und ist deswegen zu beenden. Der Status der vorübergehenden Duldung ist auf die Dauer des Asylverfahrens sowie den subsidiären Flüchtlingsschutz zu begrenzen. Abgelehnte Asylbewerber müssen nach Abschluß ihres Asylverfahrens umgehend in ihre Heimatländer zurückkehren. Mit den jeweiligen Ländern sind entsprechende Vereinbarungen zur Rückführung zu treffen.

6. Begrenzung des Bleiberechts mit Arbeitserlaubnis auf politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge

Das befristete Bleiberecht mit Arbeitserlaubnis ist ein ausschließliches Privileg anerkannter Asylbewerber und bleibt diesen vorbehalten. Bleibeberechtigungen trotz Ablehnung dürfen auch dann nicht erteilt werden, wenn in Einzelfällen während der Duldungsphasen erste Integrationsschritte schon vollzogen worden sind. Das verstößt nicht nur gegen geltendes Recht, sondern führt auch zu einer ungerechten Privilegierung gegenüber denjenigen abgelehnten Asylbewerbern, die das Land verlassen müssen.

7. Erweiterung/Ergänzung der Integrations- und Orientierungskurse um berufliche Fachthemen

Die amtliche Verpflichtung anerkannter Asylbewerber zur Teilnahme an Integrations-und Orientierungskursen ist beizubehalten. Die Kurse sollten allerdings um berufliche Fachthemen inhaltlich wie zeitlich erweitert werden. In ihnen sollte unter anderem der Aufbau und die Funktionsweise des deutschen (Berufs-)Bildungssystems wie auch die Funktionsweise von Arbeitsmärkten vermittelt werden. Den meisten Fluchtmigranten fehlt jedes Verständnis für die Bedeutung theoretisch-praktischer (dualer) Ausbildung im deutschen Berufsbildungssystem. Desweiteren sind sie meist auch nicht in der Lage, ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit am Arbeitsmarkt realistisch einzuschätzen.

8. Angebot eines „Spurwechsels“ von der Fluchtmigration in die Arbeitsmigration

Bleiberechtigten Fluchtmigranten, die eine unbefristete sozialversicherungspflichtige Arbeit erhalten oder eine berufliche bzw. akademische Ausbildung beginnen, sollte die Möglichkeit eröffnet werden, einen „Spurwechsel“ in die normale Arbeitsmigration mit Aussicht auf ein dauerhaftes Bleiberecht vorzunehmen. Dieser Wechsel geht mit der Verpflichtung einher, die Grundsicherung (ALG II) als zinslosen „Integrationskredit“ zu beziehen, der im Rahmen des sozialrechtlich Zulässigen über einen längeren Zeitraum mittels der monatlichen Lohn- bzw. Gehaltszahlungen getilgt werden muss. Integrationsfähige und –willige Fluchtmigranten werden so nicht mehr als Almosenempfänger, sondern als leistungsorientierte Arbeitsmigranten behandelt, die wie in jedem Land der Welt auch in Deutschland ihre Integrationskosten selbst zu tragen haben. Bestehende sozialrechtliche Gesetze sind so anzupassen und zu gestalten, dass Missbrauch möglichst vermieden bzw. sanktioniert wird.

9. Rechtliche Koppelung einer dauerhaften Bleibeperspektive an Rückzahlungsbereitschaft

In das bestehende Aufenthaltsgesetz ist neben den schon bestehenden Kriterien für die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG) das zusätzliche Kriterium der Annahme und Rückzahlung von Leistungen zur Grundsicherung (ALG II) in Form eines „Integrationskredits“ aufzunehmen.

10. Umgehende Rückführung/Abschiebung von Fluchtmigranten in die jeweiligen Heimatländer nach Entfall der Fluchtgründe

Bleibeberechtigte Fluchtmigranten, die den angebotenen „Spurwechsel“ nicht in Anspruch nehmen wollen oder können, müssen nach Entfall der Fluchtgründe selbst dann wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, wenn der Aufenthalt sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt. Ihnen werden die entstandenen Kosten für ihre Grundsicherung schriftlich mitgeteilt und als „Rückkehrgeschenk“ (symbolisch) erlassen.


Roland Springer arbeitete als Führungskraft in der Autoindustrie. Er gründete im Jahr 2000 das von ihm geleitete Institut für Innovation und Management. Sein Buch Spurwechsel – Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt erhalten Sie in unserem Shop www.tichyseinblick.shop

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