Tichys Einblick
Bürger oder Untertan

Im Namen von Corona und Klima in den Zentralismus

Das ebenso alte wie falsche Klischee von der „Kleinstaaterei” als rückständiger, unterentwickelter Form von politischer Ordnung sitzt tief in den Köpfen. Die Fortsetzung des Negativbilds „Kleinstaaterei” sind die Europäische Union und die Vereinten Nationen als Weltregierung.

Es fängt klein an, aber dann. Die Unionsfraktion will ein Bundesgesetz für einheitliche Corona-Regeln. Die FDP beklagt das als Plagiat. Mit Seehofer und Söder wird’s um den Freistaat öder, dem einst das Grundgesetz zu wenig föderal war. Die SPD hat keine Föderalismus-Tradition. Die SED-Linke hat den Zentralismus der DDR verinnerlicht, den diese nahtlos wie in der Hitlerzeit fortsetzte. Die Grünen haben ihre letzten Eierschalen von Basisdemokratie und Bürgerrrechten bei der gierigen Hast zur Macht verloren.

Wer so lange dabei ist wie ich oder noch länger auf dem traurigen Weg von der Bonner in die Berliner Republik, weiß, dass sowohl Recht und Freiheit wie Markt und Wettbewerb nur kurze Phasen lang aufzublühen schienen. Je deutlicher wurde, dass es mit der klassischen Gewaltenteilung westlich demokratischer Vorstellungen nichts wird, desto mehr war der deutsche Föderalismus ein – wenn auch immer weniger föderaler – Ersatz dafür. Nicht vergessen will ich hier zu erwähnen, dass es um das föderale Prinzip in dem einst auf ihn gegenüber dem Bund pochenden Bayern immer schlecht stand. Denn innerhalb des Freistaats herrschte stets purer Zentralismus – nur wenig gebrochen durch direkt gewählte Landräte.

Zentralismus statt Föderalismus

In der Dauerkrise namens deutsche Coronapolitik dürfte nun auch noch diesem letzten Rest von Gewaltenteilung in Gestalt des in den Jahrzehnten seit 1950 immer weniger gewordenen Föderalismus das Ende bereitet werden: Im Vorgriff auf den Klima-Feldzug, der dem Virus-Feldzug nahtlos folgen soll, wenn es nach den Grünrotdunkelroten geht, denen die Reste von Schwarzgelb innerhalb von Union und FDP – siehe oben – nichts entgegen setzen wollen, sondern die Grünrotdunkelroten noch in deren Zielen zu übertreffen suchen.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Der Zentralismus in Gestalt des ebenso einfachen wie einfältigen Glaubens an die Kraft der Einheitlichkeit von Politik und Ordnung hat in Deutschland und darüber hinaus sehr viele Anhänger. Das ebenso alte wie falsche Klischee von der „Kleinstaaterei” als rückständiger, unterentwickelter Form von politischer Ordnung sitzt tief in den Köpfen: Die logische Fortsetzung ist der EU-Zentralstaat unter dem Kommando der UN-Weltregierung. Denn warum soll die Logik von keine „Kleinstaaterei” beim heutigen Nationalstaat aufhören?
Zentralismus in der DDR und im NS-Staat

Die DDR hatte wie der Hitlerstaat die historischen Länder bewusst durch künstliche Bezirke, Gaue und so weiter ersetzt, um alte, gewachsene Identitäten zu zerstören, unerwünschte Gemeinsamkeiten, Familäres, Landsmannschaftliches auszulöschen zur besseren Lenkung des neuen Menschen. Von diesem Ungeist ist nach den beiden Diktaturen viel übrig geblieben.

Future happens, markets happen
Nicht der Zukunft zugewandt
Ich sehe von Anfang an bei TE, dass sich die sonst sehr unterschiedlichen Meinungsrichtungen der Leser beim Zentralismusthema nicht wiederspiegeln: Befürworter des Zentralismus finden sich quer durch alle Meinungsrichtungen. Die Zahl der Freunde des Dezentralismus ist unter den (regelmäßig) Kommentierenden sehr klein. Die nicht kommentierenden Leser sind natürlich in der großen Überzahl, also bleibt mir die Hoffnung, dass dort die Dezentralisten die Mehrheit sind.

Womit ich bei der Frage bin, wie es nach dem politisch verursachten Corona-Chaos weiter gehen soll. Meine Meinung von politischer Ordnung hat das politisch gemachte Staatsversagen nicht geändert, sondern bestätigt. Die Antwort auf eine globale Wirtschaft ist politisch-kulturelle Lokalität. Im globalen Dorf braucht es mehr denn je die lokale Welten.

Dem globalen Dorf der Konzerne in den lokalen Welten der Bürger und ihrer Bündnisse Paroli bieten

Im Wettbewerb zwischen lokalen Lösungen finden sich neue Wege, werden in der Praxis erprobt und bei Erfolg von anderen lokalen Einheiten übernommen. Eine bessere Methode der Suche nach neuen Wegen als den freien, unbehinderten Wettbewerb gibt es nicht. Irrtum auf lokaler Ebene ist leicht änderbar, je größer die Einheit, in der der Irrtum stattfindet, desto sicherer ist er schwer bis gar nicht korrigierbar.

Vieles, was das politische Corona-Chaos an Trümmern hinterlässt, war vorher schon marode: Infrastruktur im weitesten Sinn. Deutsche Politik fährt das Land schon seit vielen Jahren vor Merkel und in ihren verschärft auf Verschleiß. Weil im Weltbild der Grünrotdunkelroten der Strom immer aus der Dose kommt und das Geld vom Konto, weil sie ohne nachzudenken davon ausgehen, dass die Leute sowieso arbeiten, die Unternehmen sowieso produzieren und dienstleisten – ungeachtet, wie viel ihnen der Ausbeuter Staat wegnimmt. Adenauer dachte, dass die Leute immer Kinder kriegen, und die Grünrotdunkelroten meinen, dass die Melkkuh Wirtschaft und fleißige Bürger immer Milch gibt.

Helds Ausblick, Folge 7/2016
Idomeni: Die neuen Weltbürger bei der Arbeit
Richtig an diesem falschen Bild der Grünrotdunkelroten ist, dass unzählige Bürger, Arbeiter und Angestellte, kleine und mittlere Unternehmer, Freiberufler und Selbständige, Bauern und Handwerker tatsächlich unermüdlich ihren Beitrag leisten. Viele von ihnen haben ganz einfach weder Zeit noch Interesse, dem politischen und politmedialen Geschehen zu folgen. Sie sind damit beschäftigt, ihr Leben und das der Ihren täglich zu meistern. Natürlich merken auch sie ansatzweise, was da läuft, aber sie bohren sich noch mehr in ihre Arbeit in der unausgesprochenen Hoffnung, das wird sich schon alles wieder geben.

Die meisten von ihnen sind keine Angehörigen der Generation Alpha und schauen noch Fernsehen in den Stunden, die vom Tage übrig bleiben: Typisch für sie dort ist, Politiksendungen zu meiden und bei Krimis wegzuzappen, sobald sie Polit-Erziehung registrieren. Beliebt sind daher alte Filme aus der Ära lange vor der Propagandazeit. Fragen Sie mal in Ihrem Umfeld, Sie werden sich wundern. Die Jüngeren der Generation Z und ihre Kinder von Alpha sind sowieso nur noch bei Netflix und Co. unterwegs. Dort kommt die politmediale Erziehung noch nicht hin. Dort sucht man sich seine Streifen zur Entspannung selbst aus.

Die Vielfalt der Informationen, Meinungen und Unterhaltungsmöglichkeiten im Internet ist ein Verbündeter des Dezentralen. Dass im Dezentralen, im Lokalen die einzige Chance von Recht und Freiheit liegt, war nie klarer als heute. Dass die Kooperation zwischen vielen kleinen politischen Einheiten auf Vertragsbasis organisatorisch und finanziell effizienter, politisch konfliktarm und kulturell autonom stattfinden kann, ist im digitalen Zeitalter evident. Große und größte Gebilde sind systemisch autoritär, wirtschaftlich ineffizient und träge, kulturell einfältig und innovationsfeindlich. Und hoch anfällig in der Korruption von Macht. Kleine und kleinste Ordnungseinheiten der Bürger selbst sind in jeder Hinsicht überlegen.

Zeit für neue Wege. Wer macht mit bei einer Debattenserie über sie?

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