Huawei, der chinesische Hersteller von Netzwerktechnologie, kann seine Technik für die neuen 5G-Mobilfunknetze anbieten. Das hat die Bundesregierung entschieden. Von außen betrachtet eine scheinbar nebensächliche Frage, im Kern jedoch werden damit die Weichen für eine der wichtigsten Infrastrukturen Deutschlands gestellt.
Der neue 5G-Mobilfunkstandard löst in den kommenden Jahren den bisherigen LTE Standard ab und bietet deutlich mehr und schnellere Übertragungskapazitäten, eine technologische Revolution. Die entsprechenden Lizenzen wurden im März dieses Jahres versteigert. Dabei erhielt die Deutsche Telekom den Zuschlag für fünf deutsche Städte. In drei der neuen Netzen soll Technik von Huawei eingesetzt werden, in den beiden anderen Technik vom schwedischen Unternehmen Ericsson.
Mitglieder der Koalitionsfraktion äußerten unmittelbar darauf laut Widerstand und kritisieren in einem Gastbeitrag im Handelsblatt die weitreichende Entscheidung: »Nicht weniger als die nationale Sicherheit und die technologische Souveränität Deutschlands und Europas stehen beim 5G-Ausbau auf dem Spiel.« Die Sechs CDU-Parlamentarier sind der Auffassung, dass derart weit reichende Fragen im Parlament entschieden werden müssen. »Dabei ist zu entscheiden, wem wir unser digitales Nervensystem überlassen wollen, und ob wir unsere technologische Souveränität langfristig verteidigen können.«
Die Bundesnetzagentur und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) haben den lang erwarteten Entwurf für die Sicherheitsanforderungen für die neuen 5G Mobilfunknetze veröffentlicht. Danach müssen Unternehmen, die Technik für die neuen Netze liefern wollen, nur noch eine ›Erklärung der Vertrauenswürdigkeit‹ unterschreiben. Das aufrechte Berlin zwingt also einen potentiellen Spion zu erklären: ›Nein, ich spioniere nicht. Ich bin vertrauenswürdig!‹ Dann darf dessen Technik auch in die neuen Mobilfunknetze eingebaut werden, sie muss nur noch technisch zertifiziert werden.
Die neuen 5G-Netze liegen noch ein wenig in der Zukunft, an den technischen Feinheiten wird zurzeit gearbeitet und deren Ausbau läßt auf sich warten. Apple hat beispielsweise noch darauf verzichtet, bei seinen neuesten iPhones Chips für 5G-Netze einzubauen.
Dennoch sind solche Grundsatzentscheidungen keine akademische Frage mehr. Hier werden erhebliche Sicherheitsinteressen Deutschlands berührt, und es sieht nach einem Ausverkauf aus. Den befürchten auch die CDU-Abgeordneten: »Um die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern zu reduzieren, sieht der aktuelle Entwurf eine Ausrüster-Diversität vor. Nicht mehr als zwei Drittel der Komponenten in einem System sollen von einem Ausrüster stammen – damit liegt der erlaubte Anteil extrem hoch. Eine enorme Abhängigkeit von diesem Hersteller wäre die Folge… Sollte sich dieses Modell in Europa durchsetzen, dann wäre das für die europäischen Hersteller Ericsson und Nokia eine existenzielle Bedrohung.«
Die entscheidende Frage dabei war, ob der Netzwerkausrüster Huawei mit von der Partie sein darf oder nicht. Das reicht weit über die Frage einer normalen Industriebeteiligung hinaus. Huawei ist der größte chinesisches Hersteller von Netzwerktechnologie, also jener Elemente, die etwa für die Mobilfunknetze notwendig sind. Sie stellen die Verbindungen zwischen den Geräten her und leiten Telefongesprächen, Mails und Dokumente weiter.
5G Netze haben den Vorteil, dass mit einer wesentlich höheren Frequenz senden und daher deutlich mehr Informationen übertragen können. Diese schnellen Verbindungen gelten unter anderem als Voraussetzung für autonomes Fahren, denn über sie »unterhalten« sich autonome Autos. Ebenso gelten 5G-Netze als wesentlich für künftige Gesundheitsvorsorge, wenn Diagnosen in Echtzeit über Bildschirmverbindungen erfolgen oder die Industrieproduktion gesteuert werden sollen.
Einleuchtend, dass solche Netze auch ein hohes Sicherheitsrisiko mit sich bringen. Abgreifen von wichtigen und militärisch bedeutsamen Informationen sowie natürlich Industriespionage – das sind neben dem ungehinderten Zugriff auf persönliche Daten jedes einzelnen die Gefahren.
Nicht umsonst warnten Geheimdienste vor der Öffnung der neuen Systeme für Huawei. Nicht kontrollierbar ist, wenn Huawei Abhörschaltungen einbaut. Kein Mensch kann bei der hohen Komplexität der Chips in diesen Systemen prüfen, ob irgendwo Informationen abgezweigt werden.
Klar, dass jetzt Huawei stark seine Unabhängigkeit und Seriosität betont. Das ist auch glaubwürdig. Doch was wird die Führung tun, wenn die chinesische Regierung das Unternehmen zum Abhören zwingt? Huawei ist sogar gesetzlich dazu verpflichtet, mit dem kommunistischen Partei Chinas zu kooperieren. Die sechs CDU-Abgeordneten warnen: »In Zeiten, in denen China immer öfter gegen Staaten vorgeht, die sich chinesischen Vorstellungen nicht unterordnen, kann die Antwort auf die Frage, ob wir der KPCh vertrauen, nur entschieden ›Nein‹ lauten.«
Allzu verlockend ist die Situation, wenn in den Netzen Deutschlands Tür und Tor geöffnet sind und damit prinzipiell auch der Zugang zu sicherheitskritischen amerikanischen Netzen möglich ist.
Doch die Bundeskanzlerin setzte sich letztlich mit ihrer Haltung durch. Möglicherweise hatte sie Angst vor chinesischem Druck auf deutsche Autohersteller, sollte Deutschland den Zugang Huaweis in die neuen Netze verweigern. Genau das würde indes weiter belegen, wie wenig Skrupel Peking bei der Durchsetzung eigener Interessen kennt.
Man darf davon ausgehen, dass diese einsame Merkelsche Entscheidung von amerikanischer Seite nicht folgenlos bleiben wird. Zu hohe amerikanische Sicherheitsinteressen stehen auf dem Spiel. Gut, sagen Sicherheitsexperten, Daten abgreifen machen doch alle! Auch amerikanische Netzwerkhersteller haben ihre Backdoors eingebaut. Das ist die politische Dimension dieser technischen Grundsatzentscheidung. Aber jetzt gilt offensichtlich: ›Nun sind sie halt drin‹ – wenn nicht doch noch das Parlament dazwischen grätscht.
Offen ist, wie sich die Vereinigten Staaten entscheiden werden. Sie haben bereits mit massiven Konsequenzen gedroht, wenn sich »nicht vertrauenswürdige Anbieter« in den Netzen tummeln. Die USA müssen übrigens im November darüber befinden, ob Huawei wiederum Bauteile von amerikanischen Chipherstellern kaufen darf.
Die sechs CDUler weisen ausdrücklich auf die einseitigen Verhältnisse hin: »Denn China behält sich vor, kritische Infrastruktur ausschließlich von chinesischen Firmen ausbauen zu lassen.«
Beunruhigend weiterhin, dass China selbst schon längst die Quantenkommunikation massiv vorantreibt. Ein Teil der Kommunikationsverbindungen an der neuen Seidenstraße zum Beispiel wird mit dieser neuen Technologie ausgeführt. Der entscheidende Effekt: Sie kann nicht abgehört werden. Jeder Versuch, die Kommunikation abzuhören, fällt auf und funktioniert nicht. Damit steht China ein neues abhörsicheres Kommunikationssystem zur Verfügung.