Tichys Einblick
Der „Gottkanzler“ kann es in Populismus mit dem US-Präsidenten aufnehmen

Wieviel Trump steckt im SPD-Kanzlerkandidaten Schulz?

Schulz ist nicht Trump. Und das ist auch gut so. Aber es gibt gewisse Parallelen. Das ist auch kein Wunder: "Rechte" und "linke" Populisten haben nämlich eines gemeinsam: das Populistische.

© Sean Gallup/Getty Images

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat kürzlich den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz mit Donald Trump verglichen. Er beschwöre in populistischer Manier die angebliche Spaltung der Gesellschaft und wende „postfaktische“ Methoden an. Die Antwort aus der SPD war ein Wutgeheul: „Schäuble sinkt auf Trump-Niveau: unsachlich und hysterisch. Peinlich!“, sagte Fraktionschef Thomas Oppermann. Und SPD-Vize Ralf Stegner attestierte Schäuble „Angstbeißen“.

Nun wird kein vernünftiger Mensch den „Gottkanzler“, wie aus dem Häuschen geratene Sozialdemokraten den Ex-Bürgermeister von Würselen inzwischen nennen, mit dem US-Präsidenten gleichsetzen wollen. Trump ist ein Populist, der Stimmung gegen Ausländer schürt, rassistische Ressentiments bedient, sich über das Gesetz zu stellen versucht, der für Protektionismus ist und Amerika so autoritär führen möchte wie einen Familienkonzern: Alles hört auf mein Kommando.

Kein vernünftiger Mensch wird Schulz diese Trumpschen Eigenschaften und Vorstellungen unterstellen wollen. Gleichwohl gibt es Parallelen zwischen beiden Politikern, die unter anderem den steilen Aufstieg von Schulz in den Meinungsumfragen erklären: Beide sind Populisten, beide reden ihr Land schlecht, beide ziehen gegen die Eliten zu Felde, beide arbeiten gezielt mit „alternativen Fakten“, beide arbeiten mit allen Tricks, beide tragen ihre prallen Egos stolz zur Schau.

Schulz, der Populist:

Dem Volk aufs Maul zu schauen, hat schon Martin Luther empfohlen. Der Populist achtet aber nicht nur darauf, was die Leute sagen und denken. Der Populist redet den Menschen ganz bewusst und ganz gezielt nach dem Munde. Darin ist der „Linkspopulist“ Schulz dem „Rechtspopulisten“ Trump sehr ähnlich. Beide bedienen das politische Unbehagen, das es immer und überall gibt. Beide schwingen sich zu Anwälten der Armen und Entrechteten auf. Beide schüren gezielt alle gängigen Klischees gegen „die da oben“. Beide praktizieren Politik im Stil eines Kreuzzugs: Wir, die Guten, gegen den bösen Rest der Welt.

Schulz, der Deutschland-Basher:

Donald Trump hat die Wahl gewonnen, weil er viele Fehlentwicklungen in Amerika drastisch überzeichnet hat. Er hat die USA als ein Land karikiert, dessen Wirtschaft von unfairen ausländischen Wettbewerbern ruiniert wurde, in dem man ohne Gefahr für Leib und Leben kaum noch auf die Straßen gehen kann und in der die Masse der Menschen von der Machtelite schlichtweg vergessen wurde. Schulz ist da nicht viel anders, auch wenn er keine nationalistischen Töne anschlägt. Wer Deutschland anhand von Schulz-Aussagen beschreiben würde, käme zu folgendem Bild: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer, die öffentlichen Einrichtungen verfallen und die „breite Mitte“ wälzt sich nachts schlaflos in ihren Betten, weil sie nicht weiß, wie sie die nächsten Tage trotz harter Arbeit finanziell überstehen soll. Das Schulz-Deutschland ist ein armes, ja armseliges Deutschland.

Schulz, der Anti-Elitist:

Trump kam nicht zuletzt mit den Stimmen derer ins Amt, die sich gegen die „Eliten“ wandten, die angeblich das Volk ausbeuten. Der SPD-Kanzlerkandidat bedient ebenfalls die gängigen Vorurteile gegen „die da oben“, vor allem gegen schamlos abkassierende Bosse. Das Groteske: Beide sind selbst Teil der Elite. Trump gehört zur amerikanischen Geld-Elite, Schulz zur europäischen Politik-Elite. „Sankt Martin“ ist zwar kein Milliardär. Aber als Präsident des Europäischen Parlaments rangierte er mit Bezügen von jährlich 330.000 Euro (davon 225.000 Euro steuerfrei) unter dem einen Prozent der Deutschen, die Jahreseinkünfte von mehr als 216.000 Euro haben.

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Der Anti-Elitist ist mit seinen durchaus berechtigten Attacken auf die Selbstbedienungsmentalität der Konzernvorstände nicht gerade glaubwürdig. Er weiß natürlich, dass alle Vorstandsbezüge, alle Abfindungen und alle Boni von den Gewerkschaftern (meist mit SPD-Parteibuch) in den mitbestimmten Unternehmen abgenickt werden. Wer ein Musterbeispiel für Selbstbedienung, Korruption und Betrug sucht, der wird bei Volkswagen schnell fündig. Also dort, wo der rote staatlich-gewerkschaftlich-sozialdemokratische Filz besonders dick ist.
Schulz, der Postfaktiker:

Über die „Wahrheitsliebe“ des Donald Trump muss man nicht viele Worte verlieren. Der US-Präsident arbeitet – durchaus erfolgreich – mit „alternativen Fakten“, vulgo: Lügen. Das kann man dem SPD-Kandidaten so nicht vorwerfen. Aber er beklagt den angeblichen Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse oder die wachsende Kluft bei den Einkommen so wortreich, dass man das alles für Tatsachen hält. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die „Armutsrisikoquote“ ist seit 2005 nicht gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts liegt die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse unter der von 2006. Und das von der SPD geführte Arbeitsministerium hat festgestellt, dass es im Vergleich zum Jahr 2005 „keine statistisch signifikante Veränderung der Einkommensungleichheit“ gebe. Was den „Postfaktiker“ Schulz aber in seiner Armutsbekämpfungs-Rhetorik nicht stört.

Schulz, der Trickser:

Ob viele Amerikaner von Trump einen Gebrauchtwagen kaufen würden? Das darf bezweifelt werden. Selbst viele seiner Wähler dürften dem gewieften Geschäftsmann Trump alle denkbaren Tricks unterstellen, selbst zweifelhafte und schmutzige. Martin Schulz nimmt es mit Abmachungen oder Verträgen offenbar nicht so genau, wenn es um seine Karriere geht. Als Vorsitzender der Sozialisten im EU-Parlament hatte er 2014 einen Vertrag unterzeichnet, dass das Präsidentenamt nach der Hälfte der Legislaturperiode an die Europäische Volkspartei übergeht. Als der Wechsel anstand, wollte Schulz unbedingt auf dem Präsidentensessel sitzen bleiben. Seine Unterschrift war von Stund‘ an nichts mehr wert. Zu jemandem, der den Bürgern als ehrliche Haut verkauft werden soll, passt das nicht. Das fördert ein „alternatives Bild“ zu Tage.

Schulz, der Ego-Politiker:

Trump inszenierte sich vom ersten Tag seiner Wahlkampagne an als ein Unternehmer, dem angeblich alles gelingt, als geborener Siegertyp. Und Schulz? Der verklärt seine Zeit als Bürgermeister der Stadt Würselen (40.000 Einwohner) als eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Man sieht ihn förmlich vor sich, wie Macher Schulz eine kleine Stadt groß gemacht hat. Das Märchen hat nur einen Haken. Nach der damals geltenden nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung war der ehrenamtliche Bürgermeister Schulz „nur“ der Vorsitzende des Rats der Stadt und ihr oberster Repräsentant. Schulz war also so etwas wie der Grüß-Gott-August. Die eigentliche Arbeit im Rathaus machte ein anderer – der hauptamtliche Stadtdirektor.

Schulz‘ pralles Ego lässt sich aus seinen Äußerungen zu seinen Wahlaussichten ablesen. Im Spiegel fabuliert er von der „absoluten Mehrheit“ und verkündet, „ich werde Bundeskanzler“. Darüber kann man lachen oder nicht. Trump jedenfalls hat mit dieser Masche seine Wähler begeistert und zur Stimmabgabe motiviert.

Fazit: Schulz ist nicht Trump. Und das ist auch gut so. Aber es gibt gewisse Parallelen. Das ist auch kein Wunder: „Rechte“ und „linke“ Populisten haben nämlich eines gemeinsam: das Populistische.

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