Der staatliche Österreichische Rundfunk (ORF) will nicht, dass seine Redakteure auf Twitter oder Facebook ihre private politische Meinung äußern. Eine entsprechende Dienstanweisung soll ihnen das von Herbst an untersagen. Denn den ORF-Oberen gefällt nicht, dass bekannte und weniger bekannte TV- und Hörfunkredakteure Partei ergreifen. Das könnte, so die Befürchtung, die „Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des ORF konterkarieren.“
Bei ARD und ZDF gibt es solche Pläne nicht. Und das ist auch gut so. Wenn nämlich Angestellte der öffentlich-rechtlichen Anstalten twittern und posten, geben sie bisweilen unmissverständlich zu verstehen, wes Geistes Kind sie sind, wo sie politisch stehen und wie man auch von ihnen produzierte „Nachrichten“ und „Berichte“ einzuordnen hat.
Die meisten Journalisten, die in den Social Media unterwegs sind, betonen, dass die geäußerte Meinung ihre „private“ sei, also keine offizielle Äußerung ihres Senders. Das ZDF schreibt seinen Mitarbeitern sogar ausdrücklich vor, klarzustellen, „dass es sich bei einem Post um eine persönliche Einschätzung handelt und nicht um eine Position des ZDF“. So weit, so gut – und eigentlich selbstverständlich.
Gemäß der alten Sponti-Parole ist bekanntlich „auch das Private politisch“. Das zeigte sich beispielsweise Anfang des Jahres, als Tina Hassel auf Twitter geradezu jungmädchenhaft von den neuen Stars der Grünen schwärmte: „#Baerbock wird mit viel Applaus zur Wahl getragen, beim Rennen um #Parteivorsitz. Erfrischend lebendig, angesichts der lahmen #Groko Protagonisten #bdk18“, twitterte sie. Und legte kurz darauf nach: „Frische #grüne Doppelspitze lässt Aufbruchsstimmung nicht nur in Frankreich spüren. #Habeck und #Baerbock werden wahrgenommen werden! #Verantwortung kann auch Spaß machen u nicht nur Bürde sein Wichtiges Signal in diesen Zeiten! #bdk18.“ (27 Januar).
Hassels Lobpreisung der Grünen fiel dem Welt-Redakteur Robin Alexander auf, der sich darüber lustig machte. „Leider berichte ich nicht über @Die_Gruenen. Aber zum nächsten Parteitag fahre ich trotzdem. Diese Begeisterung, die aus den Tweets vieler Journalisten spricht, möchte ich auch einmal empfinden. #bdk18.“ Die „private“ Tina Hassel war wohl so auf dem Grünen-Trip, dass sie Alexanders Ironie nicht wahrnahm und bierernst antwortete: “Ich war da, Robin, und kann das nur bestätigen. Mal sehen, wie lange es hält.”
Ein anderes Beispiel. ARD-Mann Georg Restle macht aus seiner politischen Positionierung auch auf Twitter keinen Hehl. Schließlich lehnt er einen „Journalismus im Neutralitätswahn“ ab und plädiert für einen „werteorientierten Journalismus“, also einen parteiischen. Wie „Werteorientierung“ aussieht, verbreitete Restle kürzlich per Tweet: „Seehofer will Boote der Seenotretter festsetzen, während Flüchtlinge im Meer ertrinken. Das humanitäre Drama europäischer Flüchtlingspolitik verkommt zur Fußnote im erbärmlichen Machtpoker von CDU/CSU und der EU-Regierungschefs.“ (30. Juni). Oder: „Während CDU/CSU ein erbärmliches Schauspiel aufführen, ertrinken wieder hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer. Und in Malta werden Schiffe der Seenotretter festgesetzt. Auch das gehört zu Seehofers Plan.“ (2. Juli).
Trotzdem: Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sollten ihre Mitarbeiter weiterhin die Social Media-Kanäle bespielen lassen. Denn nichts und niemand widerlegt das angebliche Bemühen um öffentlich-rechtliche Ausgewogenheit eindrucksvoller als Mitarbeiter, die „privat“ so klar Flagge zeigen. Lasst sie also twittern und posten. Denn: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“ (Ingeborg Bachmann).