Tichys Einblick
Linke aller Sekten – vereinigt Euch!

Sahra Wagenknecht sammelt ihre eigenen Anhänger

Die Aussichten für das rote Projekt, das Anfang September starten soll, erscheinen also nicht allzu rosig. Eine linke Sammlung ohne die SPD ist nicht denkbar, selbst wenn diese Partei nur noch 18 bis 20 Prozent auf die Waage bringt.

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„Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Linke.“ Ginge es nach Sahra Wagenknecht und ihrem Ehemann und engsten Mitstreiter Oskar Lafontaine, wäre das der Slogan der vereinten rot-rot-grünen Linken. Linke aller ideologischen Schattierungen sollen, so schwebt es dem roten Power-Couple vor, „aufstehen“ gegen all die Ungerechtigkeiten in diesem Land – gemeinsam, solidarisch, fortschrittlich.

Aufstehen für Sarah
So wird das nichts
Der Traum von einer linken Volksbewegung oder gar einer neuen linken Volkspartei fußt auf ausländischen Vorbildern. Emanuel Macron hat in Frankreich den linksliberalen-bürgerlichen Teil des alten Parteisystems mit „Le Republique en marche (Republik in Bewegung)“ zertrümmert, Jean-Luc Mélenchon ist mit „La France insoumise (Das unbeugsame Frankreich)“ dasselbe links der Mitte gelungen. In Großbritannien wiederum hat Jeremy Corbyn die Labour Party für Kurzzeit-Mitglieder geöffnet, die Partei per Mitgliederentscheid weit nach links gerückt und so die Konservativen samt ihrer unbeliebten Premierministerin Theresa May um die absolute Mehrheit gebracht. Aber auch der Konservative Sebastian Kurz hat in Österreich großen Erfolg, weil er seine eher behäbige Österreichische Volkspartei (ÖVP) flugs zur modernen „Bewegung“ stylte.

Die Erfolge dieser Bewegungen sind unbestritten. Doch können diese ausländischen Erfahrungen nicht einfach auf Deutschland übertragen werden. Das französische Wahlsystem jedenfalls macht es Ad-hoc-Koalitionen von Wählergruppen relativ leicht, bei einer Präsidentschaftswahl die etablierten Parteien alt aussehen zu lassen. Auch das britische Mehrheitswahlrecht erlaubte es den linken Corbyn-Truppen, sich in den Wahlkreisen auf den jeweils aussichtsreichsten Kandidaten zu einigen, ohne sich gegenseitig zu schaden. Wer bei der Direktwahl ohnehin keine Chance auf den Sieg hat, kann nämlich getrost seine Anhänger auffordern, das „geringste Übel“ zu wählen; Hauptsache, der konservative Bewerber wird verhindert. Auch lässt es das deutsche Parteiengesetz nicht zu, dass ein Politiker eine Partei so auf sich zuschneidet, wie Kurz das mit der ÖVP getan hat. Die ausländischen „Bewegungen“ mögen noch so erfolgreich und noch so interessant sein: als Blaupausen für Deutschland taugen sie nicht.

PORTRÄT
Sahra Wagenknecht - Nicht kollektivfähig
Um in Deutschland nachhaltig Politik zu gestalten, braucht man Mehrheiten in den Parlamenten. Der neuen Bewegung müsste es also gelingen, bei den beteiligten Parteien zunächst einmal den Traum von Rot-Rot-Grün im Bund wiederzubeleben. Zugleich müsste sie versuchen, zusätzliche Wählerschichten außerhalb des rot-rot-grünen Spektrums zu mobilisieren. SPD, Grüne und Linke bringen es zusammen gerade mal auf gut 40 Prozent. Allerdings spricht nichts dafür, dass eine „linke Sammlungsbewegung“ auf diesen 40 Prozent aufbauen kann. Denn nicht nur in der Linkspartei ist die Skepsis wegen dieses Projekt groß. Die SPD-Spitze hat ebenfalls kein Interesse daran, die Linke durch eine engere Zusammenarbeit aufzuwerten. Die Grünen wiederum lehnen den restriktiven Kurs von Wagenknecht/Lafontaine in der Flüchtlingspolitik kategorisch ab, ebenso deren Forderung nach der Wahrung unserer „kulturellen Eigenständigkeit“. Zudem fühlen sich die Grünen in ihrer Rolle als Vertretung der bürgerlich-ökologischen Politik-Schickeria sehr wohl: mit großem Herzen für Zuwanderer und einer Wohnung weit weg von sozialen Brennpunkten.

Die Erwartung, mit einer Sammlungsbewegung an den Erfolg ausländischer Vorläufer anknüpfen zu können, dürfte also trügen. Ebenfalls nicht aufgehen dürfte das Kalkül, wenn die neue Bewegung sich in erster Linie um Arbeitnehmer und Rentner kümmere, steige sie automatisch zur führenden Kraft auf. Diese These hatte Oskar Lafontaine schon früher vertreten. Nun stellen Arbeitnehmer und Rentner zweifellos die Mehrheit. Was rechnerisch stimmen mag, geht inhaltlich freilich nie auf. Die meisten Arbeitnehmer und Rentner denken nicht so eindimensional, dass sie ihre Stimmabgabe allein an der Höhe von Löhnen, Renten und Sozialleistungen orientieren. Da muss schon das ganze „Paket“ passen. Das tut es aber bei der SPD schon lange nicht mehr. Nicht anders sieht es bei der Linkspartei aus. Die propagiert eine Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen, weshalb ein nicht unbeträchtlicher Teil ihrer Klientel nach Rechtsaußen abgewandert ist.

Internationalistischer Nationalismus oder so
Das Duo Lafontaine-Wagenknecht ruft auf zum letzten Gefecht
Es wäre zudem fahrlässig, die Wähler der Grünen pauschal dem rot-rot-grünen Sammellager zuzuschlagen. Zweifellos gibt es unter den grünen Funktionären und Mandatsträgern nicht wenige, die gegenüber der Linken keine Berührungsängste haben. Oder die ihre Bedenken fallen lassen, wenn – wie in Thüringen oder Berlin – eine Regierungsbeteiligung lockt. Aber ein nicht unerheblicher Teil gut situierter Grünen-Wähler dürfte einer „Liste Wagenknecht“ nicht viel abgewinnen. Das wissen auch die führenden Grünen. Als sie 2013 – Seit‘ an Seit‘ mit SPD und Linken – einen rigorosen Umverteilungswahlkampf führten, rutschten sie auf 8,4 Prozent ab.

Die Aussichten für das rote Projekt, das Anfang September starten soll, erscheinen also nicht allzu rosig. Eine linke Sammlung ohne die SPD ist nicht denkbar, selbst wenn diese Partei nur noch 18 bis 20 Prozent auf die Waage bringt. Auch Die Linke steht keineswegs hinter der Idee ihrer Fraktionsvorsitzenden. Die Links-Funktionäre stört es nicht nur, dass „die Diva“ ihr Projekt ohne Absprache mit Partei und Fraktion in Angriff genommen hat. Überdies ist kaum denkbar, dass Wagenknecht an der Spitze der Fraktion den Kurs der Partei vertritt und parallel dazu mit anderen linken Kräften Vorstellungen entwickelt, die in der Linkspartei gar nicht mehrheitsfähig sind. Der letzte Linken-Parteitag hat Wagenknecht mit ihrer restriktiven Zuwanderungspolitik jedenfalls deutlich abblitzen lassen.

Gut möglich, dass Wagenknecht also gar nicht allzu viele Mitstreiter aus den rot-rot-grünen Parteien und zudem aus zahlreichen linken Sekten einsammelt. Vielleicht schart sie auch nur Wagenknecht-Anhänger von innerhalb und außerhalb der eigenen Partei um oder hinter sich. Dann könnte aus der Sammlungsbewegung eine weitere Abspaltung im linken Parteienspektrum werden. Oskar, der Mann an Sahras Seite, hat ja Erfahrung darin, wie man so etwas macht.

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