Tichys Einblick

Raubtiersozialismus à la SPD: Nehmen ist seliger als Geben

Ahlers‘ Satz ist bis heute gültig: In der Steuerpolitik geht es der SPD-Linken nicht darum, dass vielen Menschen etwas gegeben, sondern dass wenigen viel genommen wird. Das ist Raubtiersozialismus in Reinkultur.

imago images / Metodi Popow

Conrad Ahlers, legendärer Regierungssprecher Willy Brandts, nahm auch bei der eigenen Partei kein Blatt vor den Mund. In der Steuerpolitik gehe es vielen SPD-Politikern nicht darum, dass vielen Menschen etwas gegeben, sondern dass wenigen viel genommen werde, lästerte er über umverteilungswütige Genossen. Das ist jetzt ein halbes Jahrhundert her – aber aktueller denn je.

Zu Zeiten von Brandt und Schmidt sah sich SPD-Wirtschaftspapst Karl Schiller genötigt, den Genossen zu raten, „die Tassen im Schrank zu lassen.“ Schon damals gab es SPD-Linke, die mal so zwischendurch „die Belastbarkeit der Wirtschaft testen“ wollten. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Heute macht die SPD insgesamt auf Klassenkampf. Wer als Lediger mehr als 74.000 Euro im Jahr zu versteuern hat, zählt nach der Definition von Bundesfinanzminister und SPD-Vize Olaf Scholz bereits zu den „Supereichen und Millionären“, denen man den Solidaritätszuschlag nicht erlassen soll, ja nicht erlassen darf. Ob der als befristete Abgabe eingeführte „Soli“ überhaupt noch verfassungsgemäß ist, interessiert in diesem Zusammenhang die Sozialdemokraten nicht. Bei den „Supereichen und Millionäre“ handeln die Genossen frei nach der Sponti-Maxime „legal, illegal, scheißegal“.

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Der Ton macht bekanntlich die Musik. Und bei SPD intonieren sie gerade die alten Klassenkampfmelodien. Wer es durch Talent, Fleiß und durch Glück – ja, auch durch Glück – zu etwas Wohlstand gebracht hat, der wird aus Sicht der SPD zum „parasitären Bonzen“, wie die NZZ schreibt. Haus- und Wohnungsbesitzer sind grundsätzlich Ausbeuter, die man mit Mietendeckel und Mietenstopp zumindest quälen sollte, wenn man sie nicht so einfach enteignen kann. Mit dem Bedürfnis nach Wohnraum Geld zu verdienen, gilt immer mehr Genossen als unanständig und anrüchig. Müsste die SPD da nicht konsequent sein und schleunigst die Verstaatlichung von Bäckern, Metzgern und der gesamten Lebensmittelwirtschaft fordern, die doch aus den Grundbedürfnissen Hunger und Durst schamlos Profit schlagen?

Es ist ja nicht so, dass der Staat unter sinkenden Steuereinnahmen litte. Als die erste Große Koalition unter Angela Merkel Ende 2005 ihre Arbeit aufnahm, betrug das Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt 452 Milliarden Euro. 2018 summierte sich das Steueraufkommen auf 775 Milliarden Euro – ein Zuwachs von 72 (!) Prozent. Da bleibt selbst nach Abzug der niedrigen Inflationsrate ein beachtlicher realer Zuwachs. Aber den roten Umverteilern geht es nicht vornehmlich um mehr Geld für die Staatskassen. Ihr Lustgewinn besteht darin, es den bösen „Reichen“ mal so richtig zu zeigen.

Im Grund ist die SPD seit dem abrupten Abgang ihrer Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles vor knapp drei Monaten nur noch bedingt funktionsfähig. Das interimistische Führungstrio Schwesig/Dreyer/Schäfer-Gümbel ist zu schwach, um politisch initiativ zu werden. Überdies hat sich die Partei selbst gelähmt, weil sie ein so aufwändiges und zeitintensives Verfahren zur Bestimmung der Nahles-Nachfolge entwickelt hat, dass die SPD bis Ende des Jahres vollauf mit sich selbst beschäftigt ist. Bis auf eine Ausnahme: Für einen neuen Vorstoß zur Einführung einer Vermögenssteuer haben die schwindenden Kräfte gerade noch gereicht.

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Hier will sich Thorsten Schäfer-Gümbel, seines Zeichens stellvertretender Parteivorsitzender und in Hessen drei Mal gescheiterter Spitzenkandidat, ein Denkmal setzen. Ehe der SPD-Linke im Herbst ganz aus der Politik aussteigt und einen deutlich sechststellig dotierten Posten bei der staatlichen Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) antritt, will er noch mal mit seinem Lieblingsthema „Umverteilung“ Pflöcke einschlagen. Freudig ist ihm die SPD-Spitze bei seinen entsprechenden „Eckpunkten“ gefolgt: Höhere Steuern für die „Reichen“, das ist bei der SPD wieder „in“. Vor zehn Jahren noch verhinderte Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat, dass die Vermögenssteuer ins Wahlprogramm kam. Schäfer-Gümbel, der bei der letzten Landtagswahl in Hessen auf gerade noch auf 19,8 Prozent kam, hält den Kampf gegen die „Reichen“ dagegen für ein Gewinner-Thema – und das SPD-Präsidium inzwischen ebenfalls.

Was die SPD genau vorhat, sagt sie nicht. „Reiche“ sollen mit einem Prozent zur Kasse gebeten werden, „Supereiche“ mit einem etwas höheren Satz. Das Ganze soll dem Fiskus 10 Milliarden Euro einbringen. Wann Reichtum beginnt, verrät die SPD ebenso wenig wie ihre Definition von „superreich“. Sicher ist nur: Es soll nicht nur Privatpersonen treffen, sondern auch Unternehmen. Rolf Mützenich, der amtierende Fraktionsvorsitzende, hat für die Operation sogar eine konjunkturpolitische Begründung: Die Mehreinnahmen würden dem Staat helfen, den zu erwartenden Abschwung abzufedern. Dieses Konzept verdiente, wenn es denn funktionierte, den Nobelpreis: Unternehmen und Private im Abschwung belasten, um so die Wirtschaft zu stimulieren.

Die Vermögenssteuer-Eckpunkte sind bewusst vage abgefasst; es geht Schäfer-Gümbel auch mehr um Emotionen als um Ökonomie. Aber Reichtum soll, wie von der SPD zu hören ist, bei 1 Million pro Person ansetzen. Da werden viele – zum Beispiel dann eines abbezahlten Eigenheims – ganz schnell zu Vermögenden, obwohl sie zur breiten Mitte der Gesellschaft zählen. Was zudem gern übersehen wird: Der Selbständige, in dessen Betrieb, Kanzlei oder Praxis die Altersvorsorge steckt, wird dann plötzlich mit der Vermögenssteuer diese Vorsorge bestraft. Wer sein Einkommen dagegen verpulvert, den will die SPD ungeschoren davonkommen lassen, also belohnen.

Ja, Ahlers‘ Satz ist bis heute gültig: In der Steuerpolitik geht es der SPD-Linken nicht darum, dass vielen Menschen etwas gegeben, sondern dass wenigen viel genommen wird. Das ist Raubtiersozialismus in Reinkultur: Nehmen ist Seliger als Geben.

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