Tichys Einblick
Im Hofstaat des Zaren

Putin-Freund Schröder schadet der Demokratie – und sich

Auch ein Ex-Kanzler kann dem Amt und dem Ansehen der Demokratie schwer schaden – selbst mehr als zwölf Jahre nach dem Eintritt in den politischen Ruhestand.

© ALEXEY DRUZHININ/AFP/Getty Images

Als Zar Putin nach einer Wahl, die alles andere als ein lupenreiner Urnengang war, sich abermals krönen ließ, gehörte sein enger Freund Gerhard Schröder zu den ersten Gratulanten. Bei der offiziellen Zeremonie war Schröder der zweite, der dem Erwählten die Hand schütteln durfte: nach dem (aus eher zeremoniell-folkloristischen Gründen) Patriarchen der russisch- orthodoxen Kirche, Kirill, und noch vor dem alten/neuen Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedew. Da zeigt sich, welch hohen Rang der deutsche Altkanzler als Schleppenträger in Putins Hofstaat einnimmt.

Einmal Bundeskanzler – immer Bundeskanzler – auch a.D.

Schröder ist seit mehr als zwölf Jahren nicht mehr im Amt. Er ist also Privatmann. Doch der Privatmann Schröder bleibt, solange er lebt, ein ehemaliger Bundeskanzler, also einer der wichtigsten politischen Persönlichkeiten der Nachkriegszeit. Das kann man nicht abstreifen wie ein altes Hemd. Und deshalb tun Altkanzler gut daran, ihr hohes Amt von einst nicht zu beschädigen. Denn auch ein Ex-Kanzler kann dem Amt und dem Ansehen der Demokratie schwer schaden – selbst mehr als zwölf Jahre nach dem Eintritt in den politischen Ruhestand.

Genau das tat und tut Schröder durch seine demonstrative Nähe zu dem Autokraten Putin, der im eigenen Land Demokraten unterdrückt und Nachbarvölker aggressiv bedrängt, der Diktatoren unterstützt und letztlich nichts anderes anstrebt als eine Wiederherstellung eines möglichst großen Teils der alten Sowjetunion. Deshalb haben die demokratischen Länder Russland nach der Annektion der Krim von ihren Gipfeltreffen ausgeschlossen, deshalb haben sie wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland verhängt. Bei Schröder hat man freilich den Eindruck, es mache ihm sichtlich Spaß, seine Freundschaft zu diesem Un-Demokraten und Aggressor zu zelebrieren. Nun ja, es geht ja nicht nur um eine Männerfreundschaft. Es geht für Schröder mit seinen diversen Posten im Putinschen Wirtschaftsimperium um Geld, um sehr viel Geld. Und das stinkt bekanntlich nicht, was nicht nur bei gierigen Kapitalisten zu beobachten ist, sondern auch bei lupenreinen Sozialdemokraten.

Moral und Ethik haben als Verhaltenskodex ausgedient

Schröder bringt das wichtigste Amt im Staat in Misskredit, weil er den Eindruck erweckt, eine Kanzlerschaft wäre letztlich nichts anderes als ein Sprungbrett zu großem Geld aus trüben Quellen. Er schadet natürlich auch seiner Partei. Die wird aus der Sicht ihrer schrumpfenden Wählerschaft nicht attraktiver, wenn ein ehemals führender Genosse seine Raffke-Mentalität so unverhohlen zur Schau stellt. Die SPD-Spitze betrachtet die Schröder-Putin-Show mit Unbehagen. Doch sie wagt keine Distanzierung, noch nicht einmal vorsichtige Kritik. Denn innerhalb der SPD gibt es unverändert starke Kräfte, die auf Äquidistanz zwischen Washington und Moskau Wert legen. Mancher linke Genosse scheint angesichts der Eskapaden eines Donald Trump – Arm in Arm mit Linkspartei und AfD – in Putin sogar den besseren, passenderen Partner zu sehen.

Es gibt keinen förmlichen Verhaltenskodex für ehemalige Inhaber höchster Ämter. Folglich gibt es auch – aus gutem Grund – keine Sanktionen gegenüber Ex-Kanzlern, Ex-Präsidenten oder Ex-Ministern, die im Ruhestand mit dem Nimbus des „Ex“ schamlos Nebenaußenpolitik oder Nebenwirtschaftspolitik betreiben – und dabei prächtig verdienen. Aber vielleicht sollten wir einen Ratschlag beherzigen, den der Kanzler Gerhard Schröder vor vielen Jahren in Bezug zu Steuerflüchtlingen gegeben hat: „Wir sollten dieses Verhalten gesellschaftlich ächten.“

Post Scriptum: FDP-Chef Christian Lindner hat Schröders Putin-„Promotion“ mit der Bemerkung kommentiert, leider lasse dieses Verhalten Schröders Verdienste um die Agenda-Politik in den Hintergrund rücken. Daran stimmt, dass Schröder eben nicht nur dem deutschen Ansehen schadet – sondern auch seinem eigenen. Das schmälert seine Verdienste um die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft durch die Steuerreform von 2000 und die Sozialreformen von 2003 aber nicht.

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