Es ist eine rundum gute Nachricht: Die Deutschen sind reicher geworden. Zwischen 2014 und 2017 ist das Nettovermögen der deutschen Privathaushalte im Durchschnitt um fast neun Prozent auf 232.800 Euro gestiegen. Nun wird der Durchschnittswert dadurch verzerrt, dass die ganz großen Vermögen ihn in die Höhe ziehen. Insofern ist der sogenannte Median-Wert aussagekräftiger. Der stieg sogar um 17 Prozent auf 70.800 Euro. Er besagt: Die eine Hälfte der Deutschen hat weniger als 70.800 Euro, die andere Hälfte mehr.
Die politische Diskussion dreht sich bei jeder neuen Vermögensstatistik jedoch um ein anderes Kriterium: Das Vermögen der oberen zehn Prozent. Die besaßen 2017 55 Prozent des gesamten privaten Vermögens. Das waren zwar fünf Prozentpunkte weniger als 2014. Gleichwohl zeigt sich hier, dass die Vermögen sehr ungleich verteilt ist. Die oberen 50 Prozent besitzen zusammen 97 Prozent, die unteren 50 Prozent ganze drei Prozent.
Der Anstieg der Vermögen beruht in erster Linie auf dem Anstieg der Immobilienwerte. Da aber nur 44 Prozent der Deutschen über Wohnungseigentum verfügen, konnte mehr als die Hälfte von steigenden Bodenwerten und Hauspreisen nicht profitieren. In anderen Ländern, in denen die Mehrheit der Leute in den eigenen vier Wänden wohnt, sieht die Vermögensverteilung anders aus. In Italien liegt der Median-Wert mit 126.000 Euro deutlich über dem deutschen von 78.800 Euro, ebenso in Österreich und in den USA mit 83.000 beziehungsweise 88.000 Euro. Mit anderen Worten: Der Statistik zufolge sind die Italiener viel reicher als die Deutschen. Der Unterschied ist leicht zu erklären: In Italien leben viel mehr in den eigenen Wänden als bei uns. Das kommt nicht von ungefähr. Da die Renten in Italien deutlicher niedriger sind als bei uns, sind die Eigentumswohnung oder das Eigenheim dort wichtige Bestandteile der Altersvorsorge.
Dass die Vermögen in Deutschland – wie in allen Ländern – ungleich verteilt sind, hat viele Ursachen. Besonders begünstigt sind Personen mit großen Erbschaften. Wer über Vermögen verfügt, kann es leicht vermehren; wer kaum etwas hat, hat dazu keine Chance. Auch bei den Einkommen bestehen große Unterschiede. Nur wer ein ordentliches Gehalt nach Hause bringt, kann in nennenswertem Umfang sparen und Vermögen bilden.
In die Vermögensverteilung, wie sie die Bundesbank jetzt ermittelt hat, gehen die Ersparnisse ein. Dazu zählen auch Ansprüche an private Rentenversicherungen oder Lebensversicherungen. Nicht berücksichtigt werden aber die Ansprüche von Millionen Arbeitnehmern an die staatliche Rentenversicherung oder die Pensionsansprüche von Beamten. Nun macht es einen Unterschied, ob man Geld auf der Bank oder bei einer Versicherung liegen oder „nur“ einen Rechtsanspruch auf die gesetzliche Rente hat. Fallen die Rentenansprüche in der Statistik ganz unter den Tisch, verzerrt das die Statistik erheblich.
Ein Beispiel: Wer 65 Jahre alt ist und 250.000 Euro gespart hat, kann für die nächsten 20 Jahre – grob gerechnet – jeden Monat davon 1.000 Euro abheben. Diese 250.000 Euro gehen in die Vermögensstatistik ein. Bei einem Gleichaltrigen mit einem Rentenanspruch von monatlich 1.000 Euro wird das „Rentenvermögen“ dagegen mit Null bewertet. Würden alle Rentenansprüche von Millionen Arbeitnehmern und die Pensionsansprüche aller Beamten berücksichtigt, würde das an den Unterschieden zwischen „oben“ und „unten“ prinzipiell nichts ändern. Doch blieben den unteren 50 Prozent dann nicht nur drei Prozent am Gesamtvermögen, sondern deutlich mehr.
Besonders interessant ist, dass Politiker aus dem links-grünen Lager sich bei jeder neuen Vermögensbilanz über die „ungerechten“ Verhältnisse echauffieren. Aber all die Abgeordneten und Minister unterschlagen gerne, dass sie – würde man den „Barwert“ ihrer hohen Ruhestandsbezüge miteinbeziehen – sicherlich zu den oberen zehn Prozent zählten. Ein Freiberufler, der – aus versteuertem Einkommen – zwei Millionen Euro angespart hat, kann sich davon zwanzig Jahre lang eine monatliche Rente von etwa 8.000 Euro „auszahlen“. Mit diesen zwei Millionen zählt er zu den „Reichen“. Ein Ex-Minister mit einer Altersversorgung in gleicher Höhe gilt in der Verteilungsrechnung dagegen als mittellos. Dabei bleibt noch eine weitere Ungleichheit unberücksichtigt: Arbeitnehmer und Freiberufler müssen entweder in die staatliche Rentenkasse oder in eine Privatversicherung einzahlen. Politiker und Beamte hingegen werden ohne Eigenleistung im Alter bestens versorgt – und vermehren in der Vermögensstatistik das Heer der „Armen“. Dass Politiker für ihre Altersversorgung keine Euro aufbringen müssen, ist für die rot-grünen Gerechtigkeitsapostel freilich kein Thema.
Auch bei Untersuchungen über das Vermögen der Privathaushalte gilt eben die alte Regel: Eine Statistik ist wie ein Bikini – sie zeigt viel und verhüllt doch Wesentliches.