Tichys Einblick
Eine einseitige Beziehung

Özil, Gündogan und die deutsche Integrations-Illusion

Selten dürften von deutscher Seite aus so gute Voraussetzungen für eine gelungene Integration gegeben gewesen sein wie bei den Familien Özil und Gündogan.

© Kayhan Ozer/Anadolu Agency/Getty Images

Das Foto der beiden Fußballhelden Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit ihrem türkischen Präsidenten Erdogan gehört ins Museum für deutsche Geschichte in Berlin. Als Dokument einer deutschen Lebenslüge, der Integrationslüge. Der Kern dieser Lüge lautet: Die aus fremden Ländern zu uns kommenden Menschen und ihre Kinder wollen nur eines – sich bei uns integrieren. Dazu müsste die deutsche „Mehrheitsgesellschaft“ allerdings das Ihre beitragen: sie mit offenen Armen aufnehmen, ihnen Arbeit anbieten, ihnen das Gefühl vermitteln, willkommen zu sein.

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Selten dürften von deutscher Seite aus so gute Voraussetzungen für eine gelungene Integration gegeben gewesen sein wie bei den Familien Özil und Gündogan. Beide Fußball-Söhne wurden in Gelsenkirchen geboren und wuchsen dort auf. Özil Senior war Gastronom, Gündogans Vater war Fahrer für eine Brauerei. Die Söhne fielen bald als gute Fußballer auf, wurden zuerst von deutschen Vereinen umworben, später dann von ausländischen Clubs, wurden recht schnell Fußball-Millionäre. Die Fans jubelten ihnen zu, was wiederum den Werbewert der Jungunternehmer in kurzen Hosen steigerte. Wenn das keine idealen Voraussetzungen für eine Integration in ihr Geburtsland waren, was denn dann? Da passte es, dass Gündogan sich sogar als „Integrationspate“ der Bundesliga-Stiftung für ein friedliches Miteinander einsetzt.

Doch die Integrationsidylle trog. Eigentlich konnte jedermann sehen, dass Özil und Gündogan ebenso wie andere deutsche Nationalspieler mit dem Land, das ihnen so viel ermöglicht hat, sich nicht identifizieren. Bei „Einigkeit und Recht und Freiheit“ blieben sie demonstrativ stumm. Der bekennende Muslim Özil verriet der Öffentlichkeit sogar, er bete während der deutschen Hymne lieber zu seinem Gott. Aber beim DFB stört sich niemand daran, dass etwa die Hälfte „unserer Jungs“ bei der Nationalhymne stoisch Kaugummi kaut, während die meisten gegnerischen Mannschaften singend bekunden, dass sie auch für ihr Land spielen – nicht nur für Geld. Die meisten Medien haben diese vermeintlich abgeklärte Haltung der Helden in Weiß-Schwarz gegenüber dem eigenen Land sogar noch mit Beifall begleitet – als Beleg für die Immunität der jungen Generation gegenüber jeglichem Chauvinismus.

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Özil hat nur den deutschen Pass, Gündogan hat den türkischen wie den deutschen. Womit bewiesen wäre, dass der Pass nur eine sekundäre Rolle spielt. Wer sich partout nicht integrieren will, der tut es nicht – ungeachtet der Anzahl seiner Pässe. Indem Özil und Gündogan jetzt „ihrem“ Präsidenten die Ehre erwiesen und sich mit seinem autokratischen Regime identifizierten, haben sie ihr eigenes Selbstverständnis zur Schau gestellt: zwei von unzähligen Türken, die an Deutschland alles schätzen, was dieses Land positiv zu bieten hat. Die sich aber ungeachtet ihres Geburtsorts, ihres Schulbesuchs und ihrer hier genutzten Karrieremöglichkeiten bis heute als Türken „auf Montage“ verstehen – abgesondert von den Deutschen, dafür aber voll integriert in ihre sprachliche, religiöse und politische Parallel-Welt.

Der DFB hat bei der Wahlhilfe seiner Nationalspieler für Erdogan – wieder einmal – ein peinliches Bild abgegeben. Teammanager Bierhoff bat um Verständnis dafür „wie Türken ticken“. Wenn also die DFB-Spitze in Özil und Gündogan in erster Linie Türken sieht, dann sollte man vielleicht neben dem Bundesadler noch den türkischen Halbmond aufs Trikot sticken – als Symbol gelebter Multikulti-Ideologie. Die für „unsere Türken“ und andere „Gastarbeiter“ offenbar unzumutbare Nationalhymne könnte man doch – im Geist der Völkerverständigung – durch „Money“ von Liza Minelli ersetzen: „Money makes the world go around.“ Da könnten alle Kicker frohen Herzens einstimmen, ohne auf die Befindlichkeiten ihrer jeweiligen Präsidenten achten zu müssen. Und auch die DFB-Funktionäre könnten voll Inbrunst einstimmen.

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