Tichys Einblick
„Steuerzahlergedenktag“

Mehr Geld für den Staat bedeutet nicht mehr Glück für die Bürger

Politiker, die gerne als Volksbeglücker auftreten, können nur ausgeben, was sie dem Bürger vorher abgenommen haben. Dass die Politik besser wisse, was für die „Sozialstaatsuntertanen“ gut sei, als diese selbst, ist ein Märchen.

© Getty Images

Alle Jahre wieder ruft der Bund der Steuerzahler den „Steuerzahlergedenktag“ aus. Das ist der Tag im Laufe des Jahres, von dem an die Steuer- und Beitragszahler – rein rechnerisch – bis zum Jahresende nur für sich arbeiten. 2019 ist das der 15. Juli. Alles, was deutsche Arbeitnehmer vom 1. Januar an verdient hatten, ging dagegen für Steuern und Beiträge drauf. Anders formuliert: Ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt führt in diesem Jahr 53,7 Prozent seines Einkommens an den Staat ab, also ans Finanzamt und an die Sozialkassen. Über die restlichen 46,3 Prozent dagegen kann er frei verfügen.

Die Berechnungen des Steuerzahlerbunds nahm FDP-Chef Christian Lindner schon in der vergangenen Woche zum Anlass, um via Twitter nach Steuersenkungen zu rufen: Lindner: „Die Hälfte des Jahres ist vorbei und doch arbeiten die Bürgerinnen und Bürger immer noch für den Staat. Erst ab dem 15. Juli bekommen die deutschen #Steuerzahler auch das Geld, das sie verdienen. Eine #Entlastung ist dringend notwendig.“

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Das brachte Lindner im Netz viel Zustimmung ein, rief aber sofort auch linke und grüne Politiker auf den Plan, die beteuerten, sie zahlten gerne Steuern. Schließlich mache der Staat damit viel Gutes. Juso-Chef Kevin Kühnert verteidigte die aktuelle Höhe der Steuer- und Abgabenbelastung so: „Der ominöse Staat, für den Ihr bislang alle gearbeitet habt, ist übrigens kein gemeiner Schutzgelderpresser. Sondern das sind wir alle. Das ist das Geld für Kitas, Straßen, Feuerwehr und Klimaschutz, das sind Rente, Arbeitslosen-, Pflegeversicherung – und Lindners Diät.“ (Nebenbei: Dass Christian Lindner sich derzeit einer Diät unterzieht, die vom Staat finanziert wird, wäre eine echte Sensation. Aber wahrscheinlich meinte Kühnert die Abgeordneten-Diäten des FDP-Parlamentariers.)

An Kühnerts Tweet war bezeichnend, dass er bei den Zahlenden nicht von „wir“ sprach, sondern von „Ihr“. Was ein wohl – unfreiwilliges (?) – Eingeständnis des SPD-Linken war, dass er persönlich nicht allzu viel zum Steuer- und Beitragsaufkommen beiträgt. Eine Mitarbeiterin der Grünen-Bundestagsfraktion verkündete fröhlich: „Nennt mich Gutmensch oder so, aber ich finds eigentlich ganz ok, dass mit meinen Geld dazu beigetragen wird, dass Kinder in Schulen gehen können.“ Was immerhin den Schluss zulässt, die junge Dame zahle ordnungsgemäß Steuern und Sozialbeiträge.

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Nun wird niemand bestreiten, dass der Staat Steuern und Beiträge braucht – für Sicherheit und Soziales, für Bildung und Kultur, für Justiz und Infrastruktur. Nur im Urwald lässt sich ohne Steuern und Abgaben leben, aber sicherlich nicht so gut und bequem wie im zivilisierten Steuerstaat. Umgekehrt gilt aber ebenso: Die Renten werden nicht zwangsläufig sicherer, das Bildungsniveau wird nicht automatisch höher und das Internet nicht gleichzeitig schneller, wenn der Staat immer mehr einnimmt. Sprudelnde Einnahmen verführen auch zu neuen, nicht notwendigen Ausgaben, wie die Beispiele Mütterrente und Rente mit 63 belegen. Und je höher die staatlichen Einnahmen, umso leichter fällt staatlichen Stellen Schlamperei und Verschwendung.

Interessant ist, dass in 34 von 36 OECD-Staaten die Arbeitnehmer weniger stark zur Kasse gebeten werden als bei uns. Aber viele Politiker von SPD, Grünen und Linken halten eine hohe Belastung mit Steuern und Abgaben per se für gut. Was dabei gerne übersehen wird: Der Staat nimmt seit Jahrzehnten ständig mehr ein. Betrug das Aufkommen aller Steuern im Jahr 1998 noch 426 Milliarden Euro, so stieg es bis 2018 auf stolze 776 Milliarden. Das entspricht einem Zuwachs von insgesamt 82 Prozent oder jährlich von vier Prozent. Das bedeutet, dass der Staat selbst nach Abzug der Inflationsrate im Durchschnitt real Jahr für Jahr mehr eingenommen hat. Gleichwohl haben bestimmte politische Lager Jahr für Jahr gejammert, das Geld reiche vorn und hinten nicht.

Der Steuerzahlergedenktag sollte zugleich ein Politiker-Nachdenktag sein. Der Staat ist – leider – keine Kuh, die im Himmel gefüttert wird, damit sie auf Erden kräftig gemolken werden kann. Mit anderen Worten: Die Politiker, die gerne als Volksbeglücker auftreten, können nur ausgeben, was sie dem Bürger vorher abgenommen haben. Und dass die Politik im Grund besser wisse, was für die „Sozialstaatsuntertanen“ gut sei, als diese selbst, ist ein Märchen – ein links-grünes Lügenmärchen, um genau zu sein.

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