Tichys Einblick
Wie Medien mit Worten Politik machen

Linksextreme Kriminelle sind doch nur Autonome

Ein Teil der schreibenden und kommentierenden Zunft verwendet den Begriff Autonome wohl nicht bewusst. Viele übernehmen unbesehen, was die Agenturen liefern, andere schreiben einfach voneinander ab. So hat sich durchgesetzt, dass gewaltorientierte Linksextremisten halt „nur“ Autonome sind.

May Day Berlin, 2009

© Sean Gallup/Getty Images

Rund 60 Linksextremisten haben im Landkreis Lüchow-Dannenberg vor dem Wohnhaus eines Polizisten Parolen skandiert und die Familie des nicht anwesenden Mannes eingeschüchtert. Die örtliche Polizei sprach von einer „neuen Dimension der Gewalt“, der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) nannte die Tat eine „unfassbare Grenzüberschreitung dieser Gruppe“.

In der Tat offenbarte sich hier eine neue Dimension linker Gewalt: die Bedrohung von Angehörigen solcher Polizisten, die an Einsätzen gegen linke Gewalttäter beteiligt waren. Keine neue Dimension war dagegen in der medialen Berichterstattung zu erkennen. Die Adjektive „linksextrem“ oder „linksradikal“ tauchten so gut wie nicht auf.

Die Attacke lief dagegen unter dem Motto „60 Autonome greifen Polizisten-Haus an“. Autonom – das klingt nach frei und selbstbestimmt, nicht nach Gewalt und linker Ideologie. Autonom, das klingt verharmlosend und beschwichtigend. Vor allem aber soll wohl mit dem Begriff verhindert werden, dass das Idealbild von linken, grundsätzlich friedlichen Aktivisten irgendwie beschädigt werden könnte.

Nun ist der Begriff „Autonome“ keine journalistische Erfindung. Er wird in Sicherheitskreisen verwendet. Auf der Homepage des Bundesinnenministeriums findet sich unter dem Stichwort „Autonome“ unter anderem folgende Aussage:

„Autonome bilden die größte Gruppe des gewaltorientierten Linksextremismus in Deutschland. Die Gruppe der Autonomen ist nicht homogen; gemeinsame Prämissen sind jedoch: individuelle und soziale Autonomie (Kampf gegen die Lohnarbeit), Antiparlamentarismus, Staatsfeindschaft, Antiautoritarismus sowie Militanz und ein hoher Grad an Gewaltbereitschaft. Politisches Ziel ist die Überwindung der Staats- und Gesellschaftsordnung in Richtung einer herrschaftsfreien, libertären Ordnung.“

Selbstverständlich ist es sicherheitspolitisch notwendig und richtig, zwischen verschiedenen Formen des gewaltorientierten Linksextremismus zu unterscheiden. Doch sind die Autonomen ein zentraler Bestandteil des Linksextremismus und nicht etwa eine friedliche Gruppe von Diskutanten mit vielleicht etwas eigentümlichen Vorstellungen von Staat und Gesellschaft. Autonome sind Linksextremisten, sie sind Kriminelle. Doch die Öffentlichkeit soll und darf das nach Ansicht der meisten Meinungsmacher wohl nicht erfahren. Nun ja, vielleicht wollen die Damen und Herren in den Redaktionen wohl nur verhindern, dass die Bevölkerung verunsichert werden könnte. Gleichwohl: Ein Teil der schreibenden und kommentierenden Zunft verwendet den Begriff Autonome wohl nicht bewusst. Viele übernehmen unbesehen, was die Agenturen liefern, andere schreiben einfach voneinander ab. So hat sich durchgesetzt, dass gewaltorientierte Linksextremisten halt „nur“ Autonome sind.

Ebenfalls durchgesetzt hat sich, dass Menschen, die mit Gewalt fremde Häuser besetzen, nicht wegen ihrer Gewalttätigkeit kritisiert, sondern ob ihres Aktivismus eher gerühmt werden. Am Wochenende wurde in Berlin gleich eine ganze Reihe Häuser besetzt. Von wem? Von „Aktivisten“. Wie schön, dass unsere jungen Leute nicht auf der Couch vor dem Fernseher herumhängen, sondern „aktiv“ sind, soll der brave Bürger da wohl denken. Natürlich sind Hausbesetzer auch niemals „linke Aktivisten“. Da sprechen die Beschöniger politischer Gewalt lieber von „Gentrifizierungsgegnern“. Klingt viel friedlicher – und vor allem nicht nach links.

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