Es gibt ein ganz sicheres Rezept, um auf Aufmerksamkeit, Beifall und hohe Klick-Zahlen zu kommen: Man muss nur kräftig über die überbezahlten, geldgierigen Politiker schimpfen. Und schon freuen sich Leser und Zuschauer. Wobei die Kritik glaubwürdiger wäre, wenn in Zeitungen auch zu lesen wäre, wieviel Prozent die Gehälter der Chefredakteure und Ressortleiter über den 9.542 Euro liegen, die den 709 Bundestagabgeordneten zustehen. Da wäre es mit der Glaubwürdigkeit mancher Groß-Kommentatoren allerdings schnell vorbei.
Weil Abgeordneten-Diäten die Volksseele schnell zum Kochen bringen, hat Die Linke alias PDS seit ihrem Einzug in den Bundestag gegen alle Diäten-Erhöhungen gestimmt. Die Begründung war immer dieselbe: Den Leuten draußen gehe es so schlecht, da dürfe sich die politische Klasse doch nicht bereichern. Dieser seit 27 Jahren übliche Populismus von ganz links bekam jetzt Verstärkung von ganz rechts. Auch die AfD stieß jetzt im Bundestag in dasselbe Horn: Diätenerhöhung mit „hart erarbeitetem Steuergeld“, das gehe gar nicht. So trafen sich – sicher nicht zum letzten Mal – die ganz Rechten mit den ganz Linken im Kampf gegen „das System“ – wie schon in der Weimarer Republik.
Der Charme dieser Proteste: Auch wer dagegen stimmt, bekommt anschließend mehr Geld. Und je höher die Diäten, umso höher fällt im Alter das Ruhegehalt aus. Man kann also mann- und frauhaft gegen Diätenanhebungen stimmen – das Geld kommt trotzdem auf dem eigenen Konto an. Da handeln die Damen und Herren von der rot-blauen Nein-Fraktion nach dem Motto: „Ablehnung, weil Zustimmung gesichert.“
Das jahrzehntelange Nein der Linken zu jeglicher Diätenerhöhung führt zu dem Schluss, dass die Linke unverändert die Diäten von 1990 für angemessen hält. Das waren damals 3.998 Euro. Da aber heute 9.542 Euro gezahlt werden, müssten die Linken – wollten sie wirklich glaubwürdig sein – jeden Monat auf 5.554 Euro verzichten. Was natürlich keiner tut. Die Kombination aus Ablehnung von Diätenerhöhungen und dem Spenden eines ganz geringen Teils der Mehreinnahmen ist also ein ziemlich unehrliches Manöver – eine ganz linke Masche.
Mal sehen, ob die von künftigen Diäten-Erhöhungen ebenfalls begünstigten AfD-Abgeordneten auch unter die Gutmenschen gehen und sich als edle Spender zu profilieren suchen. Aber vielleicht ist es den Rechtspopulisten auch unangenehm, zu viele Gemeinsamkeiten mit den Linkspopulisten zu haben.
Ein Nachtrag: Der Bundestag hat am Mittwoch dieser Woche keineswegs eine Diätenerhöhung beschlossen, wie vielfach berichtet wurde. Er hat nur einen früheren Beschluss bestätigt, dass die Abgeordnetenbezüge automatisch im Gleichklang mit Löhnen und Gehältern (Nominallohnindex) steigen sollen. Die nächste Anhebung steht aber erst am 1. Juli 2018 an. Dann dürfen auch die Nein-Sager wieder mitkassieren – natürlich reinen Gewissens.