Klimapolitik hat Konjunktur. Das hat den Grünen einen Aufschwung beschwert wie vor acht Jahren nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Grüne Themen sind jetzt „der heiße Scheiß der Republik“, um eine wenig damenhafte Formulierung von Katrin Göring-Eckart aufzugreifen.
Die Grünen waren nie nur eine Öko-Partei; sie legten stets auch Wert auf ihren sozialen Impetus. Umverteilung nahm auf ihrer Prioritätenliste stets einen Spitzenplatz ein. Bei der Bundestagswahl 2013 kämpften sie heftig mit der Linken und den Sozialdemokraten darum, wer „den Reichen“ am meisten wegnehmen werde. Das grüne Umverteilungs-Rezept enthielt damals folgende Zutaten: Ein Steuersatz von 49 Prozent von 80.000 Euro an, Abschmelzen des Ehegattensplittings, eine Vermögensabgabe von 1,5 Prozent von der der ersten Million an und eine Verdoppelung der Erbschaftssteuer. Da wendete sich ihr aus vielen Besserverdienenden bestehendes Wählerklientel mit Grausen. Die Grünen landeten bei bescheidenen 8,4 Prozent, nachdem sie zwei Jahre zuvor in den Umfragen noch weit über 20 Prozent gelegen hatten.
Von Umverteilung reden die Grünen heute nicht mehr so offen wie damals. Robert Habeck ist da smarter als der frühere Grünen-Vorkämpfer Jürgen Trittin. Gleichwohl bietet das Klima-Thema jetzt die große Chance für eine neue grüne Umverteilungspolitik. Die kommt aber nicht so brachial daher wie einst, sondern geschickter. Da Menschen mit höheren Einkommen in der Regel größere Autos fahren als Otto Normalverbraucher, größere Häuser und Wohnungen bewohnen, beruflich wie privat häufiger fliegen, mehr natürliche Ressourcen verbrauchende Konsumgüter erwerben, die Segnungen der Digitalisierung wie Sprachassistenten oder das Streamen von Videos auf hochwertigen Handys häufiger genießen und auch sonst wenig preissensibel sind, bieten sie sich als ideale Opfer der kräftigen „Bepreisung“ von Energie geradezu an. Wenn die „Reichen“ auf dem Öko-Alter ein besonders großes Opfer bringen müssen, dann nutzt das nach grüner Lesart nicht nur der Umwelt, sondern dient zugleich der Umverteilung. Der Charme dieser Strategie: Die Partei muss potentielle Wähler mit dem U-Wort nicht einmal erschrecken.
Natürlich spielen die Grünen unverändert mit der Idee, die obere Hälfte der Steuerzahler auch ohne ökologische Begründung zur Kasse zu bitten. Auch wenn sie dies nicht mehr so lauthals wie früher herausposaunen: Manche Pläne der Grünen ließen sich ohne höhere Steuern ohnehin nicht finanzieren. Das gilt zum Beispiel für eine Grundsicherung à la Habeck, die deutlich höher sein soll als die aktuellen Hartz IV-Sätze. Der besondere Clou: Wer auf diese Weise abgesichert ist, muss nur dann noch arbeiten, wenn er wirklich will. Hat er dazu keine Lust, ernährt ihn das Kollektiv der Steuerzahler bis zum Lebensende. Seriöse Schätzungen sprechen von einer jährlichen Belastung in Höhe von 60 Milliarden Euro. Da kommt dann bei denen, die noch arbeiten, sicher Freude auf.
Die Grünen weisen gerne darauf hin, dass der „ökologische Fußabdruck“ der sogenannten Reichen größer ist als bei den Beziehern kleiner Einkommen. Das ist auch richtig. Da stellt sich freilich die Frage, ob es für die Umwelt nicht am besten wäre, wenn wir alle ärmer würden. Ob die Grünen schon darüber nachgedacht haben? Aber vielleicht steuern die Grünen ja genau das an. Wenn der Industriestandort Deutschland durch immer höhere Energiepreise, ökologische Auflagen oder Energieengpässe seine Wettbewerbsfähigkeit verliert, wenn Schlüsselindustrien wie die Automobilbranche zu einer Schrumpfkur gezwungen werden, wenn die Produktivität und Effizienz von Leistungsträgern beispielsweise durch Flugverbote beeinträchtigt wird, dann könnte Deutschland bald ein ökologisches Paradies sein – arm, aber klimaneutral.