Die CSU hat Horst Seehofer viel zu verdanken. Er hat das sozialpolitische Profil der Partei geprägt wie kein Zweiter. Er hat sie nach dem Wahldebakel 2008 wieder stabilisiert. Er hat die CSU 2013 sogar wieder zurück zur absoluten Mehrheit geführt. Auch für die CDU war er sehr wichtig. Schließlich könnte die CDU ohne die überdurchschnittlich vielen Stimmen aus Bayern nicht die Kanzlerin stellen.
Horst Seehofer ist ein vielseitiger Politiker. Er war ein erfolgreicher Gesundheits- und Landwirtschaftsminister im Bund und ein bayerischer Ministerpräsident, der den Freistaat deutlich vorangebracht hat. Aber Seehofer war immer auch ein Spieler. Er liebt es, die eigene Partei wie die Medien über seine Pläne im Unklaren zu lassen. Er scheint sogar Spaß daran zu haben, wenn alle rätseln, was er als nächstes tun wird.
Kein anderer Politiker hat so oft von seinem Rückzug gesprochen – ohne ihn zu vollziehen. Wäre der Rücktritt vom Rücktritt eine olympische Disziplin, hätte Horst Seehofer zahlreiche Goldmedaillen errungen.
November 2004: Als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU lehnt Horst Seehofer das Konzept der „solidarischen Gesundheitsprämie“ als unsozial ab und legt sein Amt nieder. Er wird Vorsitzender des VdK in Bayern und will sogar den Bundesvorsitz des Sozialverbands übernehmen. Ein knappes Jahr später wird Seehofer Landwirtschaftsminister im ersten Kabinett Merkel. Der VdK ist Geschichte.
September 2012: Ministerpräsident Seehofer ist bereit, 2013 wieder als Spitzenkandidat bei der bayerischen Landtagswahl anzutreten. Er kündigt an, die komplette Legislaturperiode bis 2018 im Amt bleiben zu wollen. „Dann ist auch Schluss.“
Oktober 2014: Ein Jahr nach seinem Wahlsieg 2013 schließt Seehofer eine erneute Amtszeit nach 2018 nicht mehr aus.
Januar 2015: Seehofer kündigt an: „Ich werde bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr kandidieren.“
Oktober 2016: Seehofer deutet den Verzicht auf das Amt des CSU-Vorsitzenden an. In einem Bundestag mit sieben Parteien brauche man „den CSU-Chef in Berlin.“
Dezember 2016: Seehofer will doch CSU-Vorsitzender bleiben. Aufgrund seiner politischen Erfahrung könne er „Wirkungsmacht auch aus München entfalten.“
Februar 2017: Seehofer deutet an, unter Umständen über 2018 hinaus Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender bleiben zu wollen.
November 2017: Ungeachtet der großen Stimmenverluste der CSU bei der Bundestagswahl lässt es Seehofer offen, 2018 abermals anzutreten und bereits im
Dezember 2017 bei der Wahl des Parteivorsitzenden anzutreten.
Dezember 2017: Der Unmut in der CSU und die Unzufriedenheit mit Seehofer werden immer größer. Auf einer Sondersitzung der CSU-Landtagsfraktion kündigt Seehofer seinen Rücktritt als Ministerpräsident für Anfang 2019 an, will aber CSU-Chef bleiben. Im März 2018 macht er in München den Weg frei für Markus Söder und wird Bundesinnenminister.
Juli 2018: Im Streit um die Flüchtlingspolitik mit der CDU kündigte Seehofer während einer Sitzung der erweiterten CSU-Parteiführung an, den Parteivorsitz und sein Ministeramt in Berlin aufzugeben. Er lässt sich dann von den CSU-Granden – erwartungsgemäß – umstimmen und macht seine politische Zukunft vom Einlenken der CDU im Asylstreit abhängig. Nach einem Kompromiss mit Angela Merkel und der CDU behält er beide Ämter.
Juli 2018: In der Sendung „Maischberger“ kündigt Seehofer an, wie er sich seinen endgültigen Rückzug aus der Politik vorstelle: „Wenn ich zurücktrete, dann muss das nach der Fallbeil-Methode gehen: Sagen und aufhören.“
November 2018: Seehofer kündigt seinen Rücktritt als Parteivorsitzender für „Anfang 2019“ an. Bundesinnenminister will er aber bleiben: „Ich habe noch viel vor“.
Fazit: Bei Seehofer weiß man nie, was kommt. Von der Fallbeil-Methode scheint er offenbar nichts mehr wissen zu wollen. Die Seehofer-Methode erinnert eher an ein schwebendes Fallbeil.