Mitte Mai ist es geschehen: Mit der Wahl von drei Frauen in den Aufsichtsrat des Softwarekonzerns SAP wurde die seit 2016 gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote in den 30 DAX-Konzernen zum ersten Mal erreicht. 79 von 256 Aufsichtsratsmandaten werden seitdem von Frauen besetzt. Das entspricht genau 30,86 Prozent und damit jenen mindestens 30 Prozent, die der Gesetzgeber vorschreibt.
Die Erde hat deshalb nicht gebebt. Es gab auch keine öffentlichen Siegesfeiern, keine Feministinnen-Partys, nicht einmal eine Sondersitzung des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Nein, die politische Klasse hat das Ereignis hingenommen als das, was es bei genauerem Hinsehen auch war: ein Nicht-Event.
Die verbindliche Geschlechterquote verdanken wir der letzten Großen Koalition, die dieses epochenmachende Werk der Frauenförderung 2015 beschlossen hat. Seitdem gilt für die Aufsichtsräte von rund 100 börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen: Frei werdende Sitze müssen solange mit Frauen besetzt werden, bis die 30-Prozent-Marke erreicht ist. Anderenfalls müsste der Platz im Aufsichtsgremium leer bleiben.
Jetzt haben wir also ein paar Frauen mehr mit hoch dotierten Mandaten in den 30 größten Aktiengesellschaften. An der Qualifikation der Damen bestehen keine Zweifel; auch sei den neu Gewählten ihr persönlicher Aufstieg gegönnt. Fragt sich nur, was diese Operation den Frauen und der Wirtschaft gebracht hat? Ob sich die Mitarbeiterinnen in den Quoten-Unternehmen heute glücklicher fühlen als vor ein paar Jahren? Werden Frauen in Quoten-Unternehmen deshalb besser bezahlt oder stärker gefördert? Sind die Umsätze und Gewinne der von mehr Frauen beaufsichtigten Unternehmen stärker gewachsen als in mehr oder weniger frauenlosen Gesellschaften? Hat also die ganze Volkswirtschaft davon profitiert, dass heute mehr Frauen in Aufsichtsräten sitzen als vor ein paar Jahren?
Die SPD forderte im Wahlprogramm eine Frauenquote von 50 Prozent für alle Führungsgremien der Wirtschaft. Das wird sie mit der CDU/CSU in dieser Legislaturperiode nicht erreichen, obwohl auch in der Union diejenigen an Zustimmung gewinnen, die das Geschlecht zum alles entscheidenden Kriterium für die Vergabe von Führungspositionen machen wollen. Die Tatsache, dass selbst bei den Freien Demokraten „ergebnisoffen“ über eine innerparteiliche Frauenquote diskutiert wird, zeigt, dass Quote irgendwie „in“ ist. Ganz nebenbei: Dass eines Tages auch eine „Migrant*innen-Quote“ in Wirtschaft und Politik ernsthaft diskutiert werden wird, kann getrost unterstellt werden.
Mal abgesehen vom Sinn oder Unsinn der „Quoteritis“: Wer die Chancen von Frauen in der Wirtschaft wirklich verbessern, wer sie konkurrenzfähiger machen will, der muss sich in erster Linie um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf kümmern. Dazu braucht es dreierlei: Erstens Kitas, zweitens Kitas, drittens Kitas. Da sind wir aber beim Staat. Der war und ist nicht in der Lage, eine hinreichend große Zahl von Kita-Plätzen zur Verfügung zu stellen, um Müttern die Berufstätigkeit zu ermöglichen oder zu erleichtern. Dieselben Politiker, die da versagt haben, wollen aber der Wirtschaft vorschreiben, was diese zur besseren Förderung von Frauen zu tun habe. Das war schon immer so: Anderen zu sagen, was sie zu machen haben, ist leichter, als selbst das richtige zu tun – in der Politik wie im wahren Leben.