Was immer die GroKo sich als große Projekte vorgenommen haben mag – die Steuerpolitik zählt definitiv nicht dazu. Den Beleg hat jetzt Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit seinem Entwurf eines „Familienentlastungsgesetzes“ geliefert. Es sieht Entlastungen von knapp 10 Milliarden Euro im Jahr vor.
Großartige Gedanken hat man sich im Finanzministerium aber nicht gemacht. Der Apparat liefert, was das Grundgesetz und die Gerichte von ihm fordern: Der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag werden, weil das Existenzminimum nicht besteuert werden darf, im Ausmaß der zu erwartenden Inflation 2019 und 2020 erhöht. Eine vierköpfige Familie darf dann 33.578 (2019) und 34.400 (2020) verdienen, ohne einen Euro Einkommensteuer zu zahlen. Familien mit eher unterdurchschnittlichen Einkommen bleiben also steuerfrei.
Ein wenig Eigeninitiative, wenn man das so nennen will, zeigt Schwarz-Rot beim Kindergeld, das von Mitte 2019 an um 10 Euro steigen soll. Außerdem wird die „kalte Progression“ entschärft. Dazu wird der Tarifverlauf im Einkommensteuerrecht so verschoben, dass die zusätzliche Steuerbelastung bei Einkommenserhöhungen zusammen mit der Preissteigerung eine Zunahme der Kaufkraft nicht begrenzt oder ganz verhindert. Die Regierung verkauft das als Entlastung von jeweils rund 2 Milliarden Euro in den Jahren 2019 und 2020. In Wirklichkeit verzichtet der Staat nur darauf, Geld zu nehmen, das ihm gar nicht zusteht.
Die Mini-Entlastung durch die GroKo fügt sich nahtlos in die Steuerpolitik der Vorgängerregierungen ein. Die letzte Steuersenkung, die den Namen verdient, wurde im Jahr 2000 von Rot-Grün durchgesetzt. Schwarz-Gelb war dazu bekanntlich nicht in der Lage. Ohnehin neigen alle Regierungen dazu, den Bürgern erst Geld abzunehmen, um es dann als soziale Wohltaten wieder zu verteilen. Die Neigung, dem Bürger von dem selbst Erarbeiteten mehr zu lassen, ist bei Politikern aller Parteien nicht sehr ausgeprägt.
Nun hatte der Staat in diesem Vierteljahrhundert große Aufgaben zu bewältigen. Der wirtschaftliche Wiederaufbau in der ehemaligen DDR war die wohl größte Herausforderung, die Überwindung der Finanzkrise von 2008/2009 eine andere von Gewicht. Doch an dem mehr oder weniger stetig sprudelnden Steuern lässt sich ablesen, dass all diese Belastungen die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und Bürger nicht geschmälert haben. Denn der Fiskus kann nur dort kassieren, wo Einkommen und Gewinne erzielt werden.
Es wäre also genug Geld, um die Bürger spürbar zu entlasten. Und wann, wenn nicht jetzt, wäre eine bessere Gelegenheit, den längst überfälligen Solidaritätszuschlag abzuschaffen? Der Staat schwimmt nicht im Geld. Aber hat er genug, um denen mehr zu lassen, die es erwirtschaften. Es ist Geld da für eine große Steuerreform. Was fehlt, ist eine Regierung mit steuerpolitischem Ehrgeiz.