In Nürnberg hat die Polizei versucht, einen 20 Jahre alten Afghanen in seiner Berufsschule festzunehmen, um ihn in sein Heimatland abzuschieben. Es kam zu stundenlangen Tumulten. Der Polizei sah sich zeitweilig 300 Demonstranten gegenüber, keineswegs nur Mitschülern von Asef N., sondern auch „Aktivisten“ aus der linksradikalen Szene. Die Bilanz: 5 verletzte Polizisten, 0 verletzte Demonstranten, scharfe Kritik am „harten Einsatz“ der Ordnungskräfte – und keine Abschiebehaft für den abgelehnten Asylbewerber.
Der Fall hat vier Aspekte: Die Festnahme eines Asylbewerbers in einer Schule, die versuchte gewaltsame Verhinderung der Festnahme, das Lob mancher Medien für Schüler, die sich über dem Gesetz wähnen und – last not least – die Reduktion der Morddrohung des Abzuschiebenden auf eine Fußnote.
Polizeieinsätze in der Schule: Nürnberg war nicht der erste Fall, in denen die Ordnungskräfte illegale Immigranten festgenommen haben. Auch wenn es in den meisten Fällen nicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen wie in Nürnberg kam, so scheint dieses Vorgehen nicht angebracht. Schulen sind natürlich kein exterritoriales Gelände, auch wenn manche Funktionäre der Lehrergewerkschaft das so darstellen. Aber die Polizei könnte Recht und Gesetz sicher auf geräuschlosere Weise durchsetzen, wenn sie Abzuschiebende eher auf dem Weg zur Schule festnimmt, statt in Schulgebäude einzudringen. Wenn gerade jüngere, unbeteiligte Schüler dadurch verstört oder verängstigt werden, ist niemandem gedient.
Widerstand gegen Abschiebungen: Wir leben in einem Rechtsstaat. Und da entscheiden im Zweifelsfall Gerichte, wer hier bleiben darf und wer nicht. Ob jemand aufgrund von Verstößen gegen unsere Gesetze aus seiner Wohnung geholt wird, am Arbeitsplatz oder in einer Schule festgenommen werden soll: Familienmitgliedern, Freunden und Kollegen steht es frei, sich darüber zu empören. Ein Faustrecht gegen vermeintliches Unrecht widerspricht jedoch den elementaren Prinzipien eines Rechtsstaats.
Lob für „Mutbürger“: Nicht die Nürnberger Polizisten haben sich rechtswidrig verhalten; das taten vielmehr die Mitschüler von Asef N. und ihre Unterstützer aus der linksradikalen Szene. Umso mehr verwundert zum Beispiel das Lob der „Süddeutschen Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 3. Juni. Dort preist der Kommentator die jungen „Mutbürger“. Wörtlich heißt es in dem Kommentar: „Gesetzestreue kann nicht bedeuten, dass der Bürger jede Maßnahme der Exekutive sofort widerspruchlos zu akzeptieren hat, vor allem wenn diese so unsensibel und aus politisch so durchsichtigen Absichten heraus erfolgt wie in Nürnberg geschehen.“ Mit anderen Worten: Wer beim Thema Asylmissbrauch sich über das Gesetz stellt, der ist ein vorbildlicher Staatsbürger. Man würde gerne wissen, was die SZ-Redaktion davon hielte, wenn rechts- oder linksradikale Demonstranten die Auslieferung ihrer Zeitung mit Gewalt zu verhindern suchten, weil ihnen die politische Richtung nicht stimmt?
Eine Morddrohung? Na und! Nach Angaben von Nürnbergs Polizeidirektor Norbert Guth soll Asif N. bei seiner Festnahme gerufen haben: „Ich bin in einem Monat wieder da. Und dann bringe ich Deutsche um.“ Was immer die Polizei in Nürnberg richtig oder falsch gemacht haben mag: Ein Asylbewerber, der damit droht, nach seiner Abschiebung als Terrorist zurückzukommen, hat sein Aufenthaltsrecht definitiv verwirkt. Zudem belegt sein Verhalten, dass gute Deutschkenntnisse und regelmäßiger Schulbesuch allein noch keine Belege für eine gelungene Integration sind. Doch in vielen Medien schrumpft Asif N.’s ungeheuerliche Drohung zur Fußnote – aus Gründen der politischen Korrektheit.
Die SZ, die aus ihrer Sympathie für den jungen Mann keinen Hehl macht, berichtet darüber so: „Sollte er das wirklich gesagt haben, so tue ihm das sehr leid, habe er erklärt, dann sei er nicht Herr seiner Sinne gewesen. Trotzdem scheint der Satz gefallen zu sein.“ Um dann eine Sozialpädagogin zu zitieren, die voller Verständnis für den angeblich so vorbildlich integrierten jungen Afghanen ist: „Aber was rutscht einem in existenziellen Ausnahmesituationen alles raus, wenn man sich psychisch verletzt fühlt“, sagt sie. „Dann sagen Sie das, was dem Gegenüber am meisten weh tut.“
Die Saat der Achtundsechziger: Der Vorfall in Nürnberg fällt zufällig zusammen mit dem 50. „Geburtstag“ der Außerparlamentarischen Opposition (APO) am 2. Juni 1967, dem Tag, als der friedlich demonstrierende Berliner Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten kaltblütig erschossen wurde. 50 Jahre danach wird auf linksliberaler Seite gepriesen, wie segensreich die APO doch die bundesrepublikanische Gesellschaft verändert, demokratisiert und humanisiert habe.
In der Tat: Die Nürnberger Demonstranten stehen – unbewusst – in der Tradition derer, die nach dem Prinzip „legal, illegal, scheißegal“ handelten. Dieser Geist scheint in mancher Zeitungsredaktion noch sehr lebendig.