Tichys Einblick
Respektlos

Ein Fall für Respekt-Minister Hubertus Heil: Bafög und Wohngeld für (fast) alle!

Die neue Respekt-Rente ist ein Etiketten-Schwindel: Sie hilft nicht Bedürftigen sondern verteilt Geld ziemlich wahllos. Und respektiert die notwendige Ordnung der Sozialpolitik nicht.

Die „Respekt-Rente“ von Arbeitsminister Hubertus Heil soll die Lebensleistung von Menschen würdigen, die viel gearbeitet aber wenig verdient haben. Daran ist nichts zu kritisieren. Doch Heil & Genossen lassen jeden Respekt vor einem zentralen Grundsatz der deutschen Sozialpolitik vermissen: Der Staat verteilt Geld nicht mit der Gießkanne und wirft es auch nicht vom Hubschrauber aus ab. Der Sozialstaat hilft denen, die Hilfe brauchen. Nicht denen, die es gar nicht nötig haben.

Der springende Punkt in der aktuellen Diskussion ist nicht die Frage, ob die derzeitige „Grundsicherung im Alter“ für die Menschen erhöht wird, die 35 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt haben oder entsprechende Ausfallzeiten vorweisen können. Darüber gibt es in der Großen Koalition gar keinen Streit. Es geht vielmehr darum, ob jeder mit einer kleinen Rente mehr Geld bekommen soll – ganz gleich, wie hoch sein sonstiges Einkommen oder das seines Partners oder seiner Partnerin ist.

Der deutsche Sozialstaat, den die Sozialdemokraten in den vergangenen 70 Jahren mitgestaltet haben, basiert auf zwei wichtigen Prinzipen: dem Versicherungsprinzip und dem Bedürftigkeitsprinzip. Wer in die Renten- oder Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, dem stehen entsprechende Leistungen zu. Der Staat hilft ebenso in vielen Bereichen, ohne dass der Betreffende dafür eigens Sozialbeiträge entrichtet hat. Stehen dem Anspruch auf staatlichen Leistungen jedoch keine entsprechenden Beitragszahlungen gegenüber, dann zahlt der Staat nur, wenn der Empfänger das Geld auch wirklich nötig hat. Sonst könnten ja arbeitslose Partner von Großverdienern „Hartz IV“ beantragen. Bei der Grundrente in ihrer jetzigen Form führt das dazu, dass es kein zusätzliches Geld gibt, wenn der Ruheständler beispielsweise noch zusätzlich eine private Rentenversicherung bezieht oder er mit einem gut situierten Partner zusammenlebt. Konkret: Wenn eine Rentnerin viele Jahre lang ganz bewusst nur Teilzeit gearbeitet und folglich nur Anspruch auf eine kleine Rente hat, ihr Mann aber über eine staatliche Pension und zudem Einkünfte aus Vermietung bezieht, dann gibt es für die „Kleinrentnerin“ keinen staatlichen Zuschlag. Warum auch?

Die Sozialdemokraten wollen das jetzt ändern. Die „Respekt-Rente“ soll über alle regnen – über wirklich Bedürftige ebenso wie über Rentnerhaushalte mit Einkünften von 5.000 Euro oder mehr. Denn es ist Wahlkampfzeit. Und da will die SPD mit vier Millionen Rentnern ins Geschäft kommen: deine Stimme gegen unser Rentenversprechen.

Sollte es tatsächliche eine Frage des Respekts sein, bei von Steuer- und Beitragszahlern zu finanzierenden Sozialleistungen nicht mehr nach der Bedürftigkeit zu fragen, dann müsste die SPD eigentlich konsequent sein; dann müsste sie dafür plädieren, auch bei anderen Transferleistungen auf die Prüfung der Bedürftigkeit zu verzichten. Das könnte dann so aussehen:

Tja, es gibt für sozialdemokratischen Respekt-Politiker viele Baustellen, auf denen sie segensreich wirken könnten. Nur mit der Finanzierung einer solchen Ausweitung von Transferleistungen auf fast alle könnte es schwierig werden. Aber unser Respekt-Minister Heil müsste ja nur die Einnahmen aus Steuern ansetzen, die es – wie die Finanztransaktionsteuer – gar nicht gibt. Dann wäre die Respekt-Republik Deutschland (RRD) nach SPD-Maßstäben solide finanziert – wenigstens auf dem Papier.

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