Die Feministinnen und Feministen in diesem unserem Land haben seit Kurzem eine Kronzeugin für ihre Forderung nach einer gleichmäßigen Aufteilung aller Posten und Ämter zwischen Männern und Frauen: Angela Merkel. „Parität in allen Bereichen erscheint mir einfach logisch. Das muss ich nicht dauernd extra erwähnen“, sagte die Kanzlerin in einem Interview mit der „Zeit“. Im vergangenen November war Merkel, damals noch CDU-Vorsitzende, bei einem Festakt zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“ noch weiter gegangen: „Quoten waren wichtig. Aber das Ziel muss Parität sein, Parität überall“, sagte Merkel unter stürmischem Applaus.
Ist Angela Merkel auf ihre alten Kanzlerinnentage zur Feministin geworden? Oder passt sie sich nur einem vermeintlichen Trend an? Richtig ist, dass die Politikerin Merkel dort, wo sie Einfluss hatte, schon früher Frauen kräftig gefördert hat, auch wenn sie nicht ständig nach Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit rief. Als Merkel 2000 CDU-Vorsitzende wurde, fehlte es innerhalb wie außerhalb der Partei nicht an Spott über die Dominanz von Frauen in Merkels unmittelbarer Umgebung: Merkels „Girls‘ camp“. 2004 kommentierte Merkel das so: „Wenn Frauen in ihren Führungsetagen in wichtigen Positionen auch von Frauen umgeben sind, hat das offensichtlich noch immer etwas Besonderes, vielleicht auch Geheimnisumwittertes an sich. Irgendwo ist dieses Wort deshalb perfide und amüsant zugleich.“
Merkel hat Frauen gefördert, aber nicht groß darüber geredet. Als Bundesministerin für Frauen und Jugend (1990 bis 1994) jedenfalls ist sie nicht als Vorkämpferin für die Quote aufgetreten. Im Gegenteil. „Von der Quote habe ich gar nichts gehalten“, sagte sie zehn Jahre später, „musste mich da aber etwas zurückhalten. Denn als Frauenministerin konnte ich ja nicht die Vorkämpferin gegen die Quote sein.“
Merkel war auch gegen das Quorum, mit dem die CDU von 1996 an versuchte, den Frauenanteil in Parteiämtern und bei Kandidaturen wenigstens auf ein Drittel zu erhöhen. Aber pragmatisch, wie sie ist, arrangierte sich Merkel mit dieser Regelung. Sie stellte später fest, dass die Partei unter der wachsenden Zahl von Frauen in Vorständen oder auf Parteitagen „nicht gelitten“ habe, „im Gegenteil“. Merkel im Jahr 2004: Das Quorum habe der Partei „genutzt. Hier habe ich meine Meinung geändert.“
Auch wenn „Parität in allen Bereichen“ Merkel heute „einfach logisch“ erscheint, hat sie in der CDU nichts getan, um das unverbindliche Frauenquorum zu einer Frauenquote auszubauen. Das war insofern nicht verwunderlich, als Merkel stets gegen verbindliche Frauenquoten war. Erst im Wahljahr 2013 änderte Merkel und mit ihr die CDU plötzlich ihre Meinung. Das geschah nicht aus Überzeugung, sondern eher aus taktischen Gründen – man könnte auch sagen aus opportunistischen.
Kurz vor der Bundestagswahl 2013 hatte die damalige rot-grüne Opposition ein Quoten-Gesetz im Bundestag eingebracht. Das hätte angesichts der schwarz-gelben Mehrheit eigentlich keine Chance gehabt. Doch die Frauengruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion machte Druck. Die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen drohte sogar, zusammen mit anderen weiblichen Union-MdBs mit der Opposition zu stimmen. Das hätte ein halbes Jahr vor der Wahl zum Bruch der CDU/FDP-Koalition führen können. Also ließ Merkel sich auf einen Kompromiss ein: Die CDU nahm die Forderung nach einer verbindlichen Frauenquote in Unternehmen ins Wahlprogramm auf. 2015 beschlossen CDU/CSU und SPD dann gemeinsam eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent für börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen. Auch die Abgeordnete Merkel stimmte dafür.
Angela Merkel war in ihrer politischen Laufbahn gegen eine Frauenquote, ja selbst gegen das in seiner Wirkung viel schwächere Frauenquorum. Heute ist sie entschieden für Parität. Wie diese Parität erreicht werden soll, lässt die Kanzlerin offen. Aber in der Frauen-Union liebäugeln viele mit einer verbindlichen gesetzlichen Regelung, dass wenigstens die Hälfte aller Listenmandate von Frauen besetzt werden müssen. Offenbar ist es nach Ansicht dieser Paritäts-Befürworterinnen bequemer, Gesetze zu ändern, statt die Zahl der weiblichen CDU-Mitglieder zu verdoppeln, um so innerhalb der Partei Parität zu erreichen.
In Brandenburg haben SPD, Grüne und Die Linke ein solches Wahlrecht bereits so beschlossen, allerdings erst für die übernächste Landtagswahl. Denn es ist sehr fraglich, ob dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. Gleichwohl: Der „fortschrittliche“ Teil der CDU wird sich ebenfalls in diese Richtung bewegen. Ganz im Sinne der einstigen Quotengegnerin Angela Merkel: „Parität überall“.