Tichys Einblick
Ohne Merkel geht auch in Zukunft nichts

AKK: Helferin, keine Partnerin auf Augenhöhe

Der Hamburger Parteitag verändert die CDU. Aber hat das personelle Manöver auch echte Auswirkungen auf die Machtverhältnisse im Land? Das darf bezweifelt werden.

John MacDougall/AFP/Getty mages
Angela Merkel hat es wieder einmal geschafft. Mit ihrem Rückzug von der CDU-Spitze hat sie Freund und Feind überrascht. Zugleich ist es ihr gelungen, mit Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Wunschnachfolgerin zu etablieren – zum Ärger des ergrauten „boys camp“. Der Hamburger Parteitag verändert die CDU. Aber hat das personelle Manöver auch echte Auswirkungen auf die Machtverhältnisse im Land? Das darf bezweifelt werden – und zwar aus mehreren Gründen.
  1. Merkel bleibt Kanzlerin. Sie behält die wichtigste und mächtigste Position. Bei Koalitionsrunden wird künftig AKK für die CDU sprechen. Theoretisch könnte sie sich dann mit dem künftigen CSU-Vorsitzenden Markus Söder und der (Noch-)SPD-Chefin Andrea Nahles gegen den Willen der eigenen Kanzlerin auf bestimmte Lösungen verständigen. Die Wahrscheinlichkeit dafür tendiert jedoch gegen Null.
  2. Für die Wähler bleibt Merkel der Maßstab. Die neue CDU-Vorsitzende kann die Partei für die kommenden Wahlkämpfe schlagkräftiger machen, die Debatte über das neue Grundsatzprogramm vorantreiben, offensiver gegen die AfD vorgehen. In den Augen der Bevölkerung ist dies alles jedoch eher nebensächlich. Ausschlaggebend für das Ansehen der CDU und die Zustimmung zu ihr ist dagegen die „Performance“ der CDU-Kanzlerin. Wenn die Menschen mit der Politik der GroKo nicht zufrieden sind, lassen sie sich auch nicht mit einem moderneren, digital aufgehübschten Erscheinungsbild der Partei ködern. Dann bleiben sie weg oder entziehen der CDU ihre Stimme.
  3. Der Koalitionsvertrag gilt. Was CDU/CSU und SPD im Frühjahr vereinbart haben, gilt unverändert. Von „CDU pur“ ist dort keine Spur zu finden. Eine Vorsitzende Kramp-Karrenbauer kann, anders als bisher Merkel, immer darauf verweisen, was die CDU anders machen würde, wenn sie denn allein regierte, und was sie an der Seite anderer Koalitionspartner gestalten könnte. Aber nicht die programmatische Arbeit bestimmt das Image einer Regierungspartei, sondern ob sie „liefert“ und was sie „liefert“. Da wird die CDU auch künftig in erster Linie Merkelschen Pragmatismus anzubieten haben.
  4. Merkel hat das Grundgesetz an ihrer Seite. Theoretisch kann die CDU Merkel drängen, den Sozialdemokraten weniger nachzugeben oder beispielsweise CDU-Forderungen wie die vollständige Abschaffung des Soli auf die Tagesordnung des Kabinetts zu setzen. Wenn Merkel sich um solche CDU-Forderungen jedoch nicht schert, wie sie das zum Beispiel bei CDU-Beschlüssen zum restriktiveren Umgang mit dem Doppelpass getan hat, kann auch die CDU-Vorsitzende ihre Kanzlerin zu nichts zwingen. Denn die Stellung der Kanzlerin ist stark. Sie kann der eigenen Partei ebenso wie der SPD mit Neuwahlen drohen. Falls sie zurücktritt, ist die GroKo am Ende – und der Ausgang der folgenden Wahlen höchst ungewiss.
  5. Minderheitsregierung nur mit Merkel. Es ist nicht auszuschließen, dass die SPD nach katastrophalen Ergebnissen bei der Europawahl und der Landtagswahl in Bremen im Mai nächsten Jahres aus der Großen Koalition ausschert. Dann bleibt Merkel dennoch Kanzlerin. Dass die Grünen ohne Neuwahlen auf der Basis des schwachen Wahlergebnisses von 2017 in eine Jamaika-Koalition einträten, kann man ausschließen. Ebenso, dass der Bundestag – unter Mithilfe des Bundespräsidenten – einer Minderheitskanzlerin AKK ins Amt hülfe. Warum auch sollten Grüne und FDP einer CDU-Politikerin mit Blick auf die Bundestagswahl 2021zu einem Amtsbonus verhelfen?
  6. Merkel wird ihre Flüchtlingspolitik von 2015 unverdrossen rechtfertigen. Die neue CDU-Vorsitzende will in „Werkstattgesprächen“ aufarbeiten, was 2015 falsch gelaufen ist, warum Merkels Willkommenspolitik die CDU geschwächt und die AfD richtig stark gemacht hat.  Was immer in den entsprechenden Papieren stehen wird: Merkel wird auch in Zukunft nicht bereit sein, ihre Fehler öffentlichen einzugestehen. Das aber bedeutet: Die von der CDU abgewanderten „Merkel muss weg“-Wähler werden nicht deshalb ihren Frieden mit der Kanzlerin machen, weil deren Vertraute jetzt CDU-Vorsitzende ist.
Fazit: Annegret Kramp-Karrenbauer ist keine schlichte Merkel-Kopie. Als saarländische Ministerpräsidentin hat sie zum Beispiel in der Flüchtlingskrise pragmatischer gehandelt als die Kanzlerin. Aber die neue CDU-Vorsitzende wird, wenn sie ihre Vorgängerin nicht offen aus dem Kanzleramt zu vertreiben sucht, nur im Schatten der Kanzlerin agieren können. Denn die von der Generalsekretärin zur Parteivorsitzende aufgestiegene Kramp-Karrenbauer bleibt aus Merkels Sicht, was sie bisher war: eine Helferin, keine Partnerin auf Augenhöhe.
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