Mich beschäftigt schon länger ein empfundener, eklatanter Mangel an Zukunft in diesem Land, insbesondere in der öffentlichen Diskussion. Die einen wollen Politik ausschließlich nach ihrem moralischen Imperativ gestalten, so als ob schon jemals Gutes aus übersteigertem moralischen Impetus entstanden wäre. Das Mittelalter und diverse theokratische Diktaturen legen Zeugnis davon ab, wohin selbstgerechter moralischer Rigorismus führt. Die Anderen aber arbeiten sich ausschließlich an den selbsternannten Weltverbesserern ab und drohen dabei zu vergessen, dass dieses Land und unsere Kinder vor allem Eines brauchen: Eine positive Zukunft, die man nicht aus der Vergangenheit herleiten kann, sondern die sich mutig den Herausforderungen einer sich radikal wandelnden Welt stellen muss. Man kann den Wandel nicht aufhalten; Aufgabe von Politik ist es aber, diesen positiv zu gestalten.
Die Landnahme des grünen Mainstreams
Wenn wir die politische Landschaft betrachten, haben wir auf der einen Seite den grünen Mainstream, der in den letzten Jahrzehnten in meiner Wahrnehmung so etwas wie eine stille medial-politische Landnahme vorgenommen hat, die sich jetzt in ihren ganzen Auswirkungen zeigt. Während die einen Kinder großzogen, Firmen gründeten oder als Ingenieure, Ärzte und Kaufleute den Wohlstand des Landes mehrten und so keine Zeit für politische Betätigung fanden, haben andere die Journalistenschulen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Parteiapparate und NGOs bevölkert und ihren oft vorhandenen Zeitvorteil zur politischen Einflussnahme genutzt. Diese Disparität habe ich hier schon in Kinderlose Eliten und die zeitliche Abgehängten zum Thema gemacht.
Der Mensch als Störfaktor, der eingehegt werden muss
Die Absurditäten dieser Ideologie der Begrenzung, die den Menschen mit ähnlichen Mechanismen klein und demütig halten will, wie schon das kirchliche Weltbild des Mittelalters, bevor die Aufklärung einsetzte, wurde ganz wunderbar hier in Die Tyrannei der grünen Begrenztheits-Ideologie beschrieben. Ein Mensch der sich fremdgesetzten absoluten Grenzen unterwirft, wird eben ein steuerbarer, unfreier Mensch. Und wer die Grenzen des Erlaubten definiert, hat eben die Macht und darum geht es.
Der Mensch ist in diesem Weltbild auf jeden Fall ein Störfaktor im Schrebergarten des starren, festgefügten Naturbildes, das jedes Kraut unbedingt „bewahren“ will, so als ob die Evolution mit Stillstand zu tun hätte. Ein Naturbild das mit der Realität zu tun hat, erkennt dagegen den Wandel als den Kernzustand des Lebens auf diesem Planeten an und akzeptiert das Vergehen und Werden neuer Arten in einer geänderten Umwelt. Eine Umwelt, die nun zunehmend auch der Mensch mitbestimmt, ein Mensch der kein Störfaktor, sondern genau das Produkt dieser Evolution auf diesem Planeten ist und deswegen so „natürlich“ ist, wie nur irgendetwas „natürlich“ sein kann.
Biodiversität zu fördern macht Sinn, einzelne Kräuter zu „schützen“ ist Unfug
Dabei macht es ja Sinn, die Diversität der Arten auf der Erde zu fördern und die Klage über das große Artensterben ist eine sehr berechtigte, denn diese Biodiversität ist die Grundlage der Zukunft der Biosphäre. Das Aussterben des einzelnen Krauts und der einzelnen Kröte dagegen, ist schlicht der Lauf der Welt seit zwei Milliarden Jahren und der Boden, auf dem neue Arten entstehen.
Dieses statische, detailpusselige Bild von Natur hat für mich Ähnlichkeiten mit der religiösen Gedankenwelt des „intelligenten Designs“, in dem von einer höheren Macht alles genau so an seinen Platz gesetzt wurde, wie es nun zufällig im Jahr 2.167.876.453 der Evolution auf diesem Planeten ist. „Strukturkonservativ“ ist für mich genau das treffende Wort für diese starren, von Angst vor Veränderung geprägten Gedankenwelten, in denen alles seinen Platz hat und Wandel immer nur Bedrohung ist und nie Chancen bereithält. Mit der sich permanent wandelnden Natur und dem real existierenden Universum hat das auf jeden Fall wenig zu tun, vielmehr ist unser aller Existenz gerade das Produkt von zwei Milliarden Jahren brutalen, evolutionären Wandels in einer zutiefst dynamischen Welt.
Innovation braucht die Freude am Wandel
Und damit kommen wir auch zum Kern dieses Artikels, denn wie kann in dieser strukturkonservativen Begrenztheitsideologie Innovation gedeihen? Waren die begrenzten Denkwelten des christlichen Mittelalters mit seinen Dogmen für Innovationssprünge bekannt? Gedeiht in den fest gefügten islamischen Denkwelten der Gegenwart Innovation und Fortschritt? In beiden Fällen wohl kaum. Innovation braucht eben einfach die Lust an der Veränderung, die Freude an den Chancen einer neuen Welt unbegrenzter Möglichkeiten.
„To boldly go where no man has gone before“ heißt es dazu bei Star Trek, sinngemäß auf Deutsch “dorthin zu gehen, wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist“. Es ist diese Haltung des Entdeckermutes, der keine Grenzen kennt – eines Blicks auf Veränderung als Chance und nicht nur als Risiko – die oft Innovation zugrunde liegt und die auch erfolgreiche Unternehmer auszeichnet. Dass das eine Welt ist, die aber gerade von der Mehrheit der statusorientierten Funktionäre und Kader in den Parteien so weit entfernt ist, wie der Mondflug von einer Kuh, zeigt wunderbar Cicero in Parteiprogramme im Modernitätswahn auf.
Wirtschaftspolitik für schlichte Gemüter
Statt aber mit guter Ordnungspolitik den Wettbewerb im Markt seine Arbeit machen zu lassen und Innovationen im evolutionären Prinzip von Versuch und Irrtum einfach zuzulassen, müssen wir eine planwirtschaftlich-dirigistische Wirtschaftspolitik für schlichte Gemüter ertragen. So macht zum Beispiel Horst Seehofer das Festhalten am Verbrennungsmotor zur Koalitionsbedingung und Cem Özdemir macht das Ende des Verbrennungsmotors zur Koalitionsbedingung.
Das andere politische Spektrum arbeitet sich ab
Nachdem ich nun das teilweise strukturkonservative linksgrüne Weltbild und die damit verbundene Innovationsfeindlichkeit ausreichend betrachtet habe, könnte man ja meinen, dass auf der anderen Seite des politischen Spektrums in diesem Land die Vertreter von Innovation und Wandel sitzen würden. In meinen Augen aber leider weit gefehlt. Immerhin, eine bürgerliche Intelligenz, die viel zu lange geschwiegen hat, erhebt langsam und immer lauter werdend ihre Stimme und beginnt die Dominanz der obigen grünen Gedankenwelten immer heftiger anzugreifen. Aber das wird erneut ein Langstreckenlauf durch die Institutionen und kein Spaziergang, wie auch der Weg der grünen Denkwelten durch die Institutionen Jahrzehnte dauerte. Immerhin hat er nun aber begonnen.
Nun ist diese mediale Gegenbewegung derzeit aber ausschließlich damit beschäftigt, die Hoheit über den öffentlichen Diskurs wieder zu gewinnen und arbeitet sich daher primär am linksgrünen, dirigistischen Weltbild ab. Was dabei untergeht, ist der Blick nach vorne, der Blick auf die Zukunft. Und der ist dringend nötig, denn Menschen werden nicht durch die Verneinung motiviert, sondern durch ein positives Bild der Zukunft, dem nachzustreben sich lohnt.
Die Sehnsucht nach dem Meer
Wie heißt es so schön bei Antoine de Saint-Exupery „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen … sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“
Aber auch auf der „rechten“ Seite des politischen Spektrums, die nun unter anderem von der AfD besetzt wird, gilt leider, dass je weiter das Weltbild ins strukturkonservative wechselt, desto eher eine fatale Vergangenheitsfixierung um sich greift. Mit „grantelnden Strickjackenträgern“ die vergangenen Jahrzehnten hinterher trauern, lässt sich aber die Zukunft nicht gewinnen. Denn die Welt ist im Wandel, ob wir wollen oder nicht. Kluge Politik muss das gestalten, den Wandel positiv annehmen und ein positives, erstrebenswertes Ziel definieren. Ein derartig positiver, erstrebenswerter Gegenentwurf für die Zukunft fehlt aber nach meinem persönlichen Empfinden völlig, bei „Rechten“ wie „Linken“ und das ist schmerzhaft für das Land. Man ist darin vereint, den jeweils anderen abzulehnen – das reicht aber nicht, um die Zukunft zu gewinnen. Die Vergangenheit ist dabei nur begrenzt hilfreich, denn diese ist vergangen und unsere Zukunft wird ganz anders sein, wundersam aber auch angsteinflößend – so wie jemand aus dem 19. Jahrhundert unsere Welt des 21. Jahrhunderts empfinden würde.
Die etablierten Parteien – eine Nullnummer in Sachen Zukunft
Und die etablierten Parteien? Ich bitte Sie. CDU/CSU hat das einschläfernde „Mutti machts schon“ im Programm, ein Kanzlerwahlverein – mal wieder. Es wird mir ein ewiges Rätsel bleiben, warum Angela Merkels Image der ruhigen Denkerin, nicht von mehr Bürgern als Fassade des opportunistischen Machterhalts eingeordnet wird. Wenn da etwas Inhaltliches zum Thema Zukunft abseits von Worthülsen wäre, könnte sie ihre tiefgehenden Gedanken ja mit uns ganz unverschwurbelt teilen, so doof sind wir dann doch nicht, das nicht zu verstehen.
Und die FDP stellt zwar Modernität in schön designten Plakaten dar und ist die einzige Partei die versucht, ein positives, chancenorientiertes Bild von Zukunft zu zeichnen. Ob es aber hinter der Fassade nicht immer noch die „Honoratiorenpartei“ geblieben ist, die sich im „Rotary Club“ trifft, muss erst bewiesen werden. Der Cicero bringt in Keine Bedenken und leider kein Denken die berechtigte Sorge zum Ausdruck, dass hier nur wohl designte Sprechblasen als Zukunft verkauft werden. Aber immerhin ist hier wenigstens der Versuch da, Zukunft als Chance zu begreifen, man wird ja bescheiden.
Blindes Stolpern in die Zukunft
So haben wir also im Jahr 2017 des Herrn in Deutschland nach meinem unmaßgeblichen Eindruck einen innovationsfeindlichen Mainstream, der Staatswirtschaft liebt, Marktwirtschaft hasst und den Mensch gängeln und einhegen will, weil der nach diesem Weltbild alleine nicht reif genug ist, freie Entscheidungen zu treffen. Wir haben dazu eine politische „Elite“ im „Raumschiff Berlin“, die sich zum Thema Zukunft in platten inhaltsleeren Sprechblasen ergeht, die von Funktionären zusammen geschrieben werden. Und wir haben eine bürgerliche Opposition gegen diesen Mainstream, deren Energie sich aber im Abarbeiten verbraucht oder teilweise selber ins Innovationsfeindliche mit anderer farblicher Lackierung abgleitet. Dabei könnten die Herausforderungen die vor uns liegen kaum größer sein. Denn wir stehen vor einem grundlegenden gesellschaftlichen Umbruch, der im besten Fall mit der industriellen Revolution zu vergleichen ist, wenn überhaupt.
Migrationsströme und eine Revolution der Arbeit
Weltweite Migrationsbewegungen, die sich als Folge einer zusammenwachsenden Welt in Bewegung gesetzt haben, sind die eine Herausforderung. Eine Herausforderung, die nicht verschwinden wird und der man nicht mit Ideologie, Moralhuberei und Gesinnungsethik, sondern nur mit zupackender Verantwortungsethik begegnen kann. Die andere, noch dramatischere Herausforderung ist aber der Aufstieg der Maschinen (Roboter) und der künstlichen Intelligenz und damit verbunden ein radikalen Wandel der Arbeitswelt, der Millionen, ja Milliarden Menschen und die gesellschaftliche Stabilität in allen Staaten der Welt in den nächsten Jahrzehnten vor bisher nicht erlebte Herausforderungen stellen und die klassischen Sozialsysteme alter Prägung als nicht mehr tragfähig entlarven wird. Der Raum in diesem schon zu langen Artikel reicht nicht, um das genauer auszuführen, lassen wir das einfach mal so stehen.
Die Zukunft ist nicht geschrieben, sie liegt in unserer Hand
Fakt ist aber, dass die Zukunft noch nicht geschrieben ist. Denn diese Herausforderungen können zu einer Dystopie führen, in der die Errungenschaften der Aufklärung zwischen archaischen Weltbildern und revolutionären Aufwallungen zerstört werden und ein neues dunkles Zeitalter beginnt. Es kann aber auch zu einer Utopie führen, in der die Menschen frei von lästigen und gefährlichen Aufgaben und wirtschaftlichen Zwängen werden und sich noch mehr auf Wissenschaft und Kultur konzentrieren können – das was eben eine Hochzivilisation ausmacht.
Die Kulturgeschichte der Menschheit ist eben die Geschichte davon, wie Fortschritt mehr Zeit abseits des Überlebenskampfs generierte, Zeit, die zu Kultur und Wissenschaft führte, aber eben auch zu Ideologien und Krieg. Was wir mit der Zeit anstellen, die uns der Fortschritt verschafft, liegt eben bei uns.
Mehr Zeit für Zukunft. Weniger für verfaulte Ideologien der Vergangenheit
Wir sollten in Deutschland diese Zeit daher mehr nutzen, um positiv und gestalterisch über die Zukunft nachzudenken – auch und gerade gesellschaftspolitisch. Was zeichnet denn eine positive Gesellschaft des Jahres 2030 oder vielleicht sogar 2050 aus? Was muss sich gegenüber heute dafür zwingend ändern? Von der Politik ist da nach meinem Eindruck abseits von Schlagwörtern nicht viel zu erwarten, weder links noch rechts, zumindest solange nicht, wie nicht das ganze Parteiensystem durch echte Direktkandidaten ersetzt wurde, die wieder mehr freie Ideen und Gestaltungswillen ins Parlament bringen, statt Fraktionsdisziplin und Gehorsam, um nicht von den Fleischtöpfen verstoßen zu werden.
Reden wir über das was sein sollte und nicht nur über das, was weg muss
Wenn aber von der Politik sowieso nichts zu erwarten ist und die Mehrheit der Menschen findet, dass es uns ja gut geht und deswegen im Stillstand und Bewahren verharrt, so als ob es kein Morgen für unsere Kinder gäbe, ist es eben an Einzelnen, Zukunft zu definieren und im Kleinen in sie zu schreiten.
Ein Anfang ist dabei vielleicht mal aufzuschreiben, wie für uns eine erstrebenswerte Zukunft überhaupt aussieht, die wir uns in 10, 20 oder 30 Jahren in diesem Land wünschen. Wecken wir doch mal die Sehnsucht nach dem Meer. Das hat manchmal viel mehr Wirkung, als das wiederholte Abarbeiten an vor sich hin modernden Ideologien, denen wir mit unserer Kritik viel zu viel Ehre angedeihen lassen. Reden wir mal über das, was sein sollte und nicht nur über das, was weg muss.
Das Land der Dichter, Denker und Erfinder
Mein persönliches Bild der gewünschten Zukunft ist das Bild der Aufklärung und der daraus folgenden Hochzivilisation – ein Deutschland der Dichter, Denker und Erfinder, ein Deutschland intelligenter Menschen, frei von Gängelung und moralisierender Vorgaben. Ein Land der Aufklärung und des Rechts, in dem alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich zum Wohle der Gemeinschaft verboten ist. Ein Land, das Zukunft als Chance begreift und das bewusst selektiert, was gut für das Land ist, statt sich von den Winden der Welt treiben zu lassen.
Dieses Deutschland kann man nicht gewinnen, in dem man sich abschottet. Man kann es aber auch nicht gewinnen, in dem man jeden ins Land lässt, der archaische Denkwelten mit sich bringt. Dieses Deutschland kann nur entstehen, wenn man bereit ist, die auszuwählen, die wirklich Teil eines solchen modernen Landes werden und den Traum vom großen weiten Meer mit uns teilen wollen.
Um Dichter, Denker und Erfinder zu werden, braucht es einfach einen wachen, freien Geist, viel Neugier und die Bereitschaft zu lernen. Mit Leuten, die diesen wachen Geist nicht mitbringen, sondern von archaischen Dogmen beherrscht werden, kann man diese Zukunft einfach nicht gewinnen. Dabei spielt für mich keine Rolle wo sie geboren sind. Wer sie sind und wer sie werden wollen, hingegen jede Menge.
Aber das ist nur mein unmaßgebliches Bild einer positiven Zukunft des Landes, meine persönliche Utopie.
Auch Anlageerfolg wird nur über das Ergreifen von Chancen gewonnen.
Übrigens, um wenigstens am Ende noch den Bogen zur Börse zu bekommen, auch Anlageerfolg wird nur über das zwar kontrollierte, abgesicherte, aber doch zupackend-positive Ergreifen von Chancen gewonnen, nicht durch Zerreden, nicht durch übertriebene Angst und auch nicht durch Zögern und Zaudern. Vielleicht ist genau deshalb Börse oft gerade bei strukturkonservativ denkenden Menschen so als „unsicher“ verhasst, sie ist einfach zu dynamisch, zu wandelbar. Freie Wirtschaft ist wie die Evolution, sie vernichtet das Überholte, um auf den Ruinen Neues zu schaffen – und das ist gut so.
Den großen Unternehmern zu folgen, lässt dabei das Depot erblühen, da kann man gelassen über die schmunzeln, die aus ihrem Sessel heraus wortreich vorrechnen, warum eine Hummel nicht fliegen kann. Zukunft lässt sich nicht aufhalten und will individuell gewonnen werden. Das war schon immer so. Wer das vergisst und zu spät kommt, den bestraft der beständige Wandel der Evolution oder des Marktes, kurz gesagt: das Leben.
Ihr Michael Schulte (Hari)