Seit Sommer 2016, also seit gut 1,5 Jahren schreibe ich hier nun auf TE in lockerer Folge zu Themen rund um Börse, Wirtschaft und Finanzpolitik, typischerweise alle zwei Wochen. Nun nähert sich wieder ein Börsenjahr dem Ende, das ist doch ein guter Grund das Geschehen mal in einen übergeordneten Kontext zu stellen.
Das Megathema der Marktfolge
Wenn Sie meiner Kolumne folgen, wissen Sie, dass das übergeordnete Megathema seit den Anfängen unverändert ist. Es lautet sozusagen:
Ich weiß um all die Risiken und Verzerrungen der Märkte, um den finanzpolitischen Irrsinn und um die Tatsache, dass wir es immer weniger mit freien Märkten zu tun haben. Gerade deswegen können die Märkte aber weiter steigen und wir tun gut daran, dem zu folgen, bis sie es nicht mehr tun.
Dieser Tenor stand im Sommer 2016 in Katastrophenhausse – Crack-up-Boom, er stand diesen Sommer in Geldanlage im Spannungsfeld zukünftiger Risiken und er stand diesen November in Zu früh ist am Markt nur ein anderes Wort für falsch. Und er klang in vielen anderen Artikel an.
Selbstüberschätzung, Einbildung und Ego
Zuverlässig wie das Amen in der Kirche, habe ich dann immer wieder Kommentare im Brustton der Überzeugung bekommen, dass die Märkte doch „aufgeblasen“ und „überbewertet“ seien und kurz vor dem Crash stünden und man doch jetzt nicht mehr rein könnte. So als ob das eine Neuigkeit sei und die Autoren im Besitz einer Weisheit, die der Rest des Marktes nicht überreissen kann. Man kennt das, es ist das Denken der Herde, manchmal verbunden mit einer Selbstüberschätzung der eigenen Meinung, wenn man so will ist es das Ego, das klüger als die anderen Marktteilnehmer sein will.
Dabei liegt das Problem doch gar nicht in der Bewertung; na klar sind sind die Märkte überdehnt und durch geldpolitische Abenteuer in einem historisch einmaligen Zustand, wer das nicht sieht lebt doch auf einem anderen Planeten. Die Schlussfolgerung ist das Problem, die Schlussfolgerung, dass deswegen die Märkte nun sofort zusammenbrechen müssen. Nein, die müssen gar nichts und solange zu viele da draußen sind, die glauben zu wissen, dass der Markt ja nun morgen zusammen brechen muss, solange wird der Markt genau das nicht tun – das ist Reflexivität am Werk in Perfektion!
Und was ist real passiert? Die Märkte sind zwischen dem Sommer 2016 und heute immer weiter gestiegen, 2017 sogar pausenlos. Wer im Sommer 2016 meiner Logik gefolgt ist und sich nicht hat von den Crashpropheten verrückt machen lassen, sitzt im Vergleich 01.07.16 zu heute auf einem Plus von 34% im DAX und 28% im S&P500 (dort noch plus Dividenden). Im Mittel also 30% Plus, nicht so schlecht, da darf ja nun mal eine 10-20% Korrektur kommen und man ist immer noch auf der anlagetechnischen Sonnenseite gegenüber denen, die sich gerne gegen den Markt stellen. Aber *jetzt*, 2018 kommt der börsentechnische Untergang dann aber gewiss, werden die sagen, die gerne gegen den Markt kämpfen, so wie sie das schon 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 gesagt haben – oder doch nicht?
Ein schwieriges 2017
Das Witzige daran ist, gerade *weil* es 2017 so viele gute Gründe gab skeptisch zu sein, war es ein schwieriges Jahr für institutionelle Anleger und ganz viele dürften der Marktperformance in ihren Fonds hinterherhinken. Das ist nicht verwunderlich, denn man konnte als rationaler Anleger 2017 einfach nicht das ganze Jahr das anlagetechnische Gaspedal durchdrücken, das wäre unverantwortlich gewesen. Und da nie eine einzige echte Korrektur kam, waren alle Absicherungen und Cash-Bestände letztlich verlorene Performance. Falsch war es deswegen aber nicht, manchmal etwas mehr auf Sicherheit zu spielen, hinterher ist man halt klüger und Vorsicht bleibt trotzdem die Mutter der Porzellankiste.
Was man aber als rationaler Anleger konnte, war 2017 das ganze Jahr mal mehr, mal weniger dabei zu bleiben und den Schalmeien-Klängen der Crash-Propheten zu widerstehen. Denn zu keinem Zeitpunkt 2017 war eine Topbildung an den Märkten ernsthaft zu sehen, und dass eine Topbildung Zeit braucht und sich ankündigt, habe ich länglich in Wie eine Topbildung aussieht dargestellt. Dazu muss man aber den Sinn der Markttechnik verstehen, die gar nichts damit zu tun hat, die Zukunft vorher zu sagen, aber viel mehr damit, den aktuellen Marktzustand objektiv zu dokumentieren. Dass zu viele einfach ein paar bunte Linien ziehen, ohne den Hintergrund zu begreifen, ist nicht das Problem der Markttechnik. Wenn der Taschenrechner mit polnischer Notation falsch eingesetzt wird, ist es auch nicht das Problem des Taschenrechners.
Wer aber, statt das zu akzeptieren, was einen im Hier und Jetzt an Signalen anleuchtet, lieber alles besser als der Rest der Marktteilnehmer wissen will, nun gut, der war halt nicht dabei. Der kann sich dafür aber immer ganz toll und weise fühlen, als Mitglied einer wissenden Minderheit sozusagen – „wenn´s denn schee macht“ ist das ja auch OK. Zu keinem Zeitpunkt 2017 war der Aufwärtstrend ernsthaft in Gefahr, ein Indikator den ich im Premium-Bereich von Mr-Market wöchentlich mitführe, hat das auch wunderbar dokumentiert und insofern war es logisch, das ganze Jahr dabei zu bleiben, mal mehr mal weniger, nur Vollgas eben, das war rational nicht immer zu rechtfertigen.
Prognosen für 2018
Womit wir zu 2018 kommen und wie es da weitergeht. Wer immer noch glaubt, dass man dem Markt sinnvoll mit Herumraten, Weissagungen und „Prognosiritis“ begegnet, der wird sich nun interessiert die 2018 Prognosen der diversen Institute anschauen, die uns ja jedes Jahr wie der böse Pfennig erreichen. Wer aber schon etwas klüger geworden ist, erinnert sich an die Prognosen 2017, in denen keine einzige auch nur näherungsweise das starke Jahr 2017 ernsthaft antizipiert hat. Stattdessen wurde wie immer einfach das Vorjahr linear fortgeschrieben, ganz großes Kino im Herdenverhalten, wozu man sich solche Abteilungen hält, muss mir mal bei Gelegenheit jemand erklären.
Das wird die Prognostiker aber nicht davon abhalten, dieses Jahr wieder mit gewichtigem Gesicht das Offensichtliche fortzuschreiben, und es wird viele Anleger wieder nicht davon abhalten, das ernst zu nehmen – Kontrollillusion ist doch etwas Schönes. Wenn Sie dagegen für kommendes Jahr sicherer sein wollen, lassen Sie das mit den Prognosen gleich ganz sein und machen Sie es wie wir bei Mr-Market, schauen Sie wie beim Bergsteigen auf die Füße. Irgendwann kommt man dann schon am Gipfel an, wenn man bei jedem Schritt aufgepasst hat, nicht in den Abgrund zu stürzen. Hans-Guck-In-Die-Luft mit den großen Prognosen ist da schon eher absturzgefährdet.
Meine Prognose für 2018 ist also mal wieder: ich weiß es nicht, ich kenne die Zukunft nicht. Zu viele Parameter sind im Raum, zu viele Dinge können passieren, als dass man das ernsthaft vorhersehen kann. Auch das ist bei mir wie jedes Jahr gleich, ich bin nicht im Geschäft der „Prognosiritis“, ich bin im Geschäft des Geldverdienens an den Märkten und dafür braucht man Demut und die Bereitschaft, dem Markt zu folgen, statt ihm vorschreiben zu wollen, was er tun soll. ich habe aber ein Bild zu Wahrscheinlichkeiten, denn seriöser Umgang mit dem Markt ist immer nur ein Spiel mit Möglichkeiten, Szenarien und Wahrscheinlichkeiten, ein intelligentes Jonglieren mit den verschiedenen Facetten der Wirklichkeit.
Ein Vergleich mit 1995
Bevor ich aber zu den Wahrscheinlichkeiten komme, will ich Ihren Horizont für die Möglichkeiten erweitern. Denn wissen Sie, welches Jahr dem Börsenjahr 2017 am Nächsten kommt? Es ist 1995, das letzte Jahr, das auch völlig ohne 5% Korrektur in den US Indizes abgelaufen ist. Und nun schauen wir mal, was um das Jahr 1995 herum passiert ist, klicken Sie auf das Chart und schauen Sie genau hin:
Sie sehen, dass auf 1995 ein erneut positives 1996 folgte, in dem es aber eine schärfere Korrektur gab. Und weiter ging es hoch, der Markt wurde mit jedem Jahr volatiler, aber selbst der LTCM Crash 1998 wurde schnell verdaut und erst 2000 – fünf Jahre nach dem beständig starken 1995 – erreichte der Markt dann sein echtes Hoch.
Und natürlich weiß ich auch, dass wir 2017 und nicht 1995 haben und der Markt aktuell aus ganz anderen Gründen da ist, wo er ist, als 1995 und dass wir auch ganz andere Risiken haben. Dieses Chart sagt Ihnen aber klipp und klar, dass nur weil 2017 sehr stark war, 2018 nicht schwach sein muss, ich hoffe das ist angekommen!
Wahrscheinlichkeiten für 2018
Damit kommen wir zu Wahrscheinlichkeiten für die Aktienmärkte 2018, so wie ich sie sehe. Machen wir das mal als Frage und Antwort Spiel:
F: Wird der Markt Anfang 2018 ebenso einknicken wie 2016?
A: Möglich, durchaus denkbar, aus Marktsicht Stand 18.12. aber nur mäßig wahrscheinlich, weil bis jetzt eher wenige Schwächezeichen wie im Dezember 2015 sichtbar sind. Allgemeine Warnzeichen gibt es schon das ganze Jahr 2017, die sind aber keine kurzfristigen Timing-Indikatoren.
F: Wird 2018 ebenso ruhig hochlaufen wie 2017?
A: Sehr unwahrscheinlich, eine 10-20% Korrektur dürfte wie 1996 irgendwann ablaufen. Und da die Anleger das nicht mehr gewohnt sind, wird es sich wie der Weltuntergang anfühlen.
F: Bekommen wir 2018 eine konjunkturelle Delle?
A: Recht wahrscheinlich, die Wirtschaftsdaten der Weltwirtschaft sind aktuell zu sehr im positiven Gleichklang, die Zyklizität der Konjunktur wird hier für eine Delle sorgen. Die ist dann vielleicht Anlass für die oben genannte 10-20% Korrektur.
F: Wird 2018 im Saldo ein positives Börsenjahr?
A: Im Saldo wahrscheinlicher als das Gegenteil. Stärke gebiert eben Stärke und auch eine 10-20% Korrektur ändert an den grundlegend für Aktien positiven Parametern und Treibern nichts.
F: Wird 2018 ein geopolitischer Konflikt die Märkte aus der Bahn werfen?
A: Kann sein, kann nicht sein, ich habe keine Glaskugel. Sicher ist das möglich, aber das ist wie der Himmel, der den Galliern in Asterix auf den Kopf fallen kann. Wenn wir unser Handeln von so Restrisiken abhängig machen, dürften wir gar nicht mehr aus dem Bett aufstehen.
F: Wird 2018 die EZB die Richtung ändern und damit dem Markt einen Stoß geben?
A: Wer ernsthaft glaubt, dass Mario Draghi vor seinem Abgang 2019 noch die Richtung ändert und den Zins wiederkehren lässt, hebt bitte seine Hand – ich glaube eher nicht daran, aber es geschehen ja noch Zeichen und Wunder.
F: Was wird den Markt denn zum Einknicken bringen und wann?
A: Nicht das, wovor sich alle fürchten und nicht dann, wenn sich alle fürchten. Dafür sorgt die Reflexivität.
Mal ganz konkret
Man kann den Markt aber auch ganz konkret darstellen. Ich habe schon vor ein paar Wochen mal die großen US Telekom-Riesen wie AT&T (T) und Verizon (VZ) erwähnt. Die sind in einem Sektor, der typischerweise am Ende des Konjunkturzyklus steigt. Diese sind deutliche Profiteure der US Steuerreform. Wir bekommen diese aktuell für ein 2018er KGV von 13 und eine Dividendenrendite von um die 5%. Und als Sahnehäubchen baut sich vielleicht 2018 ein kleiner 5G-Hype auf, von dem die Konzerne profitieren, obwohl sie mittelfristig davon vor allem viele Kosten haben werden. Sicher werden diese trägen Konzerne 2018 keine kurstechnischen Wunder generieren, aber darum geht es hier ja auch nicht.
Und nun frage ich Sie: Zeigen Sie mir aktuell eine andere Anlageform, in der Sie ca. 5% Rendite mit so einem Chance/Risiko-Profil bekommen, ohne ihr Kapital dauerhaft zu binden. Wenn Sie keine finden, dann wissen Sie, warum Aktien auch 2018 weiter gut unterstützt sind und der anlagetechnische Weltuntergang vielleicht noch etwas warten muss.
So, das ist also meine persönliche Vorschau auf 2018. Mit einem DAX-Stand zum Ende 2018 kann ich nicht dienen, das überlasse ich denen mit Glaskugel, ich habe so etwas nicht.
Ich garantiere Ihnen aber, dass es wieder spannend wird, wir wieder Überraschungen erleben werden und es auch wieder profitabel wird für die, die dem Markt nicht ihre Meinung aufzwingen wollen, sondern die Demut haben ihm zu folgen. Denn irgendwo ist immer ein Bullenmarkt, man muss ihn als Anleger nur finden.
Nun wünsche ich Ihnen ein paar schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2018. Wenn Sie Lust haben, schauen Sie dann doch mal auf Mr- Market vorbei, zumal es zum Jahreswechsel die erste Gebührenerhöhung seit 5 Jahren gibt, bis zum Jahresende bleiben die Preise aber noch unverändert.
Meine nächste Kolumne hier auf TE folgt voraussichtlich in der 3. KW 2018, also in einem Monat. Machen Sie es gut!
Ihr Michael Schulte (Hari)