Energie, so führt das Bundeswirtschaftsministerium in seinem aktuellen „Grünbuch Energieeffizienz“ aus, sei zentraler Produktions- und Mobilitätsfaktor und Grundvoraussetzung für das Funktionieren unseres Alltags. Dies werde auch in Zukunft so bleiben. Wahre Worte, denen man kluge Taten folgen lassen könnte. Wer aber angesichts dieser Prämisse seitens unserer Regierung die Gestaltung von Rahmenbedingungen zur Steigerung der Versorgungssicherheit bei gleichzeitig sinkenden Preisen erwartet, wird bitter enttäuscht. Denn nichts hat der Wirtschaftsminister weniger im Sinn, als mehr Wohlstand zu schaffen. Vielmehr geht es ihm laut Grünbuch darum ein hohes Wohlfahrtsniveau zu erhalten. Wohlfahrt statt Wohlstand erscheint im Lichte des Papiers als ein durchaus sinnvoller Begriffstausch. Steht „Wohlfahrt“doch im alltäglichen Sprachgebrauch für staatliche Transferleistungen zur Sicherung von Grundbedürfnissen. Und wenn die im Grünbuch ausgebreiteten Ideen zur Umsetzung gelangen, werden viele Bürger in Zukunft ihr Grundbedürfnis nach Energie aus eigener Kraft nicht mehr stillen können.
Ein neues Leitprinzip namens Efficiency First ruft Gabriel als künftige Prämisse seiner Energiepolitik aus. Denn eine Energieeinheit, die eingespart werden könne, müsse nicht erzeugt, gespeichert und transportiert werden. Dadurch sänken die Energiekosten, was wiederum mehr Wertschöpfung und mehr Investitionen in Deutschland induziere. Letzteres stimmt aber nur dann, wenn die gesparten Mittel wieder in den Konsum fließen. Wer weniger Geld für das Heizen ausgibt, hat mehr für häufigere oder längere Reisen übrig. Durch effizientere Flugzeuge sinken die Ticketpreise und mehr Menschen können öfter fliegen. Wenn Kühlschrank, Waschmaschine und Trockner weniger Strom fressen, sind noch ein paar zusätzliche Verbraucher drin, ein größerer Fernseher beispielsweise oder ein leistungsstärkerer Computer. Und wenn Autos weniger verbrauchen, können mehr Nutzer eines unterhalten und längere Strecken mit ihm zurücklegen.
Es sind diese Rückkopplungen, neudeutsch auch Rebound-Effekte genannt, die den Kauf effizienterer Geräte rechtfertigen. Hersteller wiederum werden nur in eine energetische Optimierung ihrer Produkte investieren, wenn sie aufgrund dieses Effektes ein ausreichend großes Kundeninteresse erwarten können. Der Rebound ist nicht nur eine Folge steigender Effizienz, sondern auch ihre Ursache. Aber zu absoluten Verbrauchsminderungen führt dieser Zusammenhang nicht.
Genau deswegen dient Efficiency First nicht der Befeuerung von mehr Innovationen und mehr Investitionen in diesem Kreislauf, der eine Quelle unseres Wohlstands darstellt. Denn das oberste Ziel Sigmar Gabriels sind Einsparungen in allen Sektoren der Wirtschaft über alle Bedarfsfelder hinweg. Um dies zu erreichen gilt es vor allem, den Rebound zu verhindern. Hierzu setzt man beim Verbraucher an. Aus einer planerischen Perspektive, so heißt es entsprechend im Grünbuch, sollen Dimensionierung und Ausgestaltung des Systems vorrangig von der Nachfrageseite bestimmt werden.
Eine zielführende Idee besteht darin, den Verbraucher durch höhere Energiekosten zum Sparen zu zwingen. Flexible Abgaben werden vorgeschlagen, damit der Kunde weder von sinkenden Preisen für Energieträger, noch von effizienteren Produkten profitiert. Ganz gleich, was beispielsweise die Mineralölkonzerne unternehmen, eine atmende Steuer sorgt für einen gleichbleibend hohen Benzinpreis an der Zapfsäule. Reagieren die Automobilhersteller mit effizienteren Fahrzeugen, erhöht man die Steuer einfach weiter. Denn nur, wenn für viele Bürger die Nutzung eines PKW unerschwinglich wird, kann die gewünschte Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs gelingen. Zur Not hilft eine Preissteuerung über bestimmte Mautmodelle, also horrende Straßennutzungsgebühren.
Man falle auch nicht auf die im Grünbuch angesprochene Sektorkopplung herein, die nichts anderes als die Darstellung aller Endenergie durch Elektrizität, also in Bezug auf Kraftfahrzeuge die Elektromobilität meint. Denn Strom wird bei weiterer Fortführung der Energiewende zu einem kostbaren und knappen Gut, wie die Verfasser des Pamphlets in überraschender Offenheit zugeben. Biomasse, so räumen sie außerdem ein, sei zwar universell einsetzbar (kein Wunder, handelt es sich doch um Kohlenwasserstoffe), aber ebenfalls knapp.
Sollten die preisgestaltenden Instrumente nicht ausreichen, hält das Grünbuch weitere Empfehlungen bereit. Etwa ordnungsrechtliche Vorschriften auf nationaler oder EU-rechtlicher Grundlage, die Ge- und Verbote beinhalten. Aber Achtung: Wichtige Voraussetzung für die Effektivität ordnungsrechtlicher Instrumente ist die Sicherstellung ihres Vollzugs. Intelligente Stromzähler, mit denen Behörden den heimischen Verbrauch kontrollieren können, helfen bei der Sicherstellung des Vollzugs natürlich ungemein, denn auf der Grundlage automatisierter Verbrauchserfassungen können individuelle Einsparpotentiale erkannt und quantifiziert werden. Über all dies geht die Idee der Mengensteuerung noch hinaus. Ein System von handelbaren Energiesparquoten soll zielgenau auch den Endenergie-Verbrauch absolut begrenzen, der nicht bereits dem europäischen Emissionshandel unterliegt.
Das Grünbuch Energieeffizienz beschreibt unter den drei Überschriften Mengensteuerung, Ordnungsrecht und Preissteuerung genau nicht den Weg zu mehr Energieeffizienz, sondern vielmehr den Eintritt in die vollendete Planwirtschaft im Energiebereich, in der der Staat bestimmt, welche Energieträger in welcher Menge zu welchen Preis und zu welchen Zwecken gehandelt werden dürfen. Der zentrale Produktions- und Mobilitätsfaktor und die Grundvoraussetzung für das Funktionieren unseres Alltags würde, sollten die Vorschläge aus dem Hause Gabriel Realität werden, vollständig von Behörden kontrolliert und reguliert werden. Und zwar in der Absicht, seine Verfügbarkeit und Verwendung massiv zu begrenzen. Als Folge unterbleiben Konsum und Investitionen in Innovationen. Wertschöpfung wird verhindert und Wohlstand vernichtet statt geschaffen.
Auch die zweite grüne Partei in der Regierung hat sich jüngst in klarer Formulierung diesem Ziel angeschlossen. Das Vorgehen gegen den Rebound-Effekt soll nach dem Willen des unionsgeführten Forschungsministeriums wissenschaftlich unterlegt werden. Eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung, so heißt es in der Bekanntmachung einer entsprechenden Förderlinie, bestünde darin, den Ressourcenverbrauch (inklusive Energie) zu beschränken. Man erwartet Empfehlungen für Maßnahmen zur Eindämmung von Rebound-Effekten, die politischen Entscheidungsträgern Instrumente zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele an die Hand geben. Wobei die zur Untersuchung vorgeschlagenen Ansätze vor allem die Erziehung des Verbrauchers zu Verhaltensänderungen und die Verhinderung von Innovationen betreffen. Das Grünbuch des Wirtschaftsministeriums wird mit solchen Studien passend ergänzt und unterfüttert.
Diese politischen Strategien, die Deutschland in die Energiearmut führen, sind vor dem Hintergrund der Energiewende notwendig. Jahrelang haben viele Politiker, Interessengruppen und Medien der Öffentlichkeit vorgegaukelt, es ginge lediglich darum, uns in ein Schlaraffenland sauberer in beliebigen Mengen zu geringen Kosten verfügbarer Energie aus Wind, Sonne und Energiepflanzen zu führen.
Tatsächlich haben diese Alternativen aufgrund der geographischen Bedingungen hierzulande schlicht nicht das Potential, unseren gegenwärtigen Energiebedarf auch nur annähernd zu erfüllen. Dies wurde entweder verschwiegen oder nicht begriffen. Nun ist es amtlich bestätigt: Windräder, Solarzellen und Faulgasreaktoren bringen es nicht. Deswegen war die zentrale Idee hinter der Energiewende von Anfang an, unseren Primärenergiebedarf um die Hälfte zu reduzieren. Was wiederum nur mittels umfassender Regulierungen erzwungen werden kann. Es gibt keine andere Möglichkeit, die Energiewende umzusetzen, als die, die das Wirtschaftsministerium in seinem Grünbuch skizziert. Von daher agiert die Bundesregierung in dieser Thematik konsequent und folgerichtig. Sie wird diesen Weg weiter beschreiten, solange eine Mehrheit der Bevölkerung die Energiewende begrüßt. Angesichts der unzureichenden Tiefe der medialen Berichterstattung und angesichts der mangelnden Kampfbereitschaft der Wirtschaft ist in dieser Hinsicht auch keine Änderung zu erwarten.