Tichys Einblick
KLIMAWANDEL

Unwissenschaftliche Klimapolitik

Es ist nicht verboten, die Klimaforschung politisch zu instrumentalisieren. Aber die Behauptung, Aktionismus und Aktivismus wären wissenschaftlich begründet, ist unhaltbar. Ob vom Menschen gemacht oder nicht – man sollte den Klimawandel akzeptieren und sich vor den Folgen schützen

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Klimaschutzpolitik und Wissenschaft stehen auf Kriegsfuß. Wer die auf Tausenden von Seiten vorgenommenen Zusammenfassungen und Analysen der verfügbaren Forschungsergebnisse – die sogenannten „Sachstandsberichte“ des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen – mit dem ideologisch unvoreingenommenen Blick des Naturwissenschaftlers durchforstet, ist jedenfalls enttäuscht.

Gemäß der vorliegenden Daten haben sich die bodennahen Luftschichten in
den vergangenen 150 Jahren im globalen Mittel um etwa ein Grad erwärmt – was nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnis ohne die Wirkung anthropogener Treibhausgasemissionen nicht erklärbar ist. Schon die Einschränkungen „vorliegend“ und „gegenwärtig“ sind wesentlich zur Einordnung dieser Aussage als vorläufig. Schließlich liegt das Motiv jeder Forschung darin, sowohl etablierte Ansichten zu stärken als auch als falsch zu entlarven. Neue Daten oder das Auffinden bislang unbekannter Zusammenhänge vermögen den Stand der Erkenntnis entscheidend zu verändern.

Politische Konzepte, die sich auf Wissenschaft berufen, sind daher immer
Provisorien und müssen flexibel angelegt sein, um sich dem Gang des Fortschritts anpassen zu können. Bei der aktuell verfolgten Klimaschutzpolitik ist dies allerdings nicht der Fall. Stattdessen steckt in dem häufig geäußerten „Science is settled“ (die Forschung ist abgeschlossen) implizit sogar der Wunsch, die Forschung als potenzielle Quelle alternativer Interpretationsoptionen anzuhalten und einzufrieren.

Immerhin tauchen Begriffe wie „Klimakatastrophe“ oder „Klimakrise“ auf. Gleichwohl zeigt die Forderung nach Emissionsreduzierungen den Unwillen, zwischen Fakten und Fiktionen sauber zu trennen. Denn die Methodik, mit der denkbare Zukunftsbilder gezeichnet werden, verleitet schnell zu kontraproduktiven, wenn nicht gar gefährlichen Schlussfolgerungen. Dazu trägt auch die ständige Gleichsetzung von „Szenario“ und „Prognose“ in Politik und Medien bei. Sie ist gänzlich unwissenschaftlich.

Die zukünftige Entwicklung komplexer, rückgekoppelter, von zahlreichen inneren und äußeren Faktoren beeinflusster Systeme ist nicht vorhersehbar. Allein schon, weil man niemals die Anfangsbedingungen in ausreichendem Umfang und mit ausreichender Güte kennen kann, um einen Ist-Zustand in einer Genauigkeit zu definieren, die es wenigstens gestattet, bestimmte Tendenzen auszuschließen. Da hilft auch kein noch so mächtiger Computer, dessen diskrete Arbeitsweise zudem immer Parametrisierungen, also Abschätzungen, von Vorgängen erfordert, die sich auf Skalen unterhalb der rechentechnisch möglichen Auflösung abspielen.
Manche solcher Prozesse, beispielsweise den so wichtigen Vorgang der Wolkenbildung, hat man ohnehin noch gar nicht wirklich gut verstanden. Klimamodelle sind geeignete Werkzeuge für Laborexperimente. Sie unterstützen die Entschlüsselung von Zusammenhängen. Sie gestatten es, die Reaktion eines virtuell konstruierten Klimasystems auf die Variation von Faktoren und Zusammenhängen zu beobachten und diese mit der Realität zu vergleichen, um neue Hypothesen zu formulieren und zu prüfen. Klimamodelle sind aber keine Glaskugeln, die einen Blick in die Zukunft erlauben. Wer Gegenteiliges behauptet, verlässt den Boden der Wissenschaft und darf sich Astrologe schimpfen.

Mojib Latif, der Bauer und die Hitze

Seriöse Klimaforscher erstellen deshalb keine Prognosen, sondern Szenarien. Und der Unterschied zwischen beiden ist von erheblicher Relevanz für die Ableitung sinnvoller politischer Maßnahmen. Wo die Prognose sagt, es wird so kommen, entwirft das Szenario eine mögliche Zukunft, ohne Aussagen über deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu treffen. Für Klimaszenarien gilt, wenn sie wissenschaftlich korrekt aufgebaut werden, lediglich eine innere und äußere Widerspruchsfreiheit.

Widerspruchsfreiheit heißt, dass die einem Modell zugrunde liegenden Annahmen über Zusammenhänge im Klimasystem miteinander verträglich sind und die kalkulierten Resultate nicht den Gesetzen der Physik widersprechen. Klimaszenarien zeigen viele grundsätzlich denkbare Zukünfte, ob aber überhaupt eine von diesen eintreten wird, vermag niemand zu sagen.

Solche Szenarien liefern Schätzwerte für Klimadaten, also für langjährige Mittelwerte von beispielsweise Temperaturen oder Niederschlägen in den betrachteten Regionen. Konkrete Wettervorhersagen oder gar Quantifizierungen für bestimmte Wetterereignisse können sie nicht bereitstellen. Was es also für einen bestimmten Ort tatsächlich bedeutet, wenn dort in Zukunft die über mehrere Jahre gemittelte Temperatur steigt, bleibt reine Spekulation. Grenzen wie 1,5 oder zwei Grad im weltweiten Durchschnitt sind ohnehin völlig willkürlich gesetzt. Sie dienen lediglich einer vereinfachten politischen Kommunikation, entbehren aber jeder wissenschaftlichen Begründung.

Das IPCC verbirgt den fiktiven Charakter klimawissenschaftlicher Szenarien hinter einer sprachlichen Struktur abgestufter Behelfseinschätzungen. Diese entstehen aus der Kombination von Begriffen wie „wahrscheinlich“ („likely“) mit „Vertrauen“ („confidence“) in Abstufungen wie „niedrig“, „mittel“ und „hoch“. Welche politische Relevanz aber kommt einer Entwicklung zu, die die Autoren der Sachstandsberichte als „sehr wahrscheinlich“ einschätzen, sich aber nicht einig sind, ob sie wirklich ein Risiko darstellt („medium confidence“)? Offensichtlich keine.

Was fängt man nun damit an, wenn man sich als Journalist dem Klimaschutz verschrieben hat? Man wischt natürlich alle Unsicherheiten beiseite und schreibt, das IPCC prognostiziere das Ende der Welt. Darf man das so machen? Dieses Vorgehen hat zwar nichts mit Wissenschaft zu tun, ist aber von der Meinungsfreiheit gedeckt. Der methodisch zwingend erforderliche Konjunktiv verschwindet auf dem langen Weg, der vom IPCC-Bericht über dessen Zusammenfassung, offizielle Pressemitteilungen schließlich in die mediale Berichterstattung und auf die politische Agenda führt.

Klimapolitik gefählicher als -wandel

Wäre es nicht eine verantwortliche Politik, potenziellen Risiken unabhängig von deren Eintrittswahrscheinlichkeit vorausschauend zu begegnen, sofern sie nur mit ausreichend hohen Gefährdungen einhergehen? Dies zu tun erfordert allerdings eine genaue Betrachtung der Mechanismen, durch die Klimarisiken überhaupt erst entstehen. Andernfalls würde man möglicherweise falsche Schlüsse ziehen und unzureichende oder gar selbst höchst riskante Maßnahmen ergreifen. Bei der gegenwärtigen Klimapolitik ist leider genau dies eingetreten: Sie ist gefährlicher, als es ein Klimawandel je sein könnte.

Um diese These zu verstehen, genügt ein einfaches Gedankenexperiment. Man gehe von einer Erwärmung von vier oder fünf Grad im weltweiten Durchschnitt bis zum Ende des Jahrhunderts aus, die mit einer spürbaren Zunahme von Extremwetterlagen einherginge, mit mehr und längeren Dürren ebenso wie mit kurzen Phasen überaus heftiger Niederschläge. Man stelle sich Monsterstürme vor, die Schneisen der Zerstörung durch Siedlungen und Städte schlügen. Man denke an Überschwemmungen und an einen Meeresspiegelanstieg, der nicht nur pazifische Atolle, sondern auch dicht besiedelte Küstenregionen in Asien, Europa und Nordamerika beträfe, schmelzende Gletscher, ständige Hitzewellen selbst in den gemäßigten Breiten und das Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten aufgrund des Verlusts von Lebensräumen. Nur in einem Aspekt folge man den hysterischen Dystopien nicht.

Angenommen, die Wissenschaft hätte zwar all dies und mehr berechnet, aufgeschrieben und kommuniziert, aber als Schuldigen nicht etwa den Menschen ausgemacht, sondern die Natur selbst. Wie würden wir dann handeln? Tatsächlich ist es exakt diese Frage, mit der die Klimaforschung uns konfrontiert.
Denn für sich allein genommen führt der anthropogene Ausstoß von Treibhausgasen nicht zu einer nennenswerten Erderwärmung. Um gerade einmal ein Grad würde die Temperatur der bodennahen Luftschichten im globalen Mittel steigen, wenn sich der Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre verdoppelt und sich sonst nichts ändert. Darüber herrscht Einigkeit zwischen Alarmisten und Skeptikern.

Die von Ersteren als katastrophal angesehene zusätzliche Erwärmung zeigen die Klimaszenarien nur mit der Unterstützung hypothetischer Rückkoppelungen, die, durch den kleinen Kohlendioxideffekt angestoßen, das irdische Klima unaufhaltsam in einen neuen, heißeren Zustand treiben.

Alle diese Verstärkungsmechanismen, ob zunehmende atmosphärische Wasserdampfkonzentration durch Verdunstung, eine Abschwächung der Rückstrahlung durch schrumpfende polare Eisflächen oder die Freisetzung von Methan aus tauenden Permafrostböden, sind völlig natürliche Vorgänge, die auch in Gang gesetzt würden, käme der erste Schubs von anderer Seite. Von einer Kette von Vulkanausbrüchen beispielsweise, die sehr viel Kohlendioxid in sehr kurzer Zeit freisetzen. Oder von einer kleinen Änderung der Intensität der solaren Einstrahlung, die direkt wie indirekt (über die Wolkenbildung) einen enormen Einfluss ausüben kann.

Klimaänderungen ohne Menschen

Über heftige klimatische Veränderungen in wenigen Jahrzehnten, die ohne jede menschliche Einwirkung stattfanden, berichten jedenfalls die in Eisbohrkernen, Sedimenten, fossilen Pollen oder anderen geologischen Relikten verfügbaren Klimaarchive. Der Natur ist schon lange möglich, wovon wir heute glauben, es sei menschengemacht.

Man male sich also aus, wie Kommissionen zusammengestellt werden, auf internationalen, nationalen und regionalen Ebenen. Wie Massenmedien die Aufregung in die breite Bevölkerung tragen und dadurch die Gründung von allerlei Initiativen initiieren. Wie politische Gruppierungen aller Farben die
Angelegenheit behandeln. Wie Regierungen und Parlamente neue Gesetze diskutieren und verabschieden. Angesichts eines Klimawandels mit potenziell katastrophalen Auswirkungen, den nicht die Menschheit verursacht.
Würde man unter diesen Umständen krampfhaft versuchen, Emissionen zu vermindern? Würde man planwirtschaftlich zu erzwingende Energie-, Verkehrs-, Wärme- und Agrarwenden aufrufen? Würde man Sektierern Aufmerksamkeit schenken, die Autos und Flugreisen ebenso verteufeln wie Steaks und Schnitzel? Wohl kaum.

Man würde stattdessen Forscher und Ingenieure technologieoffen mit der Suche nach Lösungen beauftragen. Und die Kraftwerke und Maschinen anwerfen, um Infrastrukturen abzusichern.

Man würde eine robuste und verlässliche Stromversorgung aufbauen, statt sich mit Photovoltaik und Windenergie ausgerechnet der Willkür des Wetters auszuliefern. Man würde die Küsten schützen, durch Deiche und verstärkte Anstrengungen, dem Meer Land abzuringen. Man würde neuen Technologien für die Landwirtschaft den Weg freimachen, von fortgeschrittenen Bewässerungs- und Bearbeitungsverfahren bis hin zur gentechnisch unterstützten Züchtung dürreresistenter Arten. Man würde am Ende gar untersuchen, welche Vorteile denn ein Klimawandel mit sich brächte, auf dass wir diese auch zu nutzen lernten.

Man würde eine solche Erwärmung hinnehmen – es bliebe ja auch nichts anderes übrig – und warme Tage in den dann schon lange rekultivierten ehemaligen Braunkohletagebauen einfach nur genießen. Weil eine konsequent auf Wachstum und Wertschöpfung ausgerichtete Politik den Wohlstand schafft, den es braucht, um den erwarteten Stürmen zu trotzen. Man würde schlicht die Zivilisation vor dem Klima schützen – und nicht andersherum.

Man unternähme also in nahezu jeder Hinsicht das genaue Gegenteil der heute geforderten Maßnahmen. Warum aber sollte die geeignete Reaktion auf einen natürlichen Klimawandel nicht auch für einen menschgemachten sinnvoll sein? Zumal 30 Jahre einer in verfehlter Weise auf die Minimierung konstruierter Risiken fokussierten Klimapolitik nichts bewirkt haben. Außer stetig steigenden Emissionen und der nutzlosen Alimentierung ganzer Horden eigentlich kluger Menschen, die ihre Zeit unproduktiv in überflüssigen Gremien mit der Erzeugung von Bergen nutzloser Papiere verschwenden.

Dekarbonisierung keine Alternative

Ein natürlicher Klimawandel wäre unvermeidbar, weil dessen Treiber nicht menschlicher Kontrolle unterstehen. Für einen menschengemachten gilt das Unvermeidliche aber ebenso; denn der Preis der zur Verhinderung des Klimawandels erforderlichen umfassenden Dekarbonisierung wäre nicht zu bezahlen. In einer Welt, die ihren wachsenden Energiehunger zu mehr als 80 Prozent aus fossilen Quellen deckt, kann man Kohle, Öl und Gas nicht schnell genug ersetzen, ohne weitgehend auf die Segnungen der Moderne zu verzichten. Am Ende fänden „klimafreundliche“ Gesellschaften lediglich spirituelle Erfüllung in erzwungener Askese, stünden aber überaus verletzlich da, wenn die Natur die Erderwärmung einfach eigenständig inszenierte.

Wobei, auch das zeigt die Forschung, ein Klimawandel die Menschheit lediglich mit Risiken konfrontiert, die sie kennt: Der nächste Tornado, der nächste Hagelschlag, die nächste Flut kommen auch ohne jeden Klimawandel. Und nie zuvor war die Fähigkeit der menschlichen Zivilisation, sich vor den destruktiven Kräften der Natur zu schützen, größer als heute.

Wer trotzdem jeden Sturm, jede Trockenheit, jeden schönen Sommer zu einem Menetekel für die nahende Apokalypse erklärt, der hat sich gegen wissenschaftliches Denken immunisiert. Es ist natürlich nicht verboten, die Klimaforschung politisch zu instrumentalisieren. Aber die Behauptung, dieser Aktivismus wäre wissenschaftlich begründet, ist reine Desinformation.

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