Tichys Einblick
Grün mag CO2

Umwelt – Märchen statt Fakten

Jede Woche ein neuer Umweltskandal – doch viele fallen bei genauerer Prüfung in sich zusammen. Trotzdem bestimmen sie Politik und Wirtschaft. Gut gemeint ist nicht gut gemacht!

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Lasst das arme Molekül in Ruhe! CO2 ist der wichtigste Rohstoff für alle Pflanzen auf der Welt. Ohne CO2 keine Pflanze, kein Baum, kein Strauch. Die grünen Blätter bauen daraus Stamm, Äste, Zweige, Blätter. Für uns fällt Sauerstoff ab.

Märchen 1 – CO2 muss weg!

Je mehr CO2, desto besser, weiß jeder Gärtner, der Kohlendioxid in sein Treibhaus bläst, damit seine Pflanzen besser gedeihen. Und, nein, CO2 erhöht auch nicht die Temperatur der Erde.

Märchen 2 – Emissionsfrei fahren

Märchenerzähler der Stadtwerke Wiesbaden wollen Vorreiter sein und viel Geld für „völlig emissionsfreien Verkehr“ ausgeben. 220 neue Elektrobusse sollen gekauft werden. Wir müssen uns Sorgen machen, wenn solche Leute an der Spitze unser Geld für Märchen verpulvern. Viele Städte wollen ja als Vorreiter ruhmreich sein; doch kommen dort die Fahrgäste oft nicht weiter, weil die teuren Elektrobusse streiken. Ja, auch Elektrobusse und Elektroautos benötigen einen Antrieb. Die Energie dafür muss aus Kraftwerken kommen, in denen Kohle, Erdöl oder Gas verfeuert wird oder eine Kernspaltung stattfindet. Dabei entstehen Emissionen – nur eben am Stadtrand und nicht am Auspuff. Emissionsfrei geht nicht, gibt’s nicht. Nur im Kernkraftwerk.

Märchen 3 – Der Diesel stinkt

Das war früher so: Rußwolken aus dem Dieselauspuff. Doch das ist vorbei. Bei einem modernen Dieselmotor lässt ein Filter kein einziges Staubpartikelchen mehr raus. Ein weiterer trickreicher Filter hält Stickstoffoxide zurück; es kommen weniger heraus, als in einem Büro erlaubt sind. Zum Trost: Das bisschen Stickstoffdioxid aus dem Automotor ist am Ende eines jeden Tages wieder abgebaut. Wie bei jeder Verbrennung in Ofen und Zentralhei­zung entsteht allerdings CO2. Wer sich daran stört, muss zu Hause bleiben und frieren. Ansonsten gilt Märchen 1.

Märchen 4 – Der Wind reicht

Utopien der „nur keinen Fußabdruck hinterlassen Wollenden“: Allein Sonne und Wind liefern künftig die Energie, schicken keine Rechnung, und kon­ventionelle Kraftwerke schalten wir ab. Das grüne Paradies kann erblühen.
Die Natur ist dem Menschen wieder hold und bestraft ihn nicht mit Klimaerwärmung, Erdbeben und Vulkan­ausbrüchen.

Landwirtschaft ohne Land
Vom Landwirt zum Landschaftsarchitekten?
Vergebliche Ergebnisse bisher: Wind­räder und Fotozellen zehntausend­fach die Landschaft verschandelnd, Vögel mordend, liefern ein Viertel der deutschen Stromproduktion. Im Durchschnitt. An manchen Tagen aber fast nichts, an anderen Tagen viel. Wer dennoch immer Strom haben will, benötigt konventionelle Kohle­ oder Kernkraftwerke. Zwei Kraftwerkparks nebeneinander – das kostet. Sonne und Wind allein reichen nur für ein Leben von vorvorgestern. Diesem Märchen sollten wir besser nicht folgen.
Märchen 5 – Deutschland exportiert Strom

Nein, Deutschland ist kein Strom­exporteur. Es wird nur überflüssiger Strom abgegeben, wenn Wind und Sonne zu viel produzieren, ihn jedoch niemand braucht. Oft müssen wir noch einige Millionen Euro drauf­packen, damit ihn jemand abnimmt. Export geht anders. Strom muss immer genau dann erzeugt werden, wenn er gebraucht wird.

Märchen 6 – „Ohne Chemie ist alles viel besser“

Auf jeder Party: Nein, keine böse Chemie! Chemie jedoch ist alles, von Aufbau und Eigenschaften bis zur Umwandlung von Stoffen. Deren Atome und Moleküle reagieren, verbinden sich mit anderen Molekülen oder lösen sich. Ähnlich wie Lego­-Steine. Das geschieht meist durch Anziehungs-­ oder Absto­ßungskräfte in der Elektronenhülle. Denen ist es egal, ob ideologische Wünsche Väter der Anziehung sind oder nicht. Sie gehorchen einfach den Naturgesetzen. Auch die meisten Körpervorgänge wie Atmung, Verdau­ung, Bewegung, Signalübermittlung, Fortpflanzung basieren auf Chemie. Hoffentlich stimmt die Chemie.

Märchen 7 – Feinstaub an Silvester vergiftet uns

Tibetanischen Gebetsmühlen gleich schwappen vor Silvester NGO-Phrasen übers Land: Die Feuerwerke an Silvester vergiften uns, die Feinstaubbelastung ist zu hoch. Wir schweigen höflich angesichts der spendenheischenden Parole „Brot statt Böller“!

Glyphosat
Technologie-Feindlichkeit mit Progressivität verwechseln
Natürlich steigt der Feinstaubanteil in der Luft durch explodierende Knallkörper stark. Aber schnell verteilen sich die Partikel wieder. Nur bei Nebel dauert’s etwas länger. Die Tageswerte liegen stets unter den EU- Richtwerten. Das Umweltbundesamt hat es erst beim letzten Silvesterspaß überprüft. Erst im Frühjahr steigen die Werte richtig an, wenn Milliarden von Blüten ihre Feinstäube verteilen. Die Natur hat schuld. Und nun, Grüne? Also: Knallen und böllern Sie ruhig und mit Spaß. Das haben schon die alten Chinesen gemacht. Ein prachtvolles Feuerwerk ist schließlich ein uraltes Kulturgut.

„Das Feuerwerk ist die perfekteste Form der Kunst, da sich das Bild im Moment seiner höchsten Vollendung dem Betrachter wieder entzieht.“ Wird Theodor Ludwig Wiesengrund zugeschrieben. Der ist eher als Adorno bekannt und gilt als links – gilt also.

Märchen 8 – Verpackung vermüllt

Himmel, die vielen Verpackungen! Umweltschädlich! Furchtbar! Ohne solche entschuldigenden Klagen kommt kein Zeitgenosse vollgepackt aus dem Supermarkt. Auch solche Märchen brauchen wir 2018 nicht mehr – im Interesse von Erbsen, Kartoffeln, Karotten, Butter, Zucker, Milch. Mehl muss verpackt werden, so sicher, dass Mehlmotten der Spaß nach Möglichkeit verwehrt wird. Und Wurst und Käse so, dass der Schimmel möglichst spät Gefallen daran findet. Brot so, dass sich die neueste Keimgeneration nicht in Windeseile verbreitet.

In vielen Ländern der Dritten Welt verderben 40 Prozent aller Lebensmittel, weil sie nicht oder schlecht verpackt werden. Offene Lebensmittel laden Motten, Würmer und Bakterien zum munteren Mahl ein. Fleisch, Tomaten, Weintrauben und Äpfel umhüllen und schützen Folien, die mit 0,05 Millimeter dünner als ein Haar und dennoch reißfest sind, am besten.

Wie im Märchen Milch in mitgebrachte Gefäße abfüllen? Das ist gut, wollen wir nicht zu wenig Bakterien abbekommen. Moderne Tetrapacks schützen uns vor Keimen, verlängern die Haltbarkeit der Milch, sind also die wahren umweltfreundlichen Verpackungen. Bei sehr wenig Materialeinsatz.

Surrende Suche
Hart aber fair: Kampfansage an die Bienensterbenleugner?
Zum Märchen gehört: Was ist mit der Menge an Verpackung? Seht doch nur, wie sie alles zumüllt! Es lohnt der Blick auf den Unterschied zwischen Volumen und Masse. Eine gute Verpackung soll wenig wiegen, aber viel Raum bieten. Die Kunststoffverpackung tut das vorbildlich. Sie bieten ein hohes Volumen an, die Masse jedoch ist extrem gering. Danach: Ab in die Müllverbrennungsanlage mit dem Zeug. Recyceln ist Quatsch im Quadrat. Das ist mehr oder weniger reines Erdöl, das gut brennt. Ein weiteres Märchen: Verpackung aus nachwachsenden Rohstoffen ist besser. Das gilt nur so lange, wie man Anbau, Düngung, Wasserverbrauch von Baumwolle oder Jute nicht mitrechnet. Und nicht die weggeworfenen Waren, weil Verpackungen aus diesen Materialien Lebensmittel häufig verkeimen: Der Pizzakarton aus Altpapier verseucht die Pizza.
Märchen 9 – Flugzeuge sind böse

Flugreisen. Verbieten! Sofort verbieten müsste man sie, vor allem die langen Flüge. Zu viel CO2-Ausstoß, den Untergang der Erde beflügelnd – außer, ja, außer wenn grüne Politiker, Funktionäre und Klimakonferenzteilnehmer den Luftverkehr in Anspruch nehmen. Weiter im Märchen, das wir nicht mehr hören wollen: unmöglich, dass Flüge so unverschämt billig sind. Die Plebs für einen Preis geringer als einen Kasten Bier nach Mallorca? Geht das? Im Winter Weintrauben aus Südamerika nach Europa iegen – nicht für wenige gut Betuchte, sondern für jedermann erschwinglich! Blumen aus Kenia nach Europa fliegen und den dort Beschäftigten Arbeit verschaffen? Oder wie in einen Bus einsteigen und frei und bezahlbar quer durch Europa fliegen?

Zivilisationsfeinde
In der Nullemissionswelt braucht es kein Auto
Vollkommen unmöglich, dass eine Fluggesellschaft damit Geld verdient, außer mit irgendwelchen krummen Dingern. Kaum vorstellbar, dass am Ruder einer Fluggesellschaft schlaue Menschen sitzen, die sehr gut rechnen können und mit guten Ideen einen Markt umwälzen. Und mithilfe moderner Technik: Flugzeuge mit Hightechtriebwerken, die drei bis vier Liter Treibstoff auf 100 Kilometer pro Passagier verbrauchen, weniger als ein Automobil, nach 25 Minuten am Boden wieder in der Luft sind und sicher iegen. Dazu eine Informationstechnologie, mit der ein solcher Markt erst funktioniert.

Das sind moderne Märchen, die Ingenieure schreiben, Könner, von denen wir 2018 mehr hören wollen. Das ist wahrhaft disruptiv, wie das Modewort all derer lautet, die von großen Taten schwärmen, selbst aber meist nichts auf die Reihe kriegen. Doch Ryanair, um Namen zu nennen, hat mehr für Europa getan als Tausende von Funktionären in Brüssel. Dieses Unternehmen hat es möglich gemacht, dass Menschen für sehr wenig Geld quer durch Europa fliegen, andere Menschen besuchen, Kontakte knüpfen, Freundschaften pflegen. Das finden wir demokratisch und ein schönes modernes Märchen.

Märchen 10 – Die Landwirtschaft ist gegen die Natur

Das Märchen von der bösen Land­wirtschaft wollen wir 2018 nicht mehr hören. Um 1900 produzierte ein Bauer Lebensmittel für drei Hungrige in Stadt und Land, heute für 133. Viel mehr Menschen werden satt – zu bezahlbaren Prei­sen. Wie im Märchen vom Hirsebrei: Töpfchen koch! Eine erstaunliche Steigerung der Produktivität ist das. Vor 100 Jahren brachte ein Bauer von einem Hektar Ackerfläche 18,5 Dezi­tonnen Weizen nach Hause. Heute sind es viermal so viel, 73 Dezitonnen. Ge­hen Sie über einen Hektar Ackerland, auf dem Winterweizen angebaut wird, stellen Sie sich 7.500 Brote von einem Kilo vor oder 136.000 Brötchen.

Willkür trifft Willfährigkeit
Abgasskandal durch Grenzwertwillkür?
Die Brotpreise stiegen in zwei Jahren um das 1,7­-Fache, der Weizenpreis ging um das 2,4­-Fache zurück. So funktio­niert die Marktwirtschaft. Wären die Weizenpreise seit 1950 genauso stark gestiegen wie die Inflationsrate, dann müssten die Getreidebauern 72 Euro für eine Dezitonne Weizen bekommen. Brot wäre dann heute sehr, sehr teuer. Wahrscheinlich hätten wir Hunger­aufstände. Dieser Erfolg gründet auf moderner Wissenschaft und Technologie. Böse Landwirtschaft eben. Die Wahr­heit ist: GPS-­gesteuerte Ma­schinen bringen nur so viel aus, wie der Boden verträgt, moderne Saaten werden immer aufs Neue den veränderten Bodenver­hältnissen angepasst, liefern hohe Erträge. Dass das ungesund sein soll, gehört zu den Märchen. Der beste Beleg: Wir werden immer älter. Erzählen Sie bitte keine Märchen vom guten Biobauern. Auch der muss düngen, Unkräuter und Schäd­linge bekämpfen. Nur mit wesentlich ineffektiveren Mitteln und zum Teil sogar kritischen wie Kupfer­verbindungen.
Märchen 11 – Das Geschlecht ist ein soziales Konstrukt

Auch wenn viele das anders sehen: Es gibt keine drei, vier, auch keine 60 Geschlechter. Bekannt sind bisher nur zwei Geschlechter. Seit Anbeginn des Lebens. Jedes Lebewesen hat immer noch nur ein Chromosomenpaar in den Zellen, ein drittes wurde bisher nicht gefunden. Auch wenn man noch so viel suchen mag.

Helds Ausblick 2017-16
Freiheit: Die Leistung des Automobils
Das Geschlecht ist kein soziales Konstrukt, wie manche Genderisten glauben. Es ist uraltes evolutionäres Erbe. Seit der Entstehung des Lebens gibt es eine geschlechtliche Fortpflanzung, indem zwei haploide Gameten zu einer diploiden Zygote fusionieren: Zwei Keimzellen werden zu einer neuen Zelle mit einem doppelten Chromosomensatz. Der Witz dabei ist die ungeheure Rekombination unterschiedlicher Chromosomensätze, ein genialer Trick der Natur, Voraussetzung für genetische Variation. Das, und nur das, heißt Vielfalt. Wenn jetzt Gendermärchenerzähler das Geschlecht sozial konstruieren wollen, zeugt das nur von Einfalt.

2018 heißt: Aufräumen mit diesem Märchen.

Märchen 12 – Gentechnik ist gefährlich

Wenn wir’s nicht tun, dann macht’s die Natur eben selber. Sie ist der beste Gentechniker.


Dieser Beitrag ist in Tichys Einblick Ausgabe 01/2018 erschienen >>

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