Von einem „historischen Durchbruch“ spricht Wirtschaftsminister Altmaier nach der Nachtsitzung zum Kohleausstiegsgesetz. Wie viel Historie ist von einer Regierung zu erwarten, die nicht nur terminlich fast am Ende steht und längst nicht mehr den größeren Teil der Bevölkerung vertritt? Ende Januar sollen Kohleausstiegsgesetz und Strukturwandelgesetz durch den Bundestag gehen.
Ein Gesetz, dass den Zubau der „Erneuerbaren“ und die Versorgungssicherheit regeln soll, komme „später“, sagt der Vizekanzler. Möglicherweise ein Beschluss zu konstanter Windgeschwindigkeit. Eine Regierung lässt sich von der grünen Opposition treiben, deutsche regierungsamtliche Wirtschaftskompetenz ist Abschaltkompetenz.
Was soll eingeschaltet werden? Keiner weiß es. 2017 hingen noch über 90 Gigawatt gesicherte Kraftwerksleistung am Netz, also solche, die wetter- und tageszeitunabhängig liefern kann. Bereits nach bisherigen Planungen hätte sich diese bis 2023 auf etwa 76 Gigawatt verringert. Bei einem Spitzenbedarf von etwa 80 Gigawatt bedeutete dies schon eine Unterdeckung, wenn hoher Verbrauch auf eine Dunkelflaute trifft. Bereits für 2021 könnte nach Angaben der Netzbetreiber ein Worst-Case-Szenario eintreten, bei dem mit -5,5 Gigawatt eine Versorgung aus eigener Kraft nicht mehr möglich wäre.
Die aufgesattelte Elektrifizierung von Mobilität und Wärmeversorgung, die so genannte Sektorkopplung, ist noch nicht berücksichtigt.
Statistisch bietet der Sonnenstrom null Prozent Versorgungssicherheit, die Windkraft ein (1) Prozent (onshore), beziehungsweise zwei (2) Prozent (offshore). Bisher berauschte man sich an Ausbaukorridoren der so genannten Erneuerbaren, die breit wie eine Bahnhofshalle sein können, aber eben auch ohne Inhalt, wenn nachts der Wind nicht weht. Oft ist die Rede von Stromspeichern, die es nicht gibt und von Reallaboren, die zum Beispiel in Form von Wasserstoffkraftwerken Strom liefern sollen. Die 20 vom BMWi angeschobenen Projekte der „Reallabore“ ziehen allerdings mehr als 200 Megawatt Strom als Verbraucher aus dem Netz, um in einigen Fällen dann wieder einzuspeisen, nach teurer Elektrolyse und Wiederverstromung mit miesem Wirkungsgrad und mehr verschwendeter statt gespeicherter Energie.
Ein großer Schritt sei gelungen, heißt es, auch weil viel Geld fließt. 40 Milliarden für die betroffenen Regionen, dazu 2,6 Milliarden Entschädigung für Kraftwerksbetreiber im Westen, 1,75 Milliarden für die im Osten. Einen Staatsvertrag mit den Ländern, wie ursprünglich gefordert, wird es nicht geben. Künftige Regierungen werden noch viel korrigieren müssen. Einen Prüftermin gibt es 2029 und man mutmaßt, dann schon vor 2038 aussteigen zu können. Der Gedanke, dass es auch eine Verschiebung nach hinten geben könnte, kommt nicht erst auf. Was die Geldmengen bei einem Anziehen der Inflation noch wert sein werden, weiß keiner.
40 Milliarden Euro entsprechen nicht einmal zwei Jahresraten der EEG-Umlage, es ist etwa der vierfache Steuerüberschuss des Jahres 2019. Die Zusage, erst Strukturwandel zu betreiben und alternative Arbeitsplätze zu schaffen und erst dann abzuschalten, wird trotz Zusage nicht funktionieren.
Am Rande werden noch ein paar Nebendiskussionen geführt. Der sächsische Ministerpräsident spricht über Atomkraft, was Ärger geben wird mit seinem grünen Koalitionspartner. Kurzfristig wird in der Szene Feierstimmung herrschen angesichts des Erhalts des Hambacher Forstes. 170 Hektar bleiben, vor den Toren Berlins werden 300 Hektar für Tesla eingeschlagen, 1.000 Hektar sind schon der Windkraft zum Opfer gefallen. So geht schwarz-rote Politik im Auftrag der Grünen.
Die heilige grüne Einfalt hat sich durchgesetzt mit dem Ansatz, Weltrettung sei durch Abschalten deutscher Kohlekraftwerke zu erreichen. Während Pakistan in die Braunkohle einsteigt, weltweit etwa 1.200 Kohlekraftwerke neu gebaut werden, der globale Energiebedarf bis 2040 um 25 Prozent steigen wird, sollte irgendwo im politischen Raum der Gedanke aufdämmern, dass deutscher Klimanationalismus an der globalen Temperaturentwicklung keinen Anteil haben wird.
Drei Leerformeln bilden derzeit die Grundlage politischer Entscheidungen. Neben „Wir schaffen das“ sind es „Weil wir es können“ (1) und „Wir müssen es wollen“ (2).
Glück auf!
1 Vizekanzler Scholz am 10.9.2019 im Bundestag auf die rhetorisch sich selbst gestellte Frage, warum es richtig ist, aus der Kohle auszusteigen, während tausend zusätzliche Kohlekraftwerke weltweit gebaut werden.
2 Kanzlerin Merkel zum Ergebnis der „Kohlekommission“ am 12.2.2019