Tichys Einblick
Ja es gibt noch technischen Fortschritt

Raketen-Recycling

Es sollen derzeit so viele Satelliten in den Orbit geschossen werden, dass die weltweiten Raketenkapazitäten bei weitem nicht ausreichen. In diese Lücke stößt auch Elon Musk mit seiner Raketenfirma.

The SpaceX Falcon 9 rocket, with the Dragon spacecraft onboard, launches from pad 39A at NASA’s Kennedy Space Center in Cape Canaveral, Florida, Saturday, June 3, 2017

© NASA/Bill Ingalls

Es war eine technologische Meisterleistung der Ingenieure und Techniker von Space X: Da schwebt eine Raketenstufe senkrecht zur Erde herab. Vier Paddel lenken die Rakete, unterstützt von ein paar kleinen Jetantrieben mit kurzen Brennstößen zur Seite. Dann löst der Hauptmotor aus, bremst den Koloss Feuerwolken ausstoßend ab. Kurz vor dem Aufsetzen klappen vier Landefüße aus, das unförmige lange Rohr setzt zielsicher auf einer schwankenden Plattform im Meer auf. Es trifft die Plattform, kippt nicht um, bleibt stehen.

Gleich zweimal an zwei Tagen hintereinander gelang es der amerikanischen Weltraumfirma, die Marketinggenie Elon Musk neben seinem E-Autohersteller Tesla betreibt, Raketen in eine Erdumlaufbahn zu starten und sie wieder sicher zurückzuleiten und sauber auf einer Plattform landen zu lassen. Die Paddel haben bei der ersten Landung unter der Hitze gelitten und werden bei künftigen Starts aus anderen Materialien bestehen. Aber ansonsten hat das Unternehmen Space X damit bewiesen, dass es technologisch in der Spitzenklasse mitspielt.

Bei einer Landung fällt unglückseligerweise die Videoübertragung an genau der Stelle aus, an der die Landung stattfinden soll. Die nächste Einstellung zeigt, wie die Rakete auf der Plattform steht. Gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker. Sie wittern sofort Manipulation und bezweifeln, dass mit der spektakulären Landung alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Doch am nächsten Tag sieht man bei der zweiten Landung, wie zielsicher die Raketenstufe der Plattform entgegen schwebt. Nicht ganz genau mittig, ein paar Meter neben dem Landekreuz, setzt sie sanft auf. Knapp acht Minuten nach dem Start ist die untere Stufe wieder auf die Erde zurückgekehrt. Die zweite Stufe fliegt weiter höher und setzt Kommunikationssatelliten in Umlaufbahnen ab, verglüht dann in der Atmosphäre. Eine geniale technische Meisterleistung.

Grüne müssten eigentlich begeistert sein: Raketen-Recycling pur. Keine Wegwerf-Raketen mehr, die nach dem Start mit wilden Wasserdampfwolken in den Himmel schießen, Stufe um Stufe nach dem Abbrand abwerfen, während die Spitzenstufe weiter ins All strebt.

Technisch spektakulär – über die Wirtschaftlichkeit ist noch nicht entschieden. Denn wie weit sich diese aufwendige Technik rechnet, ist fraglich. Die Rakete muss immerhin noch zusätzlich rund 20 Tonnen Treibstoff mitnehmen, die für den Bremsvorgang bei der Landung benötigt werden. Das ist ziemlich viel in Raumfahrtkreisen. Denn dieses Gewicht muss beim Start in den Himmel gehoben werden. Das wiederum kostet viel Treibstoff.

Zukunft in der Lüneburger Heide
New Space
Dafür kann die erste Stufe mit den Triebwerken wiederverwendet werden, die rund dreiviertel der Kosten verschlingt. Insgesamt will Space X billiger als alle anderen Transportkapazitäten in die Umlaufbahn anbieten. Ob das Rezept allerdings auch dazu taugt, alle künftigen Raketenstarts mit wiederverwendbaren Stufen zu machen, ist noch nicht ausgemacht. Es tritt nämlich noch ein anderer Effekt ein: Bei dieser Strategie werden weniger Raketen und Raketenmotoren benötigt. Das bedeutet: Eine Reihe von Herstellern der Raketentriebwerke wird ihre Produktion einstellen, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Die verbliebenen Hersteller müssen ihre Preise deutlich erhöhen. Jeder Motor wird damit teurer.

Gänzlich unbeachtet blieb unter dem genialen PR-Feuerwerk der Musk-Truppe eine Jubelmeldung, die eigentlich die europäische Ariane hätte über das Land verteilen können. Der 80. Start einer Ariane Rakete wurde absolviert. Unfallfrei, fehlerfrei, 80 mal viele Tonnen Nutzlast ins Orbit geschossen – eine großartige Leistung, die eine Jubelfeier verdient hätte.

Wir erinnern uns an die Anfänge, als in Französisch-Guayana immer wieder stolze europäische Ariane-Raketen in einem Flammenmeer zerstört wurden oder in den Atlantik fielen. Aber die Ingenieure schafften es, die Systemsicherheit so zu erhöhen, dass jetzt kaum noch eine Rakete zerstört wird. Mehr noch: Die Kunden sind mittlerweile so überzeugt, dass sie Ariane mit Aufträgen praktisch zugeschüttet haben. Sie sind mit ihren Transportaufgaben für Satelliten ins All auf Jahre hinaus ausgebucht. Es sollen derzeit so viele Satelliten ins Orbit geschossen werden, dass die weltweiten Raketenkapazitäten bei weitem nicht ausreichen.

In diese Lücke stößt auch Elon Musk vor, wenn er seine Raketenfirma zu neuen Höchstleistungen treibt. Er sieht das gewaltige Marktpotential, und es wird interessant bleiben, welcher Anbieter sich wie schlägt. Ins All können diese Raketen allerdings nicht fliegen. Sie sind nicht mit einer Technologie ausgerüstet, die den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre erlaubt. Und weit davon entfernt, wie Taxis Menschen zu transportieren. Dafür ist eine deutlich sicherere, damit auch deutlich teurere Technologie notwendig.

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