Es begab sich anlässlich des COP 28 in Dubai, als in der Tagesschau prominent eine „Studie“ vorgestellt wurde, die beweisen soll, dass die Stilllegung von 90 Prozent der weltweit vorhandenen Kohlekraftwerke dem Klimaschutz nutzen würde und obendrein profitabel sei. Dass mit sinkenden Emissionen dem „Klimaschutz“ geholfen würde, wäre nach dem gültigen Klima-Glaubenssatz unstrittig. Dass die Stromproduktion mit Wind- und Sonnenkraft ersetzbar wäre, ist ein Märchen. Einträchtig mit den fallenden Ergebnissen der Pisa-Studien sinkt auch das Niveau veröffentlichter Studien und der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung darüber.
Alter Wein in neuen Schläuchen? Nein, nicht mal die Schläuche sind neu. Es ist der Sound, mit dem zum Beispiel das DIW schon seit vielen Jahren über seine Wochenberichte und Studien die Energiewende herbeischreiben will. Natürlich ist die Studie nicht peer-reviewed, das heißt, nicht von unabhängigen Wissenschaftlern begutachtet und in Fachzeitschriften übernommen. Es ist schlicht keine Studie, sondern eine modellhafte Abschätzung, die verschiedene Randbedingungen grob vernachlässigt, niedrige Gestehungskosten zugrunde legt und Systemkosten ignoriert.
Mehr als 2.000 Kohlekraftwerke weltweit sollen nach der „Studie“ von switch-coal bis 2030 abgeschaltet und ersetzt werden können und das Ganze soll profitabel sein. „An gleicher Stelle“, also an den Kraftwerksstandorten, sollen zahlreiche Wind- und Solarkapazitäten aufgebaut werden, wobei die „gleiche Stelle“ um einen Radius von 100 Kilometern erweitert wird. Mit einem schlanken zehn-prozentigen Batterie-Backup will man die Schwankungen abfangen, zu 80 Prozent sollen Flexibilitätsoptionen im Netz genutzt werden. Dann werden also die Verbraucher (ab)geregelt. Der Einsatz der Batterien soll nur für jeweils vier Stunden morgens und abends erfolgen, in der Zwischenzeit würden die Batterien wieder aufgeladen. Jahreszeiten gibt es offenbar nicht, auch keine windstillen oder nebligen Tage, von länger andauernden Dunkelflauten ganz zu schweigen.
Der Ersatz der Wärmelieferungen von Kohlekraftwerken fällt ganz unter den Tisch, ebenso die Systemdienstleistungen und andere Kleinigkeiten wie die nationalen Energiestrategien der Länder. Vermutlich sollte die zur Studie erklärte interessengeleitete Phantasie die Teilnehmer in Dubai beeinflussen, aber außer vielleicht einigen NGOs dürfte sich kaum jemand angesprochen gefühlt haben. Fünf Billionen Euro seien zunächst notwendig, über 30 Jahre sollen 16 Billionen verdient werden. Systemkosten, Ersatz der Wärmelieferungen und andere Kleinigkeiten bleiben außen vor.
Unter den Autoren der „Kohle-kann-weg“-Schrift finden sich mit Stefan Golla und Frank Haferkorn zwei Diplom-Physiker, was die Frage aufwirft, wie ihre physikalische Grundausbildung zum Diplom führen konnte. Zu Netzbetrieb und anderen physikalischen Grundlagen der Energieversorgung scheint das Wissen schmal. Oder sie verfahren nach dem bewährten Motto „wes Brot ich ess …“
Aber wir sind von der Wirklichkeit umzingelt und es braucht eine gehörige Portion Realitätsverweigerung, mit einer solchen Pseudo-Studie an die Öffentlichkeit zu gehen.
Mitautor Professor Doktor Pietro P. Altermatt arbeitet als leitender Wissenschaftler bei Trina Solar, forscht an CO2-Minderungspfaden und an der Nachhaltigkeit. Im April des Jahres unterzeichnete er mit anderen „Scientists for future“ einen Brief an ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und kritisierte einen Beitrag, der sich vorsichtig kritisch zur Kommunikationsarbeit von Frau Professor Kemfert äußerte („Sie macht Wind“ – hinter Bezahlschranke). Und natürlich war die vorgeblich Angegriffene selbst beteiligt an der anlässlich COP 28 gebastelten Studie. Den Nobelpreis wird sie dafür nicht bekommen, weil dem Satz „die Erneuerbaren übernehmen das“ wohl keine wissenschaftliche Evidenz zugewiesen werden kann. Irgendeine Ehrung von den Öffentlich-Rechtlichen wird wohl drin sein, zumal die ARD und nicht entsprechende Fachjournale die Erstveröffentlichung vornahmen.
Den medialen Transport auf die Tagesschau-Homepage übernahm Nick Schrader, Regisseur von „Trees of protest“, einem Film über den Klimawandel und „Hambi bleibt“. Nun gut, in einem Medium, das prominent über einen stromerzeugenden Flatscreen-TV in Afrika berichtet, dem nur durch Rassismus der technische Durchbruch versagt bleibe, ist im Kampf um das Gute in der Welt einiges nachzusehen. Ob die kaum verhohlene Erneuerbaren-Propaganda der ARD mit dem Geist des Medienstaatsvertrages vereinbar ist, bleibt fraglich.
Die Märchen von heute spielen nicht mehr in Grimms Märchenwald – der wird gerade zerstört –, sondern auf der Bühne von Klimakonferenzen. Aber auch hier wird man künftig sagen: Es war einmal …