Tichys Einblick
Fakten statt Dogmen

Klimakatastrophe in der Krise

Mit einer Podiumsdiskussion wollte die VolkswagenStiftung zu mehr Klimaschutzanstrengungen aufrufen. Das aber scheiterte kläglich. Ein Veranstaltungsbericht.

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Nach neunzig Minuten war für Bettina Münch-Epple die Grenze des Erträglichen überschritten. Unübersehbar hatte sich in ihr bis dahin viel verwirrte Verzweiflung aufgestaut, die schließlich in eine nur mühsam kaschierte Publikumsbeschimpfung mündete. Die Verärgerung der Leiterin der Bildungskommunikation des WWF Deutschland entstand, weil der Verlauf des Abends so gar nicht dem Plan des Veranstalters entsprach.

Unter dem Titel „Klimaschutz ade? Wie kann die Gesellschaft mobilisiert werden?“ wollte die von dem gleichnamigen Konzern unabhängige VolkswagenStiftung eigentlich darüber diskutieren lassen, warum denn gegen den „kommenden Klimawandel“ trotz der „düsteren Vorhersagen“ der Wissenschaft nichts getan würde.

Die mit apokalyptischen Bildern gefüllte Ankündigung vermittelte deutlich das Bestreben, über die Gleichsetzung von „Klimawandel“ mit „Klimakatastrophe“ unter dem tarnenden Überbau einer wissenschaftlichen Debatte Volkserziehung zu betreiben. Als aber der offensichtlich zum Zweck der seriösen Untermauerung „dramatischer Befunde“ geladene Klimaforscher Hans von Storch seinen Impulsvortrag mit dem Satz begann, er wäre nicht gekommen, um irgendwen zu mobilisieren, flog ihm die Sympathie der gut einhundertfünfzig Zuhörer spürbar zu.

Seine weiteren Ausführungen ließen dann auch der Auffassung Raum, der Stand des Wissens sei wohl doch nicht so besorgniserregend, was viele Gäste, erkennbar am Beifall, mit Genugtuung zur Kenntnis nahmen.

Klimawandel ist keine Klimakatastrophe

Die Fakten sind in der Tat überschaubar. Der Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre ist durch menschliche Aktivitäten gestiegen. Die Temperatur der bodennahen Luftschichten hat sich ebenfalls erhöht, um, grob gerundet, ein Grad im globalen Mittel in den letzten einhundert Jahren. Letzteres ist, ohne ersteres als Ursache anzunehmen (Treibhauseffekt), nach gegenwärtigem Wissensstand nicht erklärbar. Die einzige bislang sicher nachgewiesene Folge dieser Entwicklung besteht in einer Abnahme der Anzahl kalter und in einer entsprechenden Zunahme warmer Tage in vielen Weltregionen. Man kann das, vor dem Hintergrund der klassischen Definition des „Klimas“ als langjährige Statistik von Wetterdaten, durchaus als „Klimawandel“ bezeichnen. Um eine Katastrophe aber handelt es sich offensichtlich nicht, schließlich fordern Kältewellen ohnehin mehr Opfer als Hitzephasen.

Szenarien, Projektionen und Prognosen stellen eben keine Fakten dar, sondern Spekulationen. Wer seine wissenschaftliche Autorität dazu einsetzt, solche als Gewissheiten zu verkaufen, verbreitet letztendlich nur „alternative Fakten“. Die Klimakatastrophe existiert bislang nur in der Imagination einiger wortmächtiger Klimaforscher, die sich ihrer in dem Wunsch bedienen, politische Entscheidungen zu beeinflussen.

Von Storch sieht sich nicht als Politiker. Er kritisierte den häufig zu beobachtenden Aktivismus seiner Fachkollegen eher behutsam und indirekt, in dem er über grundsätzliche Normen des wissenschaftlichen Arbeitens referierte, gegen die gerade in der Klimaforschung allzu häufig verstoßen werde. Er nannte beispielweise die Notwendigkeit, Ergebnisse auch dann zu veröffentlichen, wenn sie einem persönlich nicht gefallen und den „organisierten Skeptizismus“, der die kritische Prüfung aller Forschung durch Fachkollegen verlange. Letztendlich machte er deutlich, wie wenig er eine Wissenschaft schätzt, die eine determinierende Rolle bei der Formulierung politischer Maßnahmen beansprucht.

Was er damit eigentlich meinte, erhellte der zweite Redner des Abends. Wahrscheinlich sollte Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts, die Brücke zwischen der Klimaforschung und der allgemeinen Politik schlagen, also erläutern, welche Maßnahmen denn nun die Ergebnisse der Naturwissenschaftler erfordern. Stattdessen aber belegte er als Paradebeispiel des ideologisierten Gelehrten die Relevanz der Ausführungen von Storchs. Drei Thesen brachte Schneidewind als Impuls ein, in denen sich Desinformation, Selbsttäuschung und Anspruchsdenken vermischten.

Zunächst bezeichnete er den Umgang mit dem Klimawandel als „zivilisatorische Erfolgsgeschichte“, es sei der Menschheit gelungen, sich global zu verständigen, eine „Weltgesellschaft“ bilde sich und das wertete er als „Zivilisationssprung“.

Tatsächlich aber haben die Vereinten Nationen die Klimadebatte als willkommene Chance aufgenommen, ein Thema der Grundlagenforschung in teure und ineffektive Verwaltungsstrukturen zu gießen, die den Versuch unternahmen, Entscheidungsmacht von nationalen auf supranationale, demokratisch weder legitimierte noch überwachte Bürokratien zu übertragen. Was glücklicherweise scheiterte. Denn der jahrzehntelange Versuch, über zahllose Konferenzen eine global verpflichtende, von UN-Gremien gesteuerte und überwachte Klimaschutzagenda zu etablieren, hat nichts weiter erbracht als steigende Emissionen.

Climate happens
Klimaschutz? Hat sich erledigt ...
Das Pariser Abkommen markiert nicht etwa einen Durchbruch, sondern vielmehr das endgültige Scheitern dieses Ansatzes. Denn es konnte nur durch die Rückverlagerung klimapolitischer Verantwortlichkeiten auf die nationalen Ebenen zustande kommen. Die Unterzeichnerstaaten haben nun wieder die völlige Freiheit in der Formulierung ihrer Reduktionsziele. Selbst die Anmeldung der Absicht, die Emissionen weiter steigern zu wollen, ist im Sinne dieses Weltklimavertrags zulässig. Und wer schlicht gar keine klimapolitischen Ziele hat, der hat auch keine Sanktionen zu befürchten. Der wahre „Zivilisationssprung“ besteht im Scheitern der von Klimaschutzaktivisten angestrebten globalen Freiheitsberaubung, aber das klammerte Schneidewind wohlweislich aus.

Wahrscheinlich nicht einmal wider besseres Wissen, denn mit seiner zweiten Behauptung verdeutlichte er anschaulich, in einer Parallelwelt jenseits der Realität zu leben. Wissen, so führte er aus, sei nur eine Komponente gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. Eigentlich meinte Schneidewind damit, die Einsicht in die seiner Ansicht nach notwendige Transformation unserer Wirtschafts- und Lebensweise entstünde nicht von selbst auf individueller Ebene. Vielmehr wären die Menschen durch politische Maßnahmen zu einem besseren Verhalten anzuleiten. Und verstieg sich zu der Annahme, die Bürger dieses Landes würden sich das eigentlich sogar wünschen.

Denn schließlich wüssten wir doch alle, warum wir besser nicht mit dem Auto fahren, besser keine Fernreisen unternehmen und besser den Müll trennen sollten. Das Volk litte halt unter einer „kognitiven Dissonanz“. Ja, diesen Begriff hat er genau in dieser Hinsicht verwendet und auch genau mit diesen drei Beispielen unterlegt. Hans von Storch blieb es überlassen, ihn später auf den illusionären Charakter dieser Annahme hinzuweisen. Denn den Klimaforscher plagt durchaus kein schlechtes Gewissen, wenn er mit dem Auto fährt.

Schneidewinds dritte Botschaft dann bezog sich auf die Rolle der Forschung. Von der er im Gegensatz zu von Storch eine aktive Einmischung erwartet. Die Wissenschaft habe von einem „normativen Wertekompass“ ausgehend Veränderungen anzustoßen. Womit das eigentliche Thema der folgenden Podiumsdiskussion gesetzt war, zu der Münch-Epple und Torsten Schlurmann, Leiter des Instituts für Wasserbau und Küsteningenieurwesen an der Leibniz-Universität Hannover den beiden Referenten Gesellschaft leisten durften.

Wissenschaft versus Ideologie

Fortan standen nicht mehr ökologistische Dogmen, Appelle zur Nachhaltigkeit und Ratschläge für die klimagerechte Gestaltung des Alltags im Vordergrund, sondern der Unterschied zwischen Ideologie und Wissenschaft. Wo der Moderator Daniel Lingenhöhl, Redakteur bei Spektrum der Wissenschaft, versinkende Eilande ins Spiel brachte, entgegnete ihm Schlurmann trocken, Küstenschutz sei nicht erst seit dem Aufkommen der Klimadebatte, sondern schon seit vielen Jahrhunderten eine wichtige Aufgabe, die man immer besser beherrsche. So bestünde das Hauptproblem vieler Küstenstädte nicht etwa in einem steigenden Meeresspiegel, sondern vielmehr in einem Absinken des Landes aufgrund exzessiver Grundwassernutzung.

Wo Schneidewind den Klimawandel zum globalen Gerechtigkeitsthema hochjubelte, verwies von Storch nüchtern auf den Beitrag der Globalisierung zur Armutsbekämpfung, für den man aber den Klimawandel in Kauf nehmen müsse. Überhaupt spielten sich der Techniker und der Naturwissenschaftler geschickt die Bälle zu, benannten die Bedeutung von Anpassungsmaßnahmen und die stetig sinkenden Opferzahlen wetterbedingter Naturkatastrophen als deren Auswirkung. Es sei eben unklug, in den Niederungen von Flüssen zu bauen, erheiterte von Storch das Publikum, und das sei auch schon immer so gewesen.

Bis schließlich Münch-Epple der Kragen platzte und sie sich direkt an die Zuhörer wandte. Sie kritisierte den Szenenapplaus, der immer dann aufkam, wenn eine – ich fasse es in meinen Worten zusammen – andeutungsweise skeptische Aussage im Podium getroffen wurde. Was sie angesichts der von vielen Wissenschaftlern herausgearbeiteten potentiellen Risiken nicht verstand. Exakt drei Gäste klatschten an dieser Stelle. Und von Storch erwiderte prompt, man solle doch lieber noch ein paar Jahre abwarten, um zu sehen, welche Auswirkungen der Klimawandel wirklich auf unser Leben habe. Was natürlich der Agenda des WWF widersprach, die Frau Münch-Epple treffend in der Aussage bündelte, es ginge nun um die Etablierung einer transformativen Bildung und man müsse endlich weg von einer „rein analytischen Haltung“.

Besser kann man den Unterschied zwischen kluger Rationalität und blindem Aktivismus nicht zusammenfassen, der in der Veranstaltung klar herausgearbeitet wurde. Besser kann man auch nicht verdeutlichen, wie der Alarmismus Fakten durch Dogmen ersetzt, um aus der Klimaforschung Argumente zur Unterstützung einer politischen Ideologie abzuleiten. Glücklicherweise scheinen die Menschen dies mittlerweile zu erkennen. Zumindest das Publikum der hier beschriebenen Diskussion äußerte durch seine Beifallsbekundungen demonstrativ den Wunsch nach mehr „analytischer Haltung“ und weniger Unheilsrhetorik.

Steckt die Klimakatastrophe in einer Kommunikationskrise? Haben die Mahner und Warner überzeichnet? Dringen sie mit jedem Tag, an dem die Apokalypse ausbleibt, weniger durch? Der Abend in Hannover zeigte jedenfalls auf, wie eine postfaktische Debatte auf ein vernunftbasiertes Fundament zurückgeführt werden kann.

Hinweis: Zum Nachhören findet sich die komplette Veranstaltung in der Mediathek der VolkswagenStiftung.

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