Am 5. Dezember 2022 erzielten US-amerikanische Forscher an der National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien einen bedeutenden Durchbruch in der Fusionstechnik. Wie eine Woche später bekannt gegeben wurde, gelang an diesem Tag erstmals eine kontrollierte Fusion unter künstlich geschaffenen Bedingungen, die mehr Energie freisetzte, als zu ihrer Zündung erforderlich war.
Der Unwille, dieses bedeutende Ereignis angemessen zu würdigen, prägte die darauf folgende Berichterstattung in den deutschen Medien. Man war bemüht, es als rein wissenschaftlichen Erfolg ohne jede praktische Relevanz herunterzuspielen. Eifrig trug man Zitate von Forschern zusammen, die nach wie vor die kommerzielle Nutzung der Kernfusion als weiterhin ferne Utopie charakterisierten, wenn sie denn überhaupt jemals gelänge. Unter keinen Umständen sollten in Lesern, Zuhörern und Zuschauern Zweifel an der ökologistischen Lehre aufkommen, nach der es keine vorstellbare Energiequelle jenseits volatiler Umgebungsenergieflüsse gibt, die nicht des Teufels ist. Und keinesfalls durfte das Dogma grüner Politik in Frage gestellt werden, nach dem Energieproduktion und -verbrauch hochindustrialisierter Gesellschaften in Art und Umfang für immer administrativ festgelegt werden müssten und könnten. Eine nicht mehr zu ignorierende Neuerung, die dieser Ideologie die Grundlage entzieht, ist da natürlich kleinzureden.
Bei dem ein Deuterium-Tritium-Gemisch in einen mit Gammastrahlen erfüllten, zylindrischen Hohlkörper eingebracht wird. Der Brennstoff befindet sich in kleinen, kugelförmigen Kapseln mit einer Hülle aus nahezu reinem Kohlenstoff. Diese Schale absorbiert die Strahlung, erhitzt sich und dehnt sich aus, bis sie platzt und letztendlich zu großen Teilen verdampft. Ein Vorgang, der eine nach innen gerichtete Schockwelle auslöst, die den Brennstoff komprimiert und in ein Plasma verwandelt. Findet diese Implosion schnell genug mit einer hinreichenden Materialmenge statt, werden einige der beteiligten Atomkerne fusionieren. Die kinetische Energie der Reaktionsprodukte (Helium und Neutronen) muss das Plasma auf einem für weitere Kernverschmelzungen ausreichendem Temperaturniveau halten, um eine sich bis zum nahezu vollständigen Brennstoffverbrauch selbst erhaltende und dadurch einen Netto-Energiegewinn liefernde Fusion zu induzieren.
Die Energie der Gammastrahlen, die Größe der Brennstoffkapseln und die Dicke und Zusammensetzung ihrer Hüllen sind die drei entscheidenden, in diesem Konzept zu variierenden Größen. Am 5. Dezember 2022 wurde erstmals eine geeignete Kombination erprobt.
Dies ist primär ein technischer, über eine iterative, rein experimentelle Vorgehensweise erzielter Erfolg. Es gibt bislang keine wissenschaftliche Erklärung für den Grund, aus dem die gewählte Konfiguration im Gegensatz zu allen anderen vorher getesteten funktionierte. Manche Forscher mögen sich auf diesen Umstand beziehen, wenn sie weiterhin behaupten, die kommerzielle Nutzbarkeit der Kernfusion läge noch immer Jahrzehnte in der Zukunft. Nur ist ein die Vorgänge abstrakt erläuterndes theoretisches Modell für einen marktfähigen Leistungsreaktor gar nicht notwendig. Papin verfügte im Jahr 1706 auch nicht über eine thermodynamische Beschreibung des Dampfzylinders, den er da gebaut hatte. So wie Papins Experimente heuristisch, also beobachtend, abschätzend und ratend, erst Thomas Savery und schließlich Thomas Newcomen als Wegweiser dienten, vermag auch das NIF-Experiment heutige Konstrukteure und Entwickler anzuleiten.
Zahlreiche Kommentare verweisen auf den Umstand, man hätte keinen Netto-Energiegewinn demonstriert, da ja die für die Laser aufgewendeten Energiemengen einzuberechnen seien. Die Laser im NIF dienen jedoch lediglich der Erzeugung des Gammastrahlenfeldes durch Bestrahlung einer an der Innenseite des Reaktionsraums aufgebrachten Goldschicht. Sie sind daher nicht als eine zwingend dem Fusionsexperiment zuzuordnende Komponente aufzufassen. Zumal die Generierung von Gammastrahlen über Laserlicht noch erheblich optimiert werden kann, wenn sich nicht ohnehin eine andere Methode als günstiger erweist oder eine noch bessere Brennstoffkonfiguration mit geringeren Strahlungsenergien auskommt. Papins Maschine litt einst ebenfalls unter den Mängeln der bereits verfügbaren Komponenten. Und die notwendige Optimierung von Ventilen und Rohrleitungen veranlasste die Konstrukteure natürlich nicht zur Aufgabe.
In gleicher Weise wie Papins Dampfzylinder belegt der Durchbruch am NIF das Potential eines Prinzips, die Realisierbarkeit einer Idee. Er ist der endgültige, zuvor noch ausstehende Beweis für die Option, mit einer in einer rein artifiziellen Umgebung ausgelösten und regulierbaren Kernfusion Energie gewinnen zu können. Er stützt insbesondere alle derzeit verfolgten Ansätze, in denen kinetische Impulse oder Strahlung ein Plasma zünden sollen. Er zeigt sogar einen konkreten Pfad vom validierenden Experiment zur kommerziellen Nutzung über eine effizientere Gammastrahlenquelle und eine effektivere Brennstoffkonfektionierung.
Nur sollte man sich hüten, davon eine ähnlich umfassende Umwälzung zu erwarten, wie sie die Dampfmaschine einst auslöste. Der Menschheit steht bereits mehr als ausreichend Energie aus anderen Reservoiren zur Verfügung (auch wenn manche politische Strömungen sich beharrlich wünschen, diese nicht zu nutzen). Bau und Betrieb von Fusionsreaktoren verursachen außerdem erhebliche Kosten, zum Nulltarif produzieren sie nicht. Der Wettbewerb zwischen neuen Kernspaltungsreaktoren der vierten Generation, weiter verbesserten, fossil befeuerten Kraftwerken und der Kernfusion ist daher völlig offen. Zumal letztere keine Hochtemperatur-Wärmequelle darstellt.
Aufgrund ihrer spezifischen Charakteristik, die sich durch verschwindend geringe Brennstoffkosten sowie Emissions- und Abfallfreiheit auszeichnet, wird die Kernfusion als verlässliche, Systemdienstleistungen bereitstellende Grundlastquelle im Strombereich vor allem Windkraft und Photovoltaik verdrängen. Das wissen die Energiewende-Gläubigen genau. Und deswegen sind sie gezwungen, dem Publikum einzureden, es dauere noch ewig, man könne sich nicht darauf verlassen, man dürfe mit der Fusion nicht rechnen oder planen. Deswegen sind sie gezwungen, zu bremsen und zu blockieren, wenn möglich. Deswegen sind sie gezwungen, die Energieversorgung der Zukunft auf Basis heutiger Technologien für Jahrzehnte festzuschreiben und alle Marktmechanismen auszuhebeln.
Sie werden darin nicht nachlassen, selbst wenn im Jahr 2025 die ersten Prototypen künftiger Leistungsreaktoren die Welt in Staunen versetzen. Aber Innovation ist mächtiger als Politik, sie schafft, was hierzulande den Wählern nicht gelingen will. Das Ende der Energiewende ist seit dem 5. Dezember 2022 nicht mehr zu verhindern.