Tichys Einblick
Strompreisrekorde, nicht Ökostromrekorde

Jubelmeldungen über „erneuerbaren Strom“ verkennen explodierende Kosten

Nahezu täglich werden jubelnd Ökostrom-Rekorde verkündet. Fachleute dagegen sind beunruhigt. Nicht nur, weil solche Jubelmeldungen sogar vom BDEW die Regeln der Stromerzeugung verkennen, sondern auch, weil man den Kosten dabei zuschauen kann, wie sie in immer irrsinnigere Höhen rasen.

picture alliance/dpa | Martin Schutt

Ein Ökostrom-Rekord jagt den nächsten, tönen nahezu täglich grüne Jubelmeldungen. So sollen im ersten Halbjahr 2024 die sogenannten »erneuerbaren Energien« rund 58 Prozent des Stroms gedeckt haben und damit die »Konventionellen« übertroffen haben. Das würden vorläufige Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigen.

Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch habe damit fast sechs Prozentpunkte höher als im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres (1. Halbjahr 2023: 52 Prozent) gelegen. Dies veröffentlichte der früher seriöse Verband BDEW, in dem die Fachleute der Energieversorger und der Wasserwirtschaft saßen.

Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Zentralorgans für »grüne« Energien ist die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae, die den Atomausstieg als endgültig bejubelte und die angeblichen Rekorde beim Erneuerbaren-Anteil am Stromverbrauch als »Lohn für den beharrlichen Ausbau von Windenergie und Photovoltaik in den vergangenen Jahren« glorifiziert.
Dahinter steht unausgesprochen: Nur ein paar zehntausend Windräder mehr, und das grüne Paradies ist erreicht, bei dem Deutschland zu 100 Prozent von Wind und Sonne mit Strom versorgt werden kann.

Fachleute dagegen sind höchst beunruhigt. Nicht nur, weil solche Jubelmeldungen sogar vom BDEW eine grobe Verkennung der Regeln der Stromerzeugung darstellen, sondern auch, weil man den Kosten dabei zuschauen kann, wie sie in immer irrsinnigere Höhen rasen.

Strom – das wussten früher auch die BDEW-Fachleute – muss zu jedem Zeitpunkt genau in der Menge vorhanden sein, in der er benötigt wird. Die Kraftwerke müssen also exakt jene Menge produzieren, die gerade gebraucht wird – und zwar in jedem Augenblick. Denn Strom ist ein besonderer Saft, nicht lagerbar wie Kohle, Weizen oder Zement.

Das ist der Grund, warum in 140 Jahren jene imposante »Maschine« Elektrizitätsversorgung aufgebaut wurde, die genau Verbrauch und Produktion ausbalanciert. Die hat bisher preiswerten Strom geliefert – zu jeder Zeit verfügbar und damit eine wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung. Die Ampel setzt das grüne Zerstörungswerk im Eiltempo fort mit Habeck als derzeitigem Totengräber. »Ja, mich beunruhigt es, je mehr Strom wir aus Erneuerbaren bekommen«, sagt Thomas Mock im Gespräch mit dem TE-Wecker.

Je mehr »Wind- oder Solarstrom« in den Netzen ist, desto mehr fällt zwar der Strompreis an der Börse. »Gleichzeitig wird die Differenz zu den Kosten, die wir tatsächlich zahlen, größer«, sagt Mock. »Denn das EEG garantiert, dass dieser Strom hohe Summen bekommt. In Deutschland kassieren die Windradbetreiber etwa 0,10 Euro je Kilowattstunde für Windstrom – egal wie hoch der Börsenstrom ist.«

Ein Ende ist nicht in Sicht. Inzwischen, so Mock, ist die Zubaurate an Windrädern und PV-Anlagen höher, als das, was tatsächlich an Strom benötigt wird. Jedenfalls in den Zeiten, wenn Wind weht und die Sonne scheint. Folge: Das System wird immer teurer und damit auch ineffizienter. Das wird immer kritischer, ein Ende ist nicht abzusehen. »Diese Kosten müssen wir alle bezahlen, auch wenn wir mit dem Strom nichts anfangen können.«

Das Geld bekommen die Windradbetreiber – egal ob und wie viel Strom abgenommen wird, sie produzieren ja – oder sie könnten ja produzieren. Mock: »In der Regel ist es so, dass über die Bundesnetzagentur eine Zusage für den Windstrom für 20 Jahre gemacht wird. Diese 20 Jahre bekommen die Betreiber der Windanlage konsequent den einheitlichen Vergütungssatz von derzeit ungefähr 0,10 €. Im Norden und Süden ist der unterschiedlich.«

»Ich nehme mal der Einfachheit halber diesen Durchschnittswert von 0,10 Euro die Kilowattstunde für 20 Jahre. Wenn der Börsenstrom bei 0,00 Euro ist, bekommen Sie trotzdem Ihre 0,10 Euro die Kilowattstunde. Wenn der Börsenstrom bei minus 10 Cent ist, bekommen Sie trotzdem ihre 0,10 Euro Kilowattstunde. Das heißt, wenn der Börsenstrompreis bei null ist, dann ist die Differenz 0,10 Euro. Wenn der Börsenpreis bei -10 Cent ist, dann ist die Differenz 0,20 Euro. Diese Differenzen müssen wir obendrauf zusätzlich bezahlen.«

Die volle Vergütung wird auch dann fällig, wenn der Strom nicht abgenommen wird, weil zu viel da ist und er nicht benötigt wird. Genau das macht den »Wind- und Solarstrom« jeden Tag immer teurer, je mehr Wind- und Solaranlagen an die Netze angeschlossen werden – soweit die Netze überhaupt reichen. Bisher summiert sich das im Jahr auf rund 20 Milliarden Euro. Diese Kosten steigen immer weiter an. Mock: »Je mehr Wind- und Solaranlagen installiert und am Netz sind, umso schlimmer wird es, weil der Strompreis noch stärker absackt und damit in den nächsten Jahren diese Milliarden an Subventionen weiter steigen werden.«

Wie kommen wir da wieder weg? Mock: »Derzeit sieht es nicht so aus. Wir haben im Grunde das EEG für Windanlagen seit 34 Jahren. Alle Windanlagen, die jetzt über die Bundesnetzagentur eine Genehmigung vorlegen, bekommen noch mal 20 Jahre eine Vergütung. Wir haben also 54 Jahre lang das EEG-Vergütungssystem. Ich kann mich gar nicht entsinnen, wo so lange in diesem Umfang Subventionen gezahlt werden.« Für Deutschland wird das unbezahlbar: »Vor dem Hintergrund muss man sich schon fragen, wie es damit weitergehen soll, weil wir als Volkswirtschaft das auf Dauer nicht bezahlen können. Völlig ausgeschlossen!«

Die Grünen haben Deutschland also auch für die nächsten 20 Jahre weitere erhebliche Zahlungsverpflichtungen eingebrockt. Zudem hat Habeck vor gut zwei Jahren veranlasst, dass der Bundesnetzagentur weitere Spielräume eingeräumt werden. Die kann aus eigenem Ermessen die Vergütung für Onshore-Windräder um bis zu 25 Prozent anheben. Ähnliches gilt auch für Solaranlagen. »Das wurde zum Jahreswechsel 2022 im Bundestag verabschiedet – am Tag vor Weihnachten. Am Tag nach Weihnachten, am 27. 12., hatte die Bundesnetzagentur das durch einen Beschluss veröffentlicht und dabei die Möglichkeit von 25 Prozent komplett ausgenutzt und nicht schrittweise die Vergütung erhöht.«

Habeck hat damit seinen Windbaronen noch einmal eine ordentliche Menge Geld in die Kassen gespült. Mock: »Die Folge davon ist, dass natürlich auch die Kosten für uns um diese 25 Prozent steigen.« Mit diesen wahnsinnigen dicken Geldvorräten in ihren Taschen haben Betreiber und Projektierer einen Run auf Land und Grundstücke begonnen. Pachten, Pachtangebote und Pachtzahlungen sind drastisch gestiegen.

Mock: »Die Projektierer haben einen Wettbewerb gestartet, um möglichst viel Grundstücke pachten zu können. Da wurden hohe Preise gezahlt und das hat zu Pachtexplosionen geführt, was auch für die Landwirtschaft Gift ist, weil natürlich dadurch auch die landwirtschaftlichen Kosten, die Pachtkosten für landwirtschaftliche Flächen drastisch gestiegen sind, was wiederum auch dazu führt, dass die Lebensmittel für uns teurer werden.«

Festzuhalten bleibt: Der grüne Habeck wirft einem Windindustriekonglomerat unfassbare Milliardensummen in den Rachen. In zwei Bereichen werden derzeit außerordentlich hohe Gewinne realisiert: Das sind die Projektierer, Projektierungsgesellschaften, der Wind- oder Solarparks. Mock: »Projektierer sind diejenigen, die die Grundstücke pachten, sich dann um eine Genehmigung bemühen, die Windanlagen kaufen, die Anlagen errichten und dann wieder verkaufen. Man bekommt das Geschenk von 20 Jahre EEG über 20 Jahre. Dieses Geschenk kann man als Projektierer nutzen, indem man es mit der Windanlage und den Kosten der Anlage verheiratet. Dieses Paket, das dann entsteht, nämlich die Windanlage einerseits, deren Kosten und das Geschenk der Bundesnetzagentur 20 Jahre EEG garantiert zu bekommen, wird dann sehr häufig oder überwiegend an die späteren Betreiber verkauft oder versteigert an den Meistbietenden, so dass dann die Projektierer außerordentlich hohe Gewinne realisieren können.«

»Das macht die Sache für die äußerst attraktiv und da sind natürlich dann auch häufig internationale Fonds beteiligt, die dann auch die sowohl an den Projektgesellschaften, aber auch an die Betreibergesellschaften beteiligt sind. Wir haben in Deutschland große Anteile der Windanlagen, die in internationalen Konzernen und in internationalen Fonds liegen.« Mock weiß: »Die Verzinsung, die über das EEG garantiert wird, ist so attraktiv, vor allem garantiert für 20 Jahre auf sehr lange Zeit, dass sehr viele ausländische Gesellschaften an so was Interesse zeigen.«

Der Spiegel hat’s allerdings noch nicht ganz verstanden: Eine Rekordmenge an erneuerbaren Energien würde den Strompreis drücken, so versuchte der Spiegel vor kurzem die teuren Eigenwilligkeiten zu erklären, die auf dem Strommarkt geschehen. Davon würden Kunden profitieren – und das Klima, meinte das Blatt und wörtlich: Nur der Staat zahlt drauf. Mal wieder eine vorsätzliche Irreführung des Spiegel. Wer nochmal bezahlt den Staat?


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