Tichys Einblick
Kein Strom vom Vehikel

Warum die E-Mobilität dem Netz durch Stromspeichern nicht hilft

Für den Erfolg der Energiewende müssen noch ein paar Kleinigkeiten erledigt werden: Gaskraftwerke errichten, Netze ausbauen, Speicher bauen, Verbrauch regulieren. 6 Windkraftanlagen pro Tag bis 2030, und mindestens 30 Gaskraftwerke.

IMAGO / Winfried Rothermel

„Eine Tüte Strom, bitte.“
„Groß oder klein?“
„Heute die Große, muss noch was hinlegen für den Winter.“
„Ökostrom?“
„Ja, natürlich.“
„Hier die 500 Kilowattstunden. Sogar im Angebot, 50 davon sind Bonus. Der neue Stromsparratgeber ist auch dabei. Macht 220 Euro.“

Dieses nicht stattgefundene Verkaufsgespräch auf dem Wochenmarkt in Tübingen an einem imaginären Stand des Regionalversorgers hätte so ablaufen können, wenn man nun endlich den Strom ordentlich abfüllen, verpacken und lagern könnte. Leider geht es nicht, in Tüten nicht und auch nicht in Säcken, Fässern oder Kisten.

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Eigentlich wissen alle, dass Stromversorgung ein Echtzeitgeschäft ist. Um das zu vernebeln und die Energiewende in die Nähe einer Erfolgsgeschichte zu rücken, bemüht man Durchschnittswerte. Die sind im nötigen sekundengenauen Zusammenspiel von Stromerzeugung und -verbrauch völlig irrelevant und führen zu falschen Schlüssen. „50 Prozent Erneuerbar“ im Jahresdurchschnitt führt bei grünen Tieffliegern (und -innen, pardon) zu der Annahme, dass die Stromwende zur Hälfte geschafft ist und nur noch einmal die gleiche Zahl an Ökostromanlagen notwendig sei bis zum Ziel „100-Prozent-Erneuerbar“. Das ist ein schwerer Trugschluss, denn eine irgendwann erzeugte Strommenge hilft der ständig nötigen Balance im Netz nicht. Im Gegenteil, ständig muss jemand dafür sorgen, dass sie erhalten bleibt, auch wenn frühmorgens die Lampen eingeschaltet werden, die Sonne auf- oder untergeht, ein Sturmtief kommt oder geht.

Am 23. Mai 2021 gingen innerhalb von acht Stunden 37 Gigawatt (GW) Leistung aus dem Netz, weil die Sonne sank und der Wind abflaute. Das entspricht einem Äquivalent von etwa 23 Kernkraftwerken (KKW), drei pro Stunde wären vergleichsweise abgeschaltet worden. Kaum jemand in der Öffentlichkeit nahm das wahr. Die Frequenz blieb konstant, weil die Mitarbeiter in den Netzleitstellen und den konventionellen Kraftwerken, den Pumpspeicherwerken und im grenzüberschreitenden Stromhandel einen hervorragenden Job machten. Sie sind die eigentlichen Helden der Energiewende, mit der die Grenzen der Machbarkeit gerade scharf ausgetestet werden.

Der Export zur Mittagszeit an diesem 23. Mai von etwa 12 GW für acht Cent pro Megawattstunde (MWh) schlug um in einen Import um 20 Uhr von 9 Gigawatt für 80 Euro pro MWh. Gut, dass wir unsere Nachbarn haben. Natürlich mussten alle konventionellen Kraftwerke dies mit ausregeln, auch die verachteten „trägen“ Braunkohlekraftwerke und sogar die oft angeblich nicht regelbaren KKW. Wer eine vermeintlich schlechte Regelbarkeit der konventionellen Kraftwerksflotte beklagt und Vorwürfe daraus ableitet, will von der Nicht-Regelfähigkeit des Zufallsstroms der „Erneuerbaren“ ablenken.

Die für die Netzstabilität notwendigen Systemdienstleistungen (Frequenz- und Spannungshaltung) bleiben fast vollständig den herkömmlichen Kraftwerken überlassen. Von der wenigstens teilweisen Übernahme einer Systemverantwortung bleiben die „Erneuerbaren“ Wind und PV bisher verschont. Es könnte die Gewinne schmälern. So wird der Systemwechsel aber nicht gelingen.

Speichern, was das Zeug hält

Da die Energieversorgung kein soziales Konstrukt ist und man die Physik schlecht wegdiskutieren kann (im Bundestag wird es hin und wieder versucht), bleibt als eine Option die Stromspeicherung, mit der man Schwankungen im Angebot ausgleichen kann. Dabei wird meist nicht erwähnt, dass Speicher im Gegensatz zu Erzeugern nicht wertschöpfend sind. Sie sind Orte der Aufbewahrung, wirkungsgradbelastet und mehr oder weniger kostenintensiv. Die sinnvollste Stromverwendung ist die sofortige Nutzung.

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Eine bewährte Technologie, die der Pumpspeicherkraftwerke (PSW), steht uns zur Verfügung, ist aber vom Umfang bescheiden und kaum ausbaubar. Die ausländischen Wasserkraftspeicher in den Alpenländern und Skandinavien sind für uns durch die Übertragungskapazitäten begrenzt. Bisher installierte Großbatterien eignen sich für die schnelle Netzregelung, sind aber für eine längere Speicherung infolge hoher Kosten völlig ungeeignet. Nötig wären neu zu errichtende riesige Stromspeicher, für die es weder ökonomischen Anreiz noch Projekte oder sogar Pläne gibt.

Die heißeste Illusion dazu nennt sich „Vehicle to Grid“ (V2G) und wird von unserem Wirtschaftsminister i.A. (in Ausbildung) stark beworben. „Wir brauchen batterieelektrische Speicher, die meisten davon werden wir auf der Straße sehen: in Form von Autos, die Energie aufnehmen, zum richtigen Zeitpunkt wieder ins Netz einspeisen und dafür Geld bekommen.“

So sprach Robert Habeck zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die technische Machbarkeit dieser Idee wurde schon 2014 an der BTU Cottbus-Senftenberg nachgewiesen und danach auch von anderen Forschungseinrichtungen und Unternehmen getestet. Bis heute gibt es jedoch keine Aktivitäten auf marktwirtschaftlicher Basis für eine großtechnische Umsetzung, was auf mangelnde Wirtschaftlichkeit schließen lässt. Ist eine Technologie wirtschaftlich umsetzbar, findet sich in der globalisierten kapitalistischen Welt jemand, der es tut, ganz ohne Subventionen.

Die Idee ist also nicht neu und hätte Herr Minister einen Realitätscheck gemacht, wäre ihm die Ferne dieses Ziels deutlich geworden. Seinen Optimismus zieht er aus einem Referentenentwurf.

„Das nötige Gesetz werden wir noch dieses Jahr in die Ressortabstimmung geben“

Dabei handelt es sich um das „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“. Wenn ein Gesetz schon die Bezeichnung „Neustart“ im Titel trägt, dann war der Altstart, in diesem Fall das „Messstellenbetriebsgesetz“ von 2016, offensichtlich ein Flop. Jetzt wird nachgebessert. Es geht zum Beispiel um die Steuerbarkeit von Wallboxen, aber nicht um Vorgänge des Ausspeicherns oder um bidirektionales Laden, also den Stromfluss in zwei Richtungen. Dazu ist noch nichts geregelt, weshalb die Versorger in diese Richtung auch noch nicht aktiv werden. Auf Nachfrage äußert sich ein Unternehmen:

„… Bidirektionales Laden findet aufgrund von technischen und regulatorischen Lücken noch nicht statt und E-Mobil-Batterien als Schwarmspeicher und Nutzung durch Netzbetreiber ist ebenfalls noch weit entfernt – zur Zeit gibt es weder die Fahrzeuge noch die Ladestationen für eine kommerzielle Nutzung …“

Mit anderen Worten, in der Realität gibt es weder regulatorisch noch technisch ein greifbares Faktum zur Umsetzung der Ministerankündigung. Auch die bereits auf der Straße befindlichen 800.000 batterieelektrischen Mobile (BEV) mitsamt ihrer privaten Ladestationen sind für diese Nutzung ungeeignet. Es bräuchte zunächst eine neue Generation von Fahrzeugen und Ladestationen, die dadurch nicht billiger würden.

VW kündigte 2021 an, „im nächsten Jahr“ mit seiner Plattform MEB bidirektional ladefähige Fahrzeuge anbieten zu wollen. Der Konfigurator für den neuen ID5 gibt dies heute noch nicht her. Es würde auch nichts nutzen wegen der dazu fehlenden, aber fähigen Ladestationen und eines rechtlich belastbaren Vertragsrahmens. Der Wille der Stromversorger ist zudem verständlicherweise nicht erkennbar, denn die Wirtschaftlichkeit ist unklar.

Der Mensch als Hindernis

Dazu kommt der unberechenbare Faktor Mensch. „Der Mensch steht im Mittelpunkt und damit immer im Weg“, sprach der Volksmund in der realsozialistischen DDR. Auch heute stehen die Menschen, die immer zuerst an sich denken (an wen denn sonst?) der klimagerechten Transformation im Weg. Aus welcher Motivation heraus sollten sie einen Teil ihrer Batteriekapazität zur Verfügung stellen? Zunächst fällt der E-Mobilist seine Kaufentscheidung nach seinem Nutzungsbedarf. Niemand wird sich ein teureres Fahrzeug mit einer größeren Batterie als nötig kaufen. Weiterhin müsste ihm der Versorger ein lukratives Angebot machen, zum Beispiel in Form von Gratisstrom. Dieser Vorteil müsste den Nachteil geringerer Verfügbarkeit des Fahrzeugs und der beschleunigten Alterung der Batterie (Degradation) durch häufigeres Be- und Entladen aufwiegen.

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Über einen Vertrag wären die Formalitäten zu regeln, die wiederum variabel gestaltet sein müssten. Im Winter darf die Batterie zum Zweck der Netzstützung nicht so stark entladen werden wie im Sommer. Auch schwanken die Nutzungsgewohnheiten. An manchen Tagen fallen längere Fahrten an, an anderen ist das Fahrzeug nicht an der Ladestation angeschlossen. Es kämen also sehr individuelle Verträge zustande, die in einem Zentralrechnersystem beim Versorger hinterlegt und gemanagt werden müssten.

Die Frage, wie viele der E-Mobilisten wirklich einen solchen Vertrag abschließen würden, lässt sich nicht beantworten. Vermutlich wären es nicht viele. German Angst ist auch German Reichweitenangst. Verpflichtende Verträge hingegen würden den E-Auto-Absatz weiter einbrechen lassen.

Wir werden auf absehbare Zeit keine rollenden Netzstromspeicher auf der Straße sehen. Sie sind die Träume des Ministers und seiner Entourage. Wenn diese Illusion in absehbarer Zeit zerstoben sein wird, bleibt uns zu Zwecken der Stromspeicherung nur noch die Wunderwaffe Wasserstoff – später.
Vernünftig wären ein breiter, belastbarer und am Bedarf orientierter Energiemix und verschiedene Speicher. Die alte politische wie wirtschaftliche Weisheit, dass man stets mehrere Eisen im Feuer haben sollte, wird von eindimensionaler wie interessengeleiteter Energiepolitik ignoriert.

Vielleicht gelingt es aber doch noch, Strom abzufüllen.

„Eine Tüte Strom, bitte.“
„Strom ist aus heute.“
„Ich habe aber einen Bezugsschein“
„Das ist schön. Strom ist trotzdem nicht. Nichts mehr zu Hause?“
„Es wird knapp.“
„Morgen wieder nachfragen, es soll windig werden.“


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