Vor einem knappen Jahr sprach Dr. Martin Iffert, Vorstandsvorsitzender der Trimet Aluminium SE, im Rahmen einer Veranstaltung zur Energiewende in Hannover klare Worte. Sein mit 3.000 Mitarbeitern als klassischer Mittelständler anzusehendes Unternehmen benötigt an den sechs deutschen Standorten 8 TWh pro Jahr, das ist mehr als ein Prozent der gesamten deutschen Elektrizitätsproduktion.
Wäre Trimet als energieintensiver Betrieb nicht weitgehend von der EEG-Umlage befreit, hätte man die gegenwärtige Energiepolitik mit einer jährlichen Zwangsabgabe von etwa 300 Millionen Euro zu finanzieren. Was ein Mehrfaches des Gewinns ausmachen würde, der bei etwa 50 Millionen Euro liegt. Schon ein Anstieg des Strompreises um nur einen Cent pro Kilowattstunde würde Mehrkosten von 80 Millionen Euro pro Jahr bedeuten und damit die Firma in die Verlustzone treiben. Die deutschen Hütten könnten nicht mehr gehalten werden. Was auch Zulieferer, Dienstleister und Abnehmer entlang der Wertschöpfungskette schwer träfe. Iffert nannte eine typische Zahl von 200 Unternehmen pro Standort.
Professor Wolfgang Eberhardt von der TU Berlin ficht das nicht an. Der Erhalt der Aluminiumindustrie hat nach seiner Auffassung eine geringere Priorität als die Umsetzung der Energiewende. Er verdeutlichte dies bei einem Vortrag, den er im November 2015 ebenfalls in Hannover hielt, mittels einer zu trauriger Berühmtheit gelangten Grafik. Das Diagramm kursiert seit etwa zwei Jahren im Internet. Es wird auf diversen Seiten gezeigt, die den Ausbau regenerativer Energiequellen propagandistisch unterstützen. Die Zahlenwerte sind häufig unterschiedlich (in der Regel fehlt die Quellenangabe) und meist endet es im Jahr 2014. Die optische Anmutung aber ist immer dieselbe. Hier möchte ich meine auf den offiziellen Daten des Bundeswirtschaftsministeriums basierende Version der Zeichnung erläutern.
Gezeigt werden die Entwicklung der EEG-Umlage (schwarze Kurve, rechte Skala) im Vergleich zu den sogenannten EEG-Differenzkosten (rote Balken, linke Skala).
Zwei durch das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ oder kurz EEG im Jahr 2000 festgelegte und bis heute nicht korrigierte Mechanismen gestalten die Energiewende grundlegend. Erstens darf jeder, der Strom aus einer als „erneuerbar“ definierten Primärenergiequelle erzeugt, diesen jederzeit in das Netz einspeisen. Die Netzbetreiber müssen unabhängig vom tatsächlichen Bedarf diese Energie aufnehmen und verteilen. Und sind zweitens verpflichtet, eine gesetzlich vorgeschriebene Einspeisevergütung dafür zu zahlen.
Im Gegenzug dürfen sie den Strom an der Börse handeln. Da die auf diese Weise erzielten Einnahmen weit unter den vorgeschriebenen Vergütungssätzen liegen, entsteht für die Netzbetreiber ein Verlust – den die Verbraucher erstatten müssen.
Alternativ ist auch die direkte Vermarktung möglich. Der NIE-Strom (NIE steht für naturinvasive Energiequellen) wird dann nicht durch die Netzbetreiber, sondern durch den Anbieter selbst an den Endabnehmer verkauft. In diesem Fall gleicht eine am mittleren Börsenpreis des Vormonats orientierte Marktprämie die Differenz zwischen den erzielten Erlösen und der garantierten Vergütung aus. Hinzu kommt eine Managementprämie für den Aufwand, den Marketing und Vertrieb bedeuten. Diesen selbst zu finanzieren, ist scheinbar einem Öko-Gewinnler nicht zuzumuten. Da viele EEG-Anlagen in das Mittel- und Niederspannungsnetz einspeisen, benötigen sie Teile der Netzinfrastruktur nicht und müssen daher für deren Erhalt auch keine Gebühren zahlen.
Die EEG-Differenzkosten sind die Differenz zwischen den durch die geförderten Strommengen erzielten Einnahmen (Börse und Direktvermarktung) und den Ausgaben (Vergütungen, Markt- und Managementprämien abzüglich der vermiedenen Netzentgelte). Sie werden durch einen Aufschlag auf jede verbrauchte Kilowattstunde, die EEG-Umlage, refinanziert.
Das Diagramm enthält nun die folgende Botschaft: Zwischen 2009 und 2014 ist die EEG-Umlage schneller gestiegen als die Differenzkosten.
Als skandalös empfinden dies viele Befürworter der Energiewende, nicht nur Wolfgang Eberhardt. Die Politik habe hier ein Loch geschaffen, in dem Geld der Verbraucher einfach versickere. Die Energiewende wäre in Wahrheit bei weitem nicht so teuer, wie man denkt. Vehement wird die Bundesregierung aufgefordert, diesen Konstruktionsfehler zu beheben.
Aufgedeckt haben das Ganze die Mitarbeiter von Professor Eicke Weber, seines Zeichens Chef des Fraunhofer Institutes für Solare Energiesysteme ISE. Eben dieser Eicke Weber machte die Erkenntnis dann im Sommer 2014 auch öffentlich. Durch einen Vortrag, dessen entscheidende Passagen man in einem Videomitschnitt nachverfolgen kann.
Als „eine der größten Schweinereien im ganzen deutschen Energiesystem“ bezeichnet Weber darin den Vorgang, durch den sich „die Leute, die den Strom bereitstellen“ (also die Netzbetreiber) Geld „in die Tasche“ stecken würden.
Damit liegt er falsch. Niemand steckt sich hier irgendetwas in die Tasche. Mit Ausnahme der Betreiber von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen, die den Löwenanteil der Subventionen einstreichen. Auch handelt es sich bei dem Auseinanderdriften von Differenzkosten und Umlage nicht um eine „Schweinerei“, sondern um ein Ergebnis der Konzeption der Energiewende.
Zunächst hat sich mit der Aktualisierung bis 2016 einschließlich (unter Verwendung von Prognosewerten der Netzbetreiber) der Unterschied in den Geschwindigkeiten des Anstiegs verflüchtigt. Das Auseinanderdriften in den Jahren 2012 bis 2014 beruhte auf drei Effekten.
Einerseits verzichtete man auf die in 2012 eigentlich gebotene Erhöhung der Umlage, vielleicht aus wahlkampftaktischen Erwägungen. Was einen Nachholeffekt in 2013 nach sich zog. Andererseits gestattete man den Netzbetreibern den Aufbau von Reserven auf dem EEG-Konto, über das die Auszahlungen an die subventionierten Erzeuger abgewickelt werden. Dieser Puffer verhindert eine Überziehung des Kontos und damit Zinszahlungen, falls die wetterabhängigen Wind- und Solarkraftwerke mehr einspeisen als vorhergesagt. Als dritter Faktor ist die Ausweitung des privilegierten Letztverbrauchs zu nennen.
Berechnet wird die EEG-Umlage mittels einer Division der Differenzkosten durch den Nettostromverbrauch. Wenn nun aber immer mehr Verbraucher „privilegiert“, also von dieser Zahlungsverpflichtung ganz oder teilweise ausgenommen werden, erhöht sich der Aufschlag auf den Strompreis für die verbleibenden Abnehmer. Immer weniger Stromkunden zahlen die immer höheren Subventionen. Deswegen stieg die EEG-Umlage zuletzt schneller als die Differenzkosten. Rechnet man die Umlagebefreiung heraus, ist alles wieder in der Reihe. Wortführende Energiewende-Propagandisten wie Wolfgang Eberhardt oder Eicke Weber wissen das ganz genau. So haben beispielsweise Webers Mitarbeiter diese Umstände in einer Studie im Jahr 2014 analysiert und beschrieben.
Unternehmen wie Trimet zählen zu den privilegierten Letztverbrauchern. Energieintensive Industrien, die hierzulande das Rückgrat der industriellen Wertschöpfung bilden und Arbeitsplätze in großer Zahl sichern. Der „Skandal“ besteht aus der Sicht der Eberhardts und Webers in der noch bestehenden Weigerung der Bundesregierung, solche Firmen durch die Energiewende endgültig aus dem Land zu treiben. Schon jetzt hat die gegenwärtige Energiepolitik Trimet dazu bewogen, neue Werke im Jahr 2013 nicht mehr in Deutschland, sondern in Frankreich zu eröffnen. Im Süden, wo Wasserkraft aus den Alpen preiswert in großen Mengen zur Verfügung steht.
Mit der Ausweitung von Wind- und Sonnenstromkapazitäten steigen auch die Differenzkosten und damit die EEG-Umlage. Immer mehr Unternehmen gelangen dann ähnlich wie Trimet an einen Punkt, an dem sie ihre Produktion verlagern müssten, würden sie nicht von der Umlage befreit. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer gegenwärtigen Linie, beschleunigt sich dadurch automatisch die Belastung der privaten Endverbraucher. Über 300.000 Haushalte in Deutschland sind bereits heute nicht mehr dazu in der Lage, ihre Stromrechnung zu bezahlen. Bald wird man auch hier über eine „Privilegierung“ nachdenken müssen. So funktioniert die Energiewende. Eine Kaskade der Subventionen, bei denen die eine die andere automatisch nach sich zieht.
In der Phantasie des Q-Cells-Aufsichtsrates Eicke Weber besteht Deutschland aus Einfamilienhäusern mit solarzellenbedeckten Dächern, in deren Umgebung auf endlosen Mais- und Rapsfeldern zehntausende Windräder emporragen. Im Deutschland des Eicke Weber lebt man wohl davon, sich gegenseitig den Rasen zu mähen und die Haare zu schneiden, denn die Industrie wurde vertrieben. Das ist auch ein Weg zur gewünschten Reduzierung des Strombedarfs. Umsetzen möchte er das mit und in der FDP. Denn für die tritt Weber an, als Landtagskandidat bei der bevorstehenden Wahl in Baden-Württemberg. Man fragt sich, für wen das eine gute Idee ist.