Tichys Einblick
Mangels Wind steigt der Bedarf an Gas

Der rasante Energiepreisanstieg und die Suche nach den Verantwortlichen

Zuerst Energie politisch rar machen – und sich dann aufregen, wenn die Preise für Energie in gleichem Maße steigen. Wer die Verantwortung dafür in Russland sucht, vergisst, wer für den Ausstieg aus der Atomkraft und die Abhängigkeit von russischem Gas verantwortlich ist.

imago Images

Die Energiepreise kennen nur eine Richtung: steil nach oben. Die weltweite Nachfrage nach Erdgas treibt sie in die Höhe. Vor allem asiatische Länder erleben einen deutlichen Wirtschaftsaufschwung und benötigen Energie. Sie denken nicht daran, abzuschalten. Die USA und Länder wie Katar liefern ihr tiefgekühltes Erdgas LNG vorwiegend nach Asien.

Mit der DEP Deutsche Energiepool GmbH macht der erste deutsche Versorger dicht. E.On übernimmt als Grundversorger die Belieferung der Kunden – zu entsprechend höheren Preisen. Die Beschaffungspreise für Erdgas und Strom hätten sich am Terminmarkt verdreifacht, erklärt DEP: »Mit einer solch rasanten und nie dagewesenen Entwicklung hat kaum jemand im Energiemarkt gerechnet.«

Der Einfuhrpreis für Erdgas stieg laut Bundesamt für Wirtschafts- und Ausfuhrkontrolle zwischen Januar und Ende Juli 2021 um rund 42 Prozent. Zwischen Juli 2020 und Juli 2021 betrug der Anstieg sogar 146 Prozent. Der Börsenpreis pro Megawattstunde Gas sprang laut dem Vergleichsportal Check 24 auf ein Allzeithoch. Er lag im September bei 44,03 Euro, im September 2020 waren es nur 7,99 Euro. Eine Steigerung um 451 Prozent. 57 Grundversorger haben bereits ihre Preise im Durchschnitt um 11,5 Prozent erhöht.

Dieses Jahr war ein ausgesprochen windarmes Jahr. Im ersten Halbjahr 2021 ging der Anteil der Erneuerbaren weiter zurück. Sie erzeugten nur noch 43 Prozent des gesamten Stromverbrauches in Deutschland. Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres waren es noch 50 Prozent. Das Wetter hielt sich nicht an die Planvorgaben des neuen Klimaschutzgesetzes.

Mehr Kohle- und Erdgaskraftwerke mussten also zur Stromerzeugung ran.
Der Großhandelspreis für Gas ist in Österreich ebenfalls um über 400 Prozent gestiegen.

Dramatisch ist die Lage in Großbritannien: Dort sind bereits mindestens sechs kleine Versorger pleite gegangen. Millionen von Strom- und Gaskunden müssen sich neue Anbieter suchen und entsprechend mehr bezahlen. 1500 Euro zahlt dort ein Durchschnittshaushalt ab dem 1. Oktober für Energie.

Die Hälfte des Stromes wird mit Gaskraftwerken erzeugt, die ebenfalls unter den hohen Gaspreisen zu leiden haben. Jetzt sollen die Kohlekraftwerke, die noch nicht im Rahmen des Klimaschutzes abgeschaltet wurden, laut Guardian Rekordsummen dafür bekommen, dass sie Strom liefern und die Lichter nicht ausgehen lassen. Denn auch in Großbritannien schalteten Maschinenstürmer reihenweise Kohlekraftwerke ab.

Der Wind weht derzeit auch über den britischen Inseln aber nur wenig, die Windräder liefern kaum. Laut Bloomberg liegt der Preis für Strom zu Spitzenzeiten bereits um mehr 2.900 Prozent über dem Durchschnittspreis der letzten zehn Jahre. Die britische Regierung weist auf die weltweit gestiegenen Erdgaspreise aufgrund der gestiegenen Nachfrage hin und bringt die COVID-19-Lockdowns tatsächlich als Erklärung.

In Verbindung mit einem vergangenen kalten Winter, der sich auf die Gasnachfrage auswirkte, weil Gas häufig zum Heizen von Häusern verwendet wird, habe dies zu einem viel engeren Gasmarkt mit weniger freien Kapazitäten geführt. Im Vereinigten Königreich ist der Gasmarkt für die Energieversorgung des Vereinigten Königreichs aufgrund seiner Bedeutung für Heizung, Industrie und Stromerzeugung von entscheidender Bedeutung. Über 22 Millionen Haushalte sind an das Gasnetz angeschlossen, und im Jahr 2020 wurden 38 Prozent des britischen Gas-bedarfs für Heizzwecke, 29 Prozent für die Stromerzeugung und 11 Prozent für industrielle und gewerbliche Zwecke verwendet.

48 Prozent des Erdgases kommen in Großbritannien aus den eigenen Erdgasvorkommen aus dem Festlandssockel, der Rest über eine Pipeline aus Norwegen. »Außerdem«, so das Wirtschaftsministerium in London schuldbewusst, »investieren wir Millionen in den Ausbau starker erneuerbarer Energiekapazitäten und die Senkung der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen.«

Es wird erwartet, dass die Rekordpreise bis 2022 zu einem Anstieg der Energierechnungen für Privathaushalte führen werden, was mehr als eine halbe Million Menschen im Vereinigten Königreich zum ersten Mal in die Energiearmut stürzen und viele kleine Energieversorger in den Konkurs treiben wird.

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Als Beigabe plant die britische Regierung laut einem Bericht der Times, ab Mai kommenden Jahres in Stoßzeiten private Ladesäulen für Elektroautos abzuschalten. Damit soll ein Blackout verhindert werden. Wer mit seinem E-Auto dann zur Arbeit fahren will, hat Pech gehabt: Akku leer. In Deutschland hat Bundeswirtschaftsminister Altmaier dasselbe bloß unter einem anderen Namen ins Spiel gebracht: Spitzenglättung bedeutet Abschalten, wenn kein Strom da ist.

Der englische Wirtschaftsminister hat bereits eine Winternothilfe für Bedürftige eingerichtet: »Cold Weather Payments« (Zahlungen bei kalter Witterung) bieten bedürftigen Haushalten, die entsprechende Leistungen beziehen, eine finanzielle Unterstützung, wenn das Wetter ungewöhnlich kalt war oder dies vorhergesagt wird. 25 Pfund stehen berechtigten Haushalten für jeden siebentägigen Zeitraum mit sehr kaltem Wetter zwischen dem 1. November und dem 31. März zur Verfügung.

Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Das ist auch die Absicht der EU-Kommission. Gas und Heizöl sollen teurer werden, damit weniger fossile Energien verbraucht werden und jener ominöse CO2-Ausstoß zurückgeht. Doch die EU-Kommission gerät unter Druck, ihr schöner »Green Deal« droht, ihr angesichts der horrenden Kostensteigerungen um die Ohren zu fliegen.

Die EU-Kommission – allen voran von der Leyen und Timmermans – betonen vehement, die Preise hätten nichts, aber auch gar nichts mit der Klimawende zu tun. Timmermans meint gar, wenn der »Green Deal« schon fünf Jahre früher umgesetzt wäre, »dann wären wir jetzt nicht in dieser Lage, sondern unabhängig von Gas und anderen fossilen Energieressourcen“.

Damit reicht er schon an die Kemfertschen Kurzschlüsse heran. Wenn Windräder aufgrund von Flaute keinen Strom liefern, dann benötigen »wir« eben noch 100.000 Windräder mehr, sagt Energiewendeideologin Claudia Kemfert immer wieder. Die rechnet ebenfalls vor, dass die Gaspreise in Deutschland deshalb so stark angestiegen seien, weil die »Erneuerbaren« noch nicht weit genug ausgebaut seien.
Doch scheinheiliger gehts nicht. Öl und Gas müssen am Emissionshandelssystem teilnehmen und sogenannte »Verschmutzungsrechte« kaufen. Ein Musterhaushalt zahlt dafür laut Check24 allein 143 Euro.

Die aber sollen von Jahr zu Jahr weniger werden, sodass die Preise steigen. Frieren gegen den Klimawandel für diejenigen, die sich eine warme Wohnung nicht mehr leisten können.

Schon protestieren Länder wie Griechenland, Italien, Rumänien und andere. Was macht die Kommission? Sie will diese Länder mit Unterstützung für Haushalte bedenken. Im Klartext, Geld aus Deutschland verteilen, damit Strom und Gas bezahlt werden können.

Der ominöse CO2-Zertifikatehandel soll auf Gebäude und Verkehr ausgeweitet werden. Das war Kern des »Fit-for-55«-Pakets, das von der Leyen so blumig im Juli vorgestellt hat. Damit wird die Energie noch teurer.

Die Schuld für die Energiekrise soll Russland in die Schuhe geschoben werden.  Putin war‘s mal wieder. Dabei war genau diese Entwicklung mehr als nur absehbar. Warnungen vor einer solchen Abhängigkeit wurden jahrelang diffamiert und in den Wind geschrieben.

Oliver Krischer, bisheriger grüner stellvertretender Fraktionschef im Bundestag, behauptet, dass Russlands Gaskonzern Gazprom aus politischen Motiven derzeit nicht mehr Gas nach Europa liefert und schiebt dem staatlich kontrollierten russischen Gaskonzern Gazprom die Schuld in die Schuhe. Er selbst betonte früher, dass kein Mensch Nordstream 2 benötige, weil es den europäischen Dekarbonisierungsverpflichtungen widerspreche.

Doch jetzt liegen die Rohre der Pipeline fertig auf dem Boden der Ostsee, könnten genutzt werden. Die Beamten der Bundesnetzagentur benötigen allerdings mindestens bis Januar, bis die Leitung abgenommen und zertifiziert ist. »Das muss mehr als korrekt erfolgen, und dafür braucht man auch Zeit, damit die Entscheidungen nicht anschließend von Gerichten oder der EU-Kommission kassiert werden«, so wieder Krischer von den sonst als so korrekt bekannten Grünen. Bei der Erteilung der Genehmigungen könne nur vor einem schnellen Durchwinken gewarnt werden. Er hofft wohl immer noch, die Pipeline verhindern zu können.

Auf russischer Seite sieht »Energieexpertin« Kemfert ein klares Interesse an einer Verknappung der Gaslieferungen. »Russland schürt selbst den Eindruck, dass es mehr Gas liefern könnte, wenn es wollte. Es wurde gesagt, dass mit Inbetriebnahme von North Stream 2 mehr Gas nach Europa fließen könnte, das lässt den Eindruck entstehen, dass man die Preise auf dem europäischen Erdgasmarkt künstlich hoch treiben will, um zumindest den Druck zu erhöhen, dass North Stream 2 rasch fertig gestellt wird«, so Claudia Kemfert.

Der CO2-Reduzierungseifer und das Ziel »Klimaneutralität« kommen Europa sehr teuer zu stehen. Denn zusätzlich will die Kommission der CO2-Zertifikate verknappen und damit weiter die Preise antreiben. Die vorläufigen Ergebnisse sieht sie jetzt.

Es ist auch an der Zeit, an die wahren Urheber der verschärften Energieknappheit zu erinnern. Rolf Schuster von Vernunftkraft ruft gerade einen Satz des damaligen Bundesumweltministers Trittin in Erinnerung: »Neue Atomkraftwerke schützen das Klima nicht. Kernkraft als Mittel gegen den Klimakollaps ist eine von interessierter Seite genährte Illusion … Atomkraftwerke tragen zum verschwenderischen Umgang mit Energie bei.«


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