Tichys Einblick
Ohne Perspektive

Das Bundeswirtschaftsministerium antwortet auf „Kein Strom aus Sonne und Wind“

TE hatte die Energiewendeministerien von Bundeswirtschaftsminister Altmaier und Umweltministerin Schulze gebeten, darzulegen, woher bei wenig Sonne und Wind der Strom kommen soll. Das Bundeswirtschaftsministerium hat geantwortet.

Windräder bei Görlitz

imago images / photothek

Wohl ziemlich einmalig dürfte sein, wie in einem Industrieland gefeiert wird, dass die Axt an die Energieversorgung gelegt ist. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) freut sich: »Der Kohleausstieg in Deutschland nimmt Fahrt auf.« Der 1. Januar 2021 dürfte tatsächlich Meilenstein in der Fahrtaufnahme sein: Kraftwerke mit über fünf Gigawatt Leistung gehen vom Netz.

In Nordrhein-Westfalen hat RWE mit Block D seines Braunkohlekraftwerkes Niederaußem bei Köln den ersten Block vom Netz genommen. Dieser 300 MW-Block lieferte seit 1968 zuverlässig und preiswert Strom, Block C des Kraftwerkes soll bis Ende 2021 abgeschaltet, die restlichen Blöcke sollen Ende 2029 kalt gemacht werden. Ebenso werden die Kraftwerke in Weisweiler und Neurath nacheinander ausgeknipst.

In Hamburg wird das neue Kraftwerk Moorburg an der Elbe abgeschaltet. Bis Mitte des Jahres soll geprüft werden, ob es als Reserve für den Notfall dienen und der Stillstand entsprechend bezahlt werden muss – oder endgültig abgerissen werden kann. Gerade mal fünf Jahre hat es Strom produziert; Betreiber Vattenfall verlor nach jahrelangen Querschlägen gegen den Betrieb die Lust an dem Kraftwerk und fand es sinnvoller, sich die Stillegung mit Steuergeldern entschädigen zu lassen.
Dass sogar junge Kraftwerke wie Moorburg vom Netz gingen, zeigt Schulze, »dass die Energieversorger Platz schaffen wollen für Zukunftstechnologien«. Die allerdings in den vergangenen Monten nicht in der Lage gewesen wären, die Stromversorgung Deutschlands aufrecht zu erhalten.

Die Bundesnetzagentur berichtete, dass Deutschland im vergangenen Jahr mehr Strom als zuvor importieren musste, um die Nachfrage zu decken. Mit rund 33.000 Gigawattstunden waren es ein Drittel mehr als 2019. Der Export halbierte sich auf 17.400 Gigawattstunden.

Ab 2022 erwarten die vier Übertragungsnetzbetreiber, dass vor allem französischer Atomstrom importiert werden muss. Vorausetzung dafür ist allerdings, dass im Nachbarland genügend Strom zur Verfügung steht. Im Winter wird es dort häufig knapp, weil viel mit elektrischem Strom geheizt wird.

Gerade in den vergangenen Wochen haben Wind und Sonne in Deutschland kaum Strom »geliefert«. So führten Hochnebeldecke und wenig Wind dazu, dass beispielsweise am Freitag, 29. November, um 7:00 Uhr morgens Windräder und Fotovoltaikanlagen ganze 774 MW lieferten. Damit produzieren die rund 30.000 Windräder und Millionen an Fotovoltaikanlagen in Deutschland nicht einmal mehr die Strommenge eines mittleren Kohlekraftwerks. Doch zu diesem Zeitpunkt wurden 72,613 GW Strom verbraucht. Eine gigantische Lücke also klafft zwischen den minimalen Strommengen von Wind und Sonne und Stromverbrauch.

Doch das sind typische Wetterlagen, die durchaus längere Perioden anhalten können. Ohne die Leistungen konventioneller Kraftwerke hätten es im gesamten Dezember ziemlich duster ausgesehen. Die rote Linie zeigt den Stromverbrauch an, dazwischen die gewaltige Lücke zu den aus Wind, Biomasse und Sonne umgewandelten Strommengen.

Das hat uns veranlasst, in den Planstellen der Energiewende nachzufragen, wie man sich dort vorstellt, woher der Strom bei solchen länger anhaltenden Wetterlagen kommen soll. Bundesumweltministerin Schulze fordert zwar regelmäßig lautstark »Abschalten«, weiß aber nicht, woher der Strom kommen soll und verweist in einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage von TE an das Bundeswirtschaftsministerium.

Antwort des BMWi

Das betont in seiner ausführlichen Antwort an TE, die wir hier dokumentieren: »Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist hoch. Die Energiewende – das heißt auch der Kernenergie- und der Kohleausstieg – haben keine negativen Auswirkungen auf die Stromversorgung.«

Denn unter dem Begriff ‚Versorgungssicherheit‘ werde die angemessene Deckung des Strombedarfs markt- und netzseitig verstanden. Neben dem Ausgleich von Angebot und Nachfrage an der Strombörse, so das Bundeswirtschaftsministerium weiter, gehe es insbesondere darum, dass der Strom durch die Netze auch beim Verbraucher ankommt.

»Alle aktuellen Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass die sichere Stromversorgung in Deutschland auch künftig auf dem heutigen hohen Niveau gewährleistet bleibt. In den Analysen wird auch der Ausstieg aus der Kernenergie und die Beendigung der Kohleverstromung berücksichtigt. Die Sicherheit der Stromversorgung wird in verschiedenen Untersuchungen und ineinandergreifenden Arbeitsprozessen der Netzbetreiber, der Bundesnetzagentur (BNetzA) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) untersucht.«

Folgende Berichte und Studien zur angemessenen Stromerzeugung und zur sogenannten Netzreserve untersuchen die aktuelle und künftige Stromversorgung in Deutschland aus verschiedenen Blickwinkeln:

Monitoring der angemessenen Stromerzeugung („Midterm Adequacy Forecast“) des Verbandes der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSOE),
Monitoring der angemessenen Stromerzeugung im Auftrag des BMWi,
Bedarfsanalysen zur Netzreserve der Übertragungsnetzbetreiber und zugehörige Festlegungen der BNetzA.

Dass die Versorgung mit Strom in Deutschland sehr zuverlässig ist, belege insbesondere der sog. SAIDI-Index (System Average Interruption Duration Index).
»Laut dem von der BNetzA regelmäßig erhobenen SAIDI-Index summierte sich die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung in Deutschland im Jahr 2019 auf 12,20 Minuten. Dies ist die bisher geringste Ausfallzeit seit der ersten Veröffentlichung aus dem Jahr 2006. Zum Vergleich: Während in Deutschland der Wert der durchschnittlichen Versorgungsunterbrechung in 2016 bei ca. 13 Minuten lag, lag er in Italien und Großbritannien bei rund 40 Minuten, in Frankreich bei 50 Minuten und in Schweden bei 70 Minuten. Der SAIDI liegt seit über 10 Jahren in diesem Bereich. Das sind sehr gute Werte, insbesondere im internationalen Vergleich.«

Wir hatten in unserer Anfrage auf die Verhältnisse Ende November hingewiesen und festgestellt, dass ohne konventionelle Kraftwerke es in Deutschland keinen Strom gegeben hätte. Denn Wind und Sonne haben nicht geliefert.

Das Bundeswirtschaftsministerium antwortete weiter: »Die von Ihnen beschriebene Situation am 27.11. haben wir uns genauer angesehen: Am 27.11. haben Erneuerbare Energien in Deutschland in der Tat phasenweise relativ wenig Strom in die Netze eingespeist; dennoch war die Stromversorgung jederzeit gewährleistet und es bestand ein deutlicher Puffer. Die Stromversorgung in Deutschland wird nämlich nicht nur durch Wind- und Solarenergie gedeckt, sondern auch durch Wasserkraft und thermische Kraftwerke (inkl. Biomasse) im In- und Ausland.«

»In der von Ihnen genannten Stunde um 7 Uhr morgens war der Strompreis im Großhandelsmarkt mit ca. 75 Euro pro MWh (Day-Ahead-Preis) weiterhin relativ günstig und ca. 800 MW wurden saldiert aus dem Ausland importiert. An der Strombörse bestand ein ungenutzter Angebotsüberhang von fast 5 GW. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass außerhalb der Börsen im sog. bilateralen OTC-Handel weiteres zusätzliches Angebot bestanden hat, das aber nicht zentral erfasst wird.«

»Bekannt sind jedoch die zusätzlichen Reserven (insbesondere die Kapazitäts- und Netzreserve) von aktuell mehr als 7,5 GW, die zusätzliche zur Absicherung zur Verfügung standen; von einem Einsatz waren diese Anlagen jedoch sehr weit entfernt. Alles in allem kann der 27.11. um 7 Uhr morgens als übliche Situation an den Strommärkten beschrieben werden.«

»Auch langfristig zeigen diverse Energiesystemstudien, die zeitlich und räumlich hoch aufgelöst das Energiesystem modellieren, dass eine sichere Stromversorgung auch bei sehr hohen Anteilen erneuerbarer Energien jederzeit gewährleistet werden kann. Zum einen erlaubt der Ausbau der Stromnetze den großräumigen Ausgleich der fluktuierenden Erzeugung aus erneuerbaren Energien. Zum anderen können diverse weitere Komponenten des Energiesystems auf die fluktuierende Erzeugung aus Wind- und Solarenergie reagieren. Hierzu gehören unter anderem Speicher, zeitliche Lastverschiebun-gen und neue flexible Stromverbraucher im Rahmen der sog. Sektorkopplung wie z.B. Elektroautos oder Elektrolyseure. Darüber hinaus können thermische Kraftwerke, die zukünftig mit erneuerbaren Brennstoffen betrieben werden (z.B. Wasserstoff), in den noch verbleibenden Stunden, wo dies erforderlich ist, einen Teil der Stromnachfrage decken.«

Deutschland hat die höchsten Strompreise, so schrieben wir. Das BMWi antwortet: »Mit Blick auf die Strompreise in Deutschland ist es korrekt, dass die Strompreise für typische Haushaltskunden aktuell im EU-Vergleich recht hoch sind. Zu bedenken ist dabei aber auch, dass das BIP pro Kopf in Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt, was auch insgesamt ein höheres Preisniveau nach sich zieht.«
»Die Ursachen für die im internationalen Vergleich hohen Strompreise liegen dabei bereits recht weit zurück: Zwischen 2010 und 2014 kam es durch den Anstieg der EEG-Umlage zu einem Anstieg der Strompreise von 23,42 ct/kWh auf 29,53 ct/kWh. Der Anstieg der EEG-Umlage war wiederum auf den starken Ausbau von Photovoltaik- und Biomasseanlagen bei gleichzeitig hohen Fördersätzen für diese Anlagen zurückzuführen. Diese vergleichsweise hohen Förderkosten belasten den Strompreis noch heute, weil die Vergütungen für den Strom aus Erneuerbaren Energien für zwanzig Jahre garantiert sind. Diesen „Kostenrucksack“ aus der Vergangenheit werden wir noch einige Jahre tragen müssen. Er wird aber Jahr für Jahr leichter, weil die Vergütungsansprüche der Altanlagen ab 2021 sukzessive enden.«

»Seit 2014 sind die Strompreise stabil. Der Anstieg von 29,14 ct/kWh in 2014 auf 31,71 ct/kWh in 2020 (unter Berücksichtigung der Corona-bedingten Absenkung der Umsatzsteuer von 19 auf 16 % liegt der Wert für 2020 bei 30,91 ct/kWh, jeweils BDEW-Zahlen) entspricht 8,8 %, das ist ein Anstieg um 1,4 % pro Jahr. Im gleichen Zeitraum lag die allgemeine Inflationsrate bei 1,2 % pro Jahr. Stromkosten haben sich also ähnlich entwickelt wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Der Anteil der Letztverbraucherausgaben für Strom am Bruttoinlandsprodukt ist sogar von einem Höchststand von 2,7 % in 2012 auf 2,4 % in 2018 gesunken.«

»Um die Belastung für Stromverbraucher zu mindern, deren Kaufkraft zu stärken und um die Wettbewerbsnachteile strombasierter Klimaschutztechnologien abzubauen, hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr beschlossen, die EEG-Förderkosten künftig teilweise durch Haushaltsmittel zu finanzieren und damit den Strompreis zu entlasten. Ab 2021 fließt ein Teil der Einnahmen aus der nationalen CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor (Brennstoffemissionshandelsgesetz – BEHG) in die Finanzierung des EEG und wird über eine Senkung der EEG-Umlage an die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen zurückgegeben.«

Im Klartext bedeutet das allerdings: linke Tasche – rechte Tasche. Das hatte Bundeswirtschaftsminister Altmaier bereits angekündigt.

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