Tichys Einblick
Nicht Verderber, sondern Lebensspender

Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 92: Die Klimareligion

Fester Glaube ist nun mal Job der Kirchen. Nun soll eine neue Reformation her. Der Auslöser ist nicht Tetzel, sondern der Satan in spurengasförmigem Gewand, der Diabolus der Atmosphäre, der angebliche Verderber der Schöpfung, der Leben aber erst möglich macht – das Kohlendioxid.

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Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

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Klimareligion, die

Langsam aber stetig vollzieht sich in unserem Land die Bildung einer neuen Glaubensrichtung. Ihre Eltern beziehungsweise Elter 1 und Elter 2 sind die maßgebende Klimawissenschaft und die Klimapolitik. Die Klimareligion ist gewissermaßen eine säkulare Religion, mit der durch Glauben alles Zweifeln an Wissenschaft und Politik verhindert werden kann.

Willig nehmen die Kirchen in Deutschland diese Glaubensrichtung auf. Könnte doch die staatlich indoktrinierte Klimatheorie zu religiöser Prägung der Menschen führen und den Amtskirchen neue Schäfchen zutreiben. Die Angst vor dem baldigen Fegefeuer lässt zusammenrücken und in der Wärme der Gemeinden staatliche Maßnahmen gefasst ertragen. Wer will über einen CO2-Preis klagen, wenn dadurch das Irdische gerettet werden kann?

Schon zu den Feierlichkeiten zum Luther-Jahr 2017 in Wittenberg verstärkte man sich mit einem Tempel der Klima-Allianz, einem Transformations-Pavillon, um die reine Klimalehre zu befördern. Kohlegegner in der Lausitz instrumentalisieren schon lange den Reformationstag als Anti-Kohle-Liturgie. Prominente Gäste wie Professor von Hirschhausen vom DIW äußerten sich deutlich. „Die Energiewende ist die Reformation unserer Zeit“, sagte er bei einer solchen Andachts-Veranstaltung schon 2012. Selbst der Papst ist heute ein Klimavorkämpfer.

Klimaforscher Professor Lucht war 2019 Stargast in Wiesbaden beim Reformationstag der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Offenbarung, Gottes Gericht und Apokalypse haben in der christlichen Glaubenswelt große Tradition und der vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung entsandte sonst weltliche Prediger wusste das entsprechende Feld gut zu beackern. Die Erde werde künftig eine andere sein – das ist noch auslegungsfähig. Aber die Auswirkungen von zu viel Kohlendioxid in der Atmosphäre erfordere schon von den Christenmenschen eine „Transformation“, der „damit verbundene Verzicht auf bisher Gewohntes könne durch ein Mehr an Menschlichkeit ausgeglichen werden.“

Dass Armut zu mehr Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität führen kann, ist aus der Geschichte hinlänglich bekannt. Wohlstand individualisiert, auch weil man nicht mehr stark aufeinander angewiesen ist.

Der „wissenschaftlichen Wahrheit“ müsse ins Auge gesehen werden, so als seien Wahrheit und Lüge Kriterien der Wissenschaft und nicht Fakten und Beweise. Sieben Meter Meeresspiegelanstieg könnten eintreten. Wir stünden an einem Scheidepunkt, so der Mitbegründer der „Scientists for Future“, der auch als Vertreter des „Sachverständigenrates für Umweltfragen“ (SRU) die Bundesregierung berät. Auch er forderte in Wiesbaden eine „neue Reformation“. Sicherlich wird er die Regierung in dieser Frage entsprechend neutral und nach streng wissenschaftlichen Kriterien beraten.

Die Frage ist, was man praktisch tun will. „Wir glauben, dass es einen dritten Weg zwischen der Alternative Atomstrom oder Braunkohle geben muss“, verkündet die Evangelischen Kirche Berlin, Brandenburg, schlesische Oberlausitz (EKBO). Das kann man akzeptieren, denn der Glaube ist nun mal Kerngeschäft der Kirchen. Wenn aber konkrete Aussagen gemacht werden, muss sich die Kirche daran messen lassen. „So treten Christinnen und Christen in Umweltdebatten auch eher mit . . . Fachliteratur als mit der Bibel unter dem Arm auf“, heißt es im Umweltkonzept der EKBO von 2014 – dessen Mitautor Professor von Hirschhausen vom DIW war.
Neue Ideen haben die Amts-Christen auch nach dem Studium der Fachliteratur nicht.

Mehr vom Alten wie mehr Windkraft ist das Ziel. Wenn nötig, wird Widerstand in den Kirchengemeinden mit entsprechendem Fachpersonal begegnet.

Natürlich generieren Kirchenkreise auch erhebliche Einnahmen aus den Pachten der Windkraftanlagen auf kircheneigenem Grund und Boden. Ein Kobold, wer Schlechtes dabei denkt. Wer Gutes tun will, braucht eben auch Geld, selbst wenn der Staat die Kirchensteuern eintreibt und über die Staatskirchenverträge jährliche Zahlungen leistet. Ob aber den Christenmenschen und allen anderen im Land mit dem exzessiven und nicht nachhaltigen Ausbau der Windenergie geholfen ist, darf bezweifelt werden.

Linke Religion

Traditionell blickten insbesondere die Linken sehr kritisch auf die Religionen. „Opium des Volkes“ war die von Marx geprägte Sicht. Sie stünde der Befreiung des Menschen vom Joch des Kapitalismus entgegen. Opium würde nur betäuben, teilweise habe Religion auch die Wirkung von aufputschendem Kokain. Religionskriege würden dies zeigen. Fundamental steht Religion dem sozialistischen Weltbild mit kommunistischem Ziel entgegen, vor allem der Formung der Menschen nach diesem Weltbild.

Witze über den Papst, mal über, oft auch unter der Gürtellinie, sorgten für viel Heiterkeit im linken Milieu. Seitdem immer mehr Verschiedengläubige im Land sind, begrüßt die Szene heute die Religion als Bereicherung – keine Rede mehr vom Opium oder der Kirche als Machtinstrument der Herrschenden. Witze über Religionen werden nicht mehr gemacht, vielleicht weil manche Gläubige heute völlig humorlos sind und einer Schmähung ihres Gottes sehr zupackend begegnen?

Und natürlich bildet die Klimareligion heute eine einende Basis. „Wahre Wissenschaft“ soll unverfälscht die Menschen erreichen, weshalb Annalena Baerbock einen Presseboykott für „Klimaskeptiker“ empfiehlt. Meinungsvielfalt ist der Ausbildung von Glauben hinderlich. Zurzeit wird häufig betont, dass die Meinungsfreiheit in unserem Land nicht eingeschränkt ist. Außer für „Klimaskeptiker“, die vermutlich froh sein können, sich „nur“ nicht öffentlich treffen zu können, anstatt hingerichtet zu werden. Ähnlich im Geiste schreiben Berliner Wohnungsverstaatlicher auf ihre Plakate: „Seid froh, wenn wir Euch nur enteignen“.

Am Gemüsestand der Parteien sind die Grünen als Melone zu erkennen – außen grün, innen rot, viel wässriger Inhalt, wenig Nährwert. Ihre Philosophie wird immer kruder, wie Twittereinträge der Grünen Braunschweig zeigen:

Natürlich kann man an die Energiewende glauben. Problematisch ist, wenn Politiker, selbst Wissenschaftler, so verfahren. Der Weg ins Religiöse vernebelt den Blick dafür, dass der unterbrechungsfreie Umbau des Energiesystems zuvorderst eine höchst anspruchsvolle Infrastrukturaufgabe ist. Man kann den Strom nur schwer in die Steckdose beten. Entsprechende Hinweise sind in der Bibel nicht enthalten.

Die Bewahrung der Schöpfung ist wichtig. Sie gelingt nicht, wenn wir uns auf das vorindustrielle Niveau zurückbeschränken. Es wäre nicht das erste Mal, dass Menschen die Heilige Schrift falsch deuten. Machen wir uns die Erde auf behutsame Weise Untertan. Dabei hilft mehr Wissen, nicht mehr Glauben.


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