Tichys Einblick

Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 76: Quersubventionierung

Kommunale Betriebe, die mit Energie versorgen, waren früher wie das beste Porzellan im Schrank – wertvoll. Zudem brachten sie so viel ein, dass städtische Einrichtungen wie Museen, Bäder oder auch der Nahverkehr mit ihrer Hilfe gestützt werden konnten. Oder eben intern subventioniert, was man gern auch als Quersubventionierung bezeichnet.

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Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die mit Fortschreiten der nationalen Energiewende einen neuen Bedeutungshintergrund erfahren.

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Quersubventionierung, die

Hamburg ist eine reiche Stadt, das scheint so sicher wie der Wechsel von Ebbe und Flut. Aber auch seriöse hanseatische Haushaltsführung bewahrt nicht immer vor Engpässen. So versilberte man um die Jahrhundertwende die stadteigenen HEW (Hamburgischen Elektrizitätswerke), um dem Zeitgeist folgend durch Privatisierung Geld in die Kasse und niedrigere Preise zu bekommen. Später war das Geld verbraten und die Preise sanken mit zunehmender Wirkung des EEG natürlich nicht. Käufer Vattenfall schrieb prächtige Geschäftszahlen. Die Ereignisse um die Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel sowie den Neubau des Steinkohlekraftwerks Moorburg seien hier ausgespart, sie gäben Stoff für ein ganzes Buch.

Jeder Trend kehrt sich um und der Zug mit dem Namen Rekommunalisierung kam in Fahrt. Die Profite Vattenfalls nährten den Politikerneid, doch Rückkauf ließ sich nicht erzwingen. Als Atomkonzern, Klimaschwein und Raffzahn war das Unternehmen bei der inzwischen schwarzgrünen Stadtpolitik unten durch. Um dennoch ein Stück vom Kuchen zu bekommen, beschloss man 2009 die Wiedergründung eines eigenen Energiestadtwerks, vorrangig für den Handel mit Ökostrom und Gas. Die „Hamburg Energie GmbH“ (HE) wurde als 100-prozentige Tochter der kommunalen Wasserwerke gegründet und fiel von Beginn an durch enorm günstige Tarife auf. Konkurrenten wie Lichtblick und andere sowie die Marktwächter der FDP vermuteten eine illegale Quersubventionierung durch die Wasserwerke und riefen den Rechnungshof unter dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung an. Kredite, hinter denen die Wasserwerke und damit die Stadt standen, waren günstiger als für die Wettbewerber, steigende Wasserpreise ließen Geldflüsse in Querrichtung vermuten.

Der Rechnungshof äußerte 2013 einige Kritik in einem Gutachten. Lieferungs- und Dienstleistungsverträge der HE mit den Wasserwerken wurden unzulässig als Inhousegeschäfte abgewickelt, Verträge wurden aufgespalten, um Schwellwerte zu unterschreiten und sich dem Vergaberecht zu entziehen. Eine europaweite Ausschreibung durch die kommunale Hamburger Hochbahn entfiel und HE bekam den Zuschlag, marktunübliche niedrige Preise stellten die Wasserwerke der HE in Rechnung. In 11 von 14 Fällen wurde gegen Vergaberecht verstoßen.

Insgesamt wurden aber weder Gründung noch Geschäftsgebaren als illegal oder strafwürdig betrachtet. Die FDP sieht ihre Vorwürfe und ihre Aussage hingegen bestätigt, dass HE als Einzelunternehmen niemals am Markt bestehen könnte.

Ein nächster Schritt der Rekommunalisierung war der Rückkauf der Stromnetze von Vattenfall nach einem Volksentscheid 2013. Der Ausgang war denkbar knapp (50,9 zu 49,1 Prozent), dennoch kam niemand auf die Idee, brexitähnlich einen neuen Entscheid zu fordern. Vattenfall akzeptierte einfach.

Nun kann Hamburg Energie weiter wachsen und ausschließlich Ökostrom verkaufen. Dass der Saft, wie im vergangenen Sommer, dann doch hauptsächlich aus Kernkraft (Brokdorf), Steinkohle und Gas (Moorburg und Wedel) oder Müll (HKW Rugenberger Damm) stammt, ist dem zertifikatsgesicherten Stromtarifvertrag für den vorrangig ökologisch reinen HE-Stromkunden egal. Elektrisches respektive naturwissenschaftliches Grundwissen wird ohnehin überbewertet, wie die Braunschweiger Grünen wissen. „Die Akzeptanz kann nur erhöht werden, wenn andere Weltbilder als das naturwissenschaftliche anerkannt und bei Entscheidungsfindungen berücksichtigt werden“ vermelden sie per Twitter. Sie meinen in diesem Zitat zwar die Akzeptanz von Religionen, aber Energiewende und Klimareligion liegen auch dicht beieinander.

Inzwischen ist die Stromversorgung selbst für die gut querunterstützte „Hamburg Energie“ zu riskant. Die Freie und Hansestadt schrieb ihren Strombedarf für zentrale öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Museen, Feuerwehr und weiteres aus. HE gab kein Angebot ab, weil „ein relativ hohes wirtschaftliches Risiko“ auf Grund „volatiler Preisentwicklung“ zu erkennen sei. Zudem forderte die Stadt für vier Jahre gesicherte Preise und Herkunftsnachweise für den Ökostrom. Das ist vom stadteigenen Unternehmen zu viel verlangt. Die Lieferung mit Strom aus regenerativen Quellen wäre mit einem „relativ hohen wirtschaftlichen Risiko verbunden“.

2018 hat sich HE noch an keiner Ausschreibung beteiligt, räumt der Senat ein. Oder hat hier jemand nur etwas verschlafen? Grund genug, von Seiten der FDP die Privatisierung von Hamburg Energie zu fordern. Geschichte könnte sich doch wiederholen.

Hamburg bleibt eine reiche Stadt. Die Geschichte von Hamburg Energie zeigt indes, dass diese Form der kommunalen Energiewende nicht als Vorbild einer nationalen taugt. Und einer europäischen ohnehin nicht, denn unsere Nachbarn handeln nicht ideologisch, sondern rational. Nun hat ein dänisches Unternehmen den Zuschlag zur Versorgung der Hamburger öffentlichen Einrichtungen bekommen.

(Quelle: Hamburger Abendblatt vom 1.10.2018)


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