Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.
E wie
Energiewende-Index, der
Halbjährlich untersucht McKinsey den Fortgang der deutschen Energiewende und wertet nach selbst konstruierten Kategorien den Zustand der Energieversorgungssysteme weltweit aus. Bevor ich dazu komme: Es ist mir als ehemaligem Betriebsrat schlecht möglich, emotionsfrei über Aktivitäten eines der großen Unternehmensberater zu schreiben. Ich bitte um Verständnis, denn auf Grund eigener Erfahrungen in einem Großbetrieb stellen sich bei mir schon bei der Nennung einiger Beraternamen wie eben McKinsey, aber auch CapGemini oder anderer die Nackenhaare auf. Ich möchte damit nicht die ganze Branche über einen Kamm scheren, es gibt sicherlich viele seriöse Berater, zum Beispiel für Existenzgründer, den Mittelstand oder besondere Betriebsänderungen.
In meinem ehemaligen Betrieb fanden die Meckies die vermeintlich ideale Spielwiese, um zu zeigen, wie Marktwirtschaft richtig geht. Die übliche Arbeitsweise bestand darin, in den Betrieb einzufallen und alle Details zu erschnüffeln, technisches und fachliches Verständnis nicht erforderlich. „Die Pinguine sind wieder da“ wurde unter Kollegen auf den Fluren geraunt, wenn die zumeist jungen Berater, frisch von Hochschule oder Uni, in dunklen Anzügen und verfolgt von klappernden Rollkoffern, über den Betriebsparkplatz eilend zum Angriff bliesen.
Innerhalb weniger Tage versuchten sie, die komplexen, über Jahre durchoptimierten Betriebsabläufe zu verstehen. Das war für frische Hochschulabsolventen schlichtweg nicht möglich, ich erinnere mich noch gut an Blicke, die denen der Katze am Bahndamm glichen, wenn ein ICE vorbei fährt.
Die Erfahreneren sollten durch Führungskräfte- und Mitarbeiterinterviews Potenziale entdecken. Selbst vor ausgesprochen dämlichen Fragen schreckte man dabei nicht zurück, etwa in der Preisklasse „Sind Elektriker in der Nachtschicht notwendig?“ Die Frage könnte man in einer Gummibärchenfabrik noch gelten lassen, aber in einem Großkraftwerk? Grundlegend war aber die Hoffnung, dass sich jemand findet, der genau weiß, dass in einer anderen Abteilung Reserven erschlossen werden können, weil dort noch Arbeitnehmerschlendrian herrscht.
Fachkräfte des Betriebes belastete man zusätzlich mit der Aufgabe, alle möglichen Zahlen und Kennziffern bereit zu stellen. Alle Daten wurden sorgfältig in riesige Excel-Tabellen eingetippt, danach folgte die Auswertung nach internen, geheimen Formeln. Mit bunten, vorformatierten Powerpoints gab es Zwischenstände und Ergebnisse präsentiert. Ein Ergebnis kommt immer, egal was die Datenlage zeigt: Es ist zu viel Personal an Bord. Mögliche praktische Folgen dieser Erkenntnis kann das Management dann auf die Berater schieben, während diese kundtun, dass die Entscheidungen im Management getroffen werden.
Im konkreten Fall wurden Kraftwerke des Konzerns mit über hundert europäischen Anlagen verglichen. Im Ranking ergab sich sonderbar, dass konzerneigene technisch gleiche Kraftwerke, unter gleichen Randbedingungen betrieben, mehr als zehn Platzierungen trennten. Die Frage nach dem Warum war durch die Meckies aber nicht zu beantworten, denn das Ranking wurde nach einer dem Firmengeheimnis unterliegenden Formel im Stammhaus gerechnet und die Berater vor Ort konnten die Differenz im Ranking nicht aufklären. Damit erwies sich dieses als schlicht wertlos.
Beraten und verkauft
Nun sollen Berater auch neue Wege zeigen und Ideen haben. Ich habe nie erlebt, dass Berater tatsächlich neue Ideen aus dem Hut gezaubert hätten. Allerdings können sie aus dem in anderen Unternehmen erbeuteten Wissen schöpfen und es als eigene Idee verkaufen, was sie dann auch tun. Dumm nur, dass auch das eigene Management schon über den Tellerrand geschaut hat und die Praxis anderer Betriebe nicht unbekannt ist.
Natürlich holt sich kein Management die Berater gern ins Haus. Es weiß, dass das Ergebnis der Beratung unerheblich sein wird, aber der Konzernspitze muss gezeigt werden: „Wir tun was“. Das weiß diese natürlich auch. Sie genehmigt den Beratervertrag, um wiederum den Aufsichtsräten und Aktionären zu zeigen: „Wir tun was.“
Nun ein Index zur Energiewende von McKinsey. Index bedeutet in diesem Fall, dass statistisch ermittelte Zahlenwerte oder Kennziffern „indexiert“, das heißt, mit Ziel- oder Bezugszahlen verglichen werden. Zahlentechnisch kann nicht viel falsch gemacht werden, die Daten sind öffentlich zugänglich. Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift „Energiewirtschaftliche Tagesfragen“ vorgestellt, allerdings unter der aus regierungsamtlicher Sicht völlig falschen Überschrift: „Energiewende global – was Deutschland von anderen Ländern lernen kann“. Aus nationalem Selbstverständnis heraus mit einer „Vorreiterrolle“ versehen, haben gefälligst die anderen Länder von Deutschland zu lernen.
Im Gesamtranking erreicht Deutschland Platz 16 von 114 betrachteten Ländern. Die von McKinsey gewählten Kategorien zur Bewertung sind natürlich diskutabel und man könnte auch anders gewichten. Die Kategorie „System Performance“ ist jedoch schwer angreifbar, bildet sie doch im Grunde das energiepolitische Zieldreieck aus Umwelt- und Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit ab. Obwohl die Versorgungssicherheit immer noch hervorragend ist, bringen die schlechte Wirtschaftlichkeit und hohe Strompreise (Haushalte und Industrie) samt nicht einzuhaltender Emissions-Minderungsziele nur den 44. Platz im Ranking, hinter Paraguay und Indonesien. Dies dürfte sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern, denn die neue Bundesregierung versucht mit denselben untauglichen Methoden wie bisher die Energiewendeziele zu erreichen, respektive ein totes Pferd weiter zu reiten.
Vorreitendes Mittelmaß
In der Kategorie „wirtschaftliche Entwicklung“ landet Deutschland auf Platz 82, bedingt durch die hohen Strompreise. In der Kategorie „Umwelt -und Klimaschutz“ führen die nicht realisierten Einsparungen im Primärenergie- und Stromverbrauch sowie annähernd gleichbleibender CO2-Ausstoß zu Platz 61. Wenn wegfallender Atomstrom nicht durch die „Erneuerbaren“ ersetzt werden kann, ist dies eben die Folge.
Von den insgesamt 14 Kennzahlen haben sich fünf in positive und sieben in negative Richtung verändert. Explodierende Kosten für Netzeingriffe und ein nachhängender Netzausbau sind im internationalen Vergleich auffällig. Die Strompreise steigen gegen den internationalen Trend.
Natürlich kann man fragen, ob Ländervergleiche wie dieser sinnvoll sind. Deutschland ist nun mal, was das Aufkommen der Naturkräfte betrifft, benachteiligt. Wir liegen geografisch auf der Höhe des südlichen Kanada, was uns nicht mit Sonne verwöhnt. Wir haben keine langen und unbewohnten windigen Küsten zu den großen Weltmeeren wie Marokko oder Kalifornien, keine bedeutende Wasserkraftkapazitäten wie Skandinavien oder die Alpenländer, auch keine lohnenden Quellen der Geothermie wie Island und die Quantitäten der Biomassenutzung sind im Wesentlichen ausgeschöpft.
Dennoch fahren wir die Förderung unserer Energierohstoffe zurück oder geben sie auf. Die deutsche Steinkohleförderung endet 2018, die letzten Braunkohletagebaue laufen etwa 2040 aus. Neuaufschlüsse sind aus heutiger Sicht politisch nicht mehr durchsetzbar. Die deutsche Öl- und Gasförderung sinkt konstant ab, ohne Fracking sind die vorhandenen Reserven in absehbarer Zeit erschöpft. Langfristig wird Deutschland das Energieimportland Nummer eins werden, zunächst bei den Energierohstoffen, später zusätzlich beim Strom. Alle Länder dieser Welt versuchen, ihren Energiemix aus Gründen der Versorgungssicherheit, Risikostreuung und Umweltverträglichkeit zu verbreitern. Wir dagegen verengen bewusst den Energiemix.
Gewinner dieser Entwicklung könnte die nationale CO2-Bilanz sein, ohne jegliche Klimawirkung. Andere Parameter wie Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit, selbst der Umweltschutz werden verlieren. Dann werden wir sie erreichen, die von vielen gewünschte postindustrielle, aber gerecht gleich arme Gesellschaft. Wie sagte der alte Römer Tacitus: „In bescheidenen Verhältnissen ist es leicht, Gleichheit walten zu lassen.“
Wenn es nicht gelingen sollte, die reine Wind- und Sonnenlehre umzusetzen, könnte man sich Berater holen wie eben McKinsey. Man kann auch in Gelben Seiten blättern. Oder einfach jemanden fragen, der das Energiesystem heute praktisch managt, dazu braucht man keinen Index.
Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop www.tichyseinblick.shop