Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.
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Durchbruch, der
Im Wortsinn ist der Durchbruch ein plötzliches Ereignis, das als Folge längeren Bemühens einen Qualitätssprung auf ein neues, höheres Niveau zur Folge hat. Ist der Stollen am Ziel, eine Technologie praxisreif oder ein Startup schreibt erstmals schwarze Zahlen – all das ist für die Beteiligten ein markanter Punkt, in der Regel Grund zur Freude und wird oft „Durchbruch“ genannt.
Die Durchbrüche im Verlauf der Energiewende sind zahlreich, wenn man den Medien glaubt. An ihnen soll gezeigt und bewiesen werden, dass aber jetzt wirklich ein Weg gefunden wurde, die Unzulänglichkeiten regenerativer Energietechnologie zu beheben und damit auf Atom und Fossiles verzichten zu können.
„Vom Meer bis an die Steckdose: Neues Team entwickelt Wellenkraftwerk“, wurde 2014 vermeldet. Kugelpumpspeicher versanken testweise 2016 im Bodensee, sie sollen das Speicherproblem lösen.
Mit einiger Regelmäßigkeit erscheinen solche Schlagzeilen in den deutschen Qualitätsmedien. Durstig wie ein Schwamm saugen die Schreiber alle Forschungszwischenstände auf und verkaufen sie als Top-News und Energiewende-Erfolgsmeldungen.
Ein Blick zurück auf vergangene Hoffnungsträger sollte uns zu nüchterner Betrachtung veranlassen. Große Erwartungen gab es zum Beispiel beim so genannten „Windhamster“, der im Buch „Dunkelflaute“ beschrieben ist. Nach dessen Scheitern sollte klar gewesen sein, dass Windkraftanlagen mit vertikalem Läufer höchstens für kleine Spezialanwendungen in Frage kommen. Immerhin waren die Erfinder von ihrem Produkt überzeugt, hatten sich aber geirrt. Nur wenige Jahre später gelang es der Sternberg AG aus Schmallenberg in NRW, an Einzelkunden ähnliche, aber völlig funktionsuntüchtige Anlagen zu verkaufen. Im Leerlauf bewegten sich die Rotoren wohl, blieben aber nach dem Zuschalten selbst kleiner elektrischer Verbraucher stehen. Inzwischen ist die Firma insolvent, die Führungskräfte sind verurteilt und die gutgläubigen Kunden auf den Kosten sitzengeblieben.
Ökologische Blindheit
Raffinierter ging der Erfinder der „Mondlichtkugel“ vor, die ebenfalls in „Dunkelflaute“ beschrieben wird. Der aberwitzige Ansatz, selbst das Mondlicht wirtschaftlich in Strom wandeln zu können, wurde von ihm so raffiniert promotet, dass sich über das Crowdfunding viel Geld einsammeln ließ. Auch Betrug will gekonnt sein, erschreckend die Erkenntnis, wie viele Menschen sich mit erneuerbaren Heilsversprechen das Geld so leicht aus der Tasche ziehen lassen.
Sehr zahlreich sind die Meldungen zu Durchbrüchen bei der Elektromobilität. „Elektro-Revoluzzer mit riesiger Reichweite“, „Neue Akku-Technologie macht Elektroautos bezahlbar“ und kürzlich die Erfolgsmeldung zu Samsungs Graphen Akku. Nach dem reißerischen Einstieg, wonach die Lithium-Ionen-Batterie nun bald alt aussähe, gibt es die technische Erklärung und die Bezeichnung als „Allzweckwaffe“. Liest man bis zum Ende, ist zu erfahren, dass die Forschung weitergeht. Der Verbundwerkstoff mit Graphen könne jetzt in großen Mengen hergestellt werden, bis daraus aber Akkus gebaut werden können, „werden wohl noch einige Jahre verstreichen“. Angesichts der Tatsache, dass viele Leser die Beiträge nicht bis zum Ende lesen, viele nur die Überschriften, wird erklärbar, warum in breiten Teilen der Bevölkerung ein verzerrtes Bild unserer Energiewirklichkeit entsteht.
Der heutige Lithium-Ionen-Akku ist führend in verschiedenen Einsatzgebieten. Praktisch verwendbar gibt es ihn seit etwa 1990, entscheidende Durchbrüche zu andere Grundprinzipien sind nicht zu erkennen. Eine Firma aus Singapur warb 2014 damit, dass ihr Akku in fünf Minuten zu 100 Prozent geladen werden könne. Das sollte jeden stutzig machen in Anbetracht des nötigen Ladestroms und des armdicken Kabels samt dahinterliegender Anschlussstation. 2016 sollte das Teil in Großserie gehen. Neuere Meldungen gibt es dazu nicht.
Eine weitere tatsächlich andere Akkubauweise stellt die Redox-Flow-Batterie dar, die in zwei getrennten Tanks Elektrolytflüssigkeiten beherbergt und diese in die Zelle umwälzt. Der Charme dieser Technik besteht darin, dass die Aufladung ganz normal über Kabel erfolgen kann, es aber auch möglich ist, neue Elektrolytflüssigkeit zu tanken. Dies würde einen gravierenden Nachteil der E-Mobilität beheben. Der auf dem diesjährigen Autosalon in Genf vorgestellte QUANTINO 48VOLT arbeitet mit einer nanoFlowcell®-Flusszelle.
Allerdings ist das Fahrzeug noch nicht käuflich, sondern als „Technologiebotschafter“ zu verstehen. Immerhin tausend Kilometer soll das Fahrzeug, eine Sportwagenstudie mit 760 PS, mit einer Ladung Elektrolytflüssigkeit schaffen. Dann sind die Flüssigkeiten in beiden 95-Liter-Tanks energetisch verbraucht. Es gibt einige offene Fragen, die der Schweizer Hersteller NanoFlowCell noch nicht beantwortet, nämlich wie die Elektrolytflüssigkeit mit einer ziemlich niedrigen Energiedichte von höchstens 600 Wattstunden pro Liter diese Laufleistung ermöglicht. Zum Vergleich: Diesel bringt es auf 10.000 Wattstunden pro Liter. Auch zur speziellen Zusammensetzung der Flüssigkeit und den Kosten gibt es keine Angaben.
Immerhin gehört die Flusszelle zu den Entwicklungen mit Aussicht auf Erfolg, nach über 60 Jahren Forschung. Die Erfolgsaussicht ist auch deshalb gegeben, weil NanoFlowCell ein Schweizer Unternehmen ist. In Deutschland hätte man der Firma so viel Druck gemacht und Geld hinterher geworfen, dass ein halbfertiges Konstrukt auf dem Subventionsmarkt wohl die Folge gewesen wäre.
Politische Technologien
Ein anderer Durchbruch im Sinne eines Einbruchs ist bei VW zu besichtigen. Obwohl absehbar ist, dass mit den jetzigen Lithium-Ionen-Akkus die elektrische Massenmotorisierung nicht gelingen wird, gibt der Konzern dem politischen Druck nach und will mit schlechtem Diesel-Gewissen in die Elektrotraktion groß einsteigen. Zur Rohstoffsicherung schrieb man das zum Batteriebau nötige Lithium und Kobalt weltweit aus und hoffte, als großer Player große Mengen zu günstigen Preisen erhalten zu können. Dumm nur, dass andere große Hersteller das auch wollen. So schlagen die Realitäten zurück und werden so manche Ökovision platzen lassen. Die Bundesregierung, auch die nächste, wird unverdrossen diese und andere Technologien weiterhin zur Marktreife durchsubventionieren wollen. Und die Kanzlerin wird nicht erkennen, damit etwas falsch zu machen.
Unterdessen werden uns weiter von energiewendeerfolgstrunkenen Journalisten Durchbrüche mit geringen Halbwertszeiten präsentiert werden.
Das klingt alles sehr negativ. Gibt es denn keine echten Durchbrüche in der großen weiten Energiewelt? Dazu später mehr.