Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die in unserer als alternativlos gepriesenen Energiewende Bedeutung haben oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.
N wie
Netzentgelt, das
Die Netzentgelte entpuppen sich als die neuen Preistreiber der Energiewende. Das Netzentgelt ist eine Gebühr, die jeder Netznutzer an den Betreiber zahlen muss und fließt in den Strom- beziehungsweise Gaspreis ein. Die Höhe des Netzentgeltes wird staatlich reguliert, denn die Strom- und Gasnetze bilden natürliche Monopole. Wer also hohe Netzentgelte dem gierigen Profitstreben der „Konzerne“ zuschreiben will, ist hier falsch und muss möglichen Protest an die Regierung richten. Zuständig sind die staatliche Bundesnetzagentur und einige Landesregulierungsbehörden. Diese legen fest, welchen Eigenkapitalzinssatz die Netzbetreiber für die Gebührenberechnung heranziehen dürfen.
Bleiben wir beim Stromnetz. Der zugestandene Eigenkapitalzinssatz, umgangssprachlich auch Garantierendite genannt, wurde im Jahr 2016 durch die Bundesnetzagentur von 9,05 auf 6,91 Prozent für Neuanlagen und von 7,14 auf 5,12 Prozent für Bestandsanlagen mit dem Hinweis auf die allgemeine Zinsentwicklung an den Finanzmärkten gesenkt.
Die meisten von uns würden sich über Zinssätze von über 5 Prozent diebisch freuen, nicht so die Betreiber der großen Stromautobahnen, der so genannten Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). In einer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber der Bundesnetzagentur beklagen sich die vier „Großen“ (50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW) über die aus ihrer Sicht zu starke Absenkung des zugestandenen Zinssatzes und führen mehrere Begründungen ins Feld. Zum einen stehe in den nächsten Jahren ein Investitionsbedarf von mehr als 50 Milliarden Euro an, der zur Umsetzung der Energiewende unbedingt nötig sei. Hinzu kämen aufgezwungene Risiken wie aufwändige Offshore-Netzanbindungen und Gleichstromverbindungen über lange Distanzen mittels Erdkabel, für die noch keine belastbaren Betriebserfahrungen vorliegen.
Risiko Netzausbau
Beklagt werden weiter Projektrisiken durch die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz des Netzausbaus. Aktuell zu besichtigen sind diese beim Projekt Südostlink (Gleichstrom-Erdkabel) von Wolmirstedt bei Magdeburg nach Isar bei Landshut, wo sich Bürgerinitiativen gegen die Erdkabel stellen. Beispielsweise sieht im Burgenlandkreis der Weinbauverband Saale-Unstrut negative Auswirkungen für den Weinbau und den Tourismus. Zweifellos richtig ist der Vorwurf, dass die Anwohner von der Trasse selbst keinen unmittelbaren Vorteil haben. Sie dient der Versorgung Süddeutschlands. In Meerbusch Osterath bei Düsseldorf gärt seit 2012 die Auseinandersetzung um eine von Amprion geplante Konverterstation, die den Drehstrom in Gleichstrom wandelt. Sie ist Bestandteil der geplanten Verbindung von Emden nach Philippsburg und auch hier haben die Bewohner keinen sichtbaren Nutzen, sondern sorgen sich um Strahlungseinflüsse und die Nähe zur Wohnbebauung.
Sicherlich gehört es zur Pflicht privatwirtschaftlicher Unternehmen, eine möglichst hohe Rendite für ihre Eigner zu erwirtschaften, somit waren die Beschwerden der Netzbetreiber zu erwarten. Wer kommt in den Genuss der Rendite? Amprion gehört einem Finanzkonsortium unter Führung der Commerzbank mit Münchner Rück, Talanx, ergo, HDI Gerling, der Ärzteversorgung Westfalen Lippe, der RWE und einigen anderen. Tennet wird abkassiert von seinem niederländischen Mutterunternehmen, der Tennet Holding BV. 50Hertz gehört dem belgischen Netzbetreiber Elia und dem australischen Infrastrukturfonds IFM, TransnetBW zahlt die Gewinne an den EnBW-Mutterkonzern.
Den Kunden wird dies weitgehend egal sein, solange sich die Netzentgelte im Rahmen halten. Die Forderungen der Übertragungsnetzbetreiber belaufen sich auf etwa vier Prozent des Haushaltsstrompreises, die Verteilnetzbetreiber können mit etwa 17 Prozent stärker zulangen – die Leitungslängen im Mittel- und Niederspannungsbereich sind größer. Auch hier werden die Kosten steigen. Bisher gab es erhebliche Unterschiede in ihrer Höhe. Der unterschiedliche Aufwand für das Redispatch als Folge einer weiter steigenden fluktuierenden Einspeisung traf vor allem die Regelzone von 50Hertz (östliche Bundesländer, Berlin und Hamburg). Hier stehen 41 Prozent aller deutschen Windkraftanlagen, hier leben aber nur 22 Prozent der Einwohner. Entsprechend niedriger ist der Verbrauch und dringender die Notwendigkeit, den Strom abzutransportieren. Ostdeutsche Politiker bezeichnen deshalb die „neuen“ Länder gern als „Labor der Energiewende in Deutschland“. Wahr ist, dass die Probleme und Kosten, die jetzt vor allem 50Hertz hat, auf die anderen auch zukommen.
In den letzten Jahren hatte 50Hertz die höchsten Netzentgelte und die höchsten Steigerungsraten. Nun ziehen die anderen nach: Ab Januar 2018 erhöhen voraussichtlich Tennet um 9 Prozent, Amprion um 45 Prozent und TransnetBW um 13 Prozent. Im „Energiewendelabor“ dagegen sinken die Entgelte um 11 Prozent. Ist das ein erster deutlicher Erfolg der Energiewende? Kommt es jetzt zur geforderten „Energiegerechtigkeit“? Die Erklärung für die Senkung der Gebühr im Osten ist eher praktischer Natur und hat den einfachen Hintergrund, dass die Südwest-Kuppelleitung von Lauchstädt in Sachsen-Anhalt nach Redwitz in Bayern nun vollständig in Betrieb ist und dadurch die Kosten für das Redispatch, die 2015 noch 350 Millionen Euro betrugen, etwa um die Hälfte zurückgingen. Eindrücklich kann man die positiven Folgen des Netzausbaus hier betrachten.
Politische Wissenschaft
Dennoch fährt der Chor der Dezentralisierungsfetischisten fort, den geplanten Netzausbau für überzogen zu erklären. Vor allem politische Wissenschaftler wie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sehen ihre Aufgabe darin, am grünen Tisch Kohleausstiegsszenarien zu schneidern. Weil in den Netzen auch Kohlestrom fließt, wird der geplante Netzausbau gleich mit in Frage gestellt. Allerdings ist Frau Professor Kemferts Tätigkeit ohnehin eher propagandistisch als wissenschaftlich zu nennen. Ihr Kollege Professor von Hirschhausen vom gleichen Institut hält auch den ermittelten Netzausbaubedarf für überzogen und meint, Engpässe in der Versorgung seien hinzunehmen und „Rückkopplungen“ mit den Verbrauchern herzustellen. Im Klartext meint er damit, Verbrauch aktiv zu steuern und begründet dies mit dem bildhaften Vergleich, dass Verkehrsflüsse auch durch Ampeln geregelt würden. Diese stehen dann manchmal auf rot, das Thema Versorgungssicherheit und den Komfortanspruch der Kunden, jederzeit Strom nach Bedarf ziehen zu können, müssten wir dann neu überdenken.
Bereits ab 2018 könnte es in Süddeutschland zu Engpässen kommen, so eine vom grünen baden-württembergischen Energie- und Umweltministerium in Auftrag gegebene Studie. Ab 2023 werden die Netzentgelte bundesweit gewälzt, dann steigt die Gebühr für alle in gleichem Maße. Das ist dann gerecht. Für systemsichernde Maßnahmen zugunsten Süddeutschlands in Form von weiterem Netzausbau, Netzstabilitätsanlagen, Reservekraftwerken und Redispatch wird ein formidabler Anstieg nicht abzuwenden sein. Dann mutiert die EEG-Umlage vom Aufreger zu einem ärgerlich hohen, aber relativ konstanten Betrag, an den sich alle alternativlos gewöhnt haben.
Frank Hennig ist Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung mit langjähriger praktischer Erfahrung. Wie die Energiewende unser Land zu ruinieren droht, erfährt man in seinem Buch Dunkelflaute oder Warum Energie sich nicht wenden lässt. Erhältlich in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop