Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.
G wie
Glättung, die
Die „Glättung“ ist ein von der Erneuerbaren-Branche gern benutztes Zauberwort. Es soll den Eindruck erwecken, dass durch weiteren, möglichst umfangreichen Zubau von Windkraftanlagen die unvermeidbar volatile Stromeinspeisung vergleichmäßigt werden kann. Über die Jahre gelang es der Lobby, politischen Entscheidungsträgern einzuflüstern, dass man nur den Ausbau weiter treiben müsste, um eine Verstetigung der Lieferungen zu erreichen. Fürs Volk gibt es die Sprüche: „Irgendwo ist immer Wind“ oder dass sich Wind und Sonne ergänzen würden.
Der Bundesrat ging der Lobby offenbar ungeprüft auf den Leim und formuliert:
„Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass der nationale Ausbau der Windenergie an Land auch weiterhin angemessen in ganz Deutschland regional verteilt fortschreiten kann. Eine solche angemessene Verteilung dient der Netzstabilität wie auch der Versorgungssicherheit insgesamt und bietet allen Ländern die Chance, von der Energiewende zu profitieren und ihren unverzichtbaren Beitrag dazu zu leisten, dass das volle Potenzial der Erneuerbaren Energien erschlossen und die damit einhergehenden Nutzen und Lasten der Energiewende angemessen verteilt werden können.“
Das Mäntelchen der dadurch erreichten angeblichen Glättung des Windstroms über die ganze Republik ist zu dünn, um nicht die Realitäten durchblicken zu lassen.
Frische Brise
Die Offshore-Windenergie ist im Kommen. Als Vattenfall und andere 2011 den ersten Offshore-Windpark Alpha-Ventus (60 Megawatt) in die Nordsee pflanzten, ging das Unternehmen von einer „grundlastnahen“ Stromerzeugung aus. Gut, damals gab es noch keine Betriebserfahrungen und gesicherte Messreihen.
Sechs Jahre später ist man klüger, aber kaum jemand spricht darüber. Auch der Seewind glättet nicht, wie wir hier sehen:
Er weht sogar ziemlich exakt in der gleichen Weise wie der Wind an Land. Der Unterschied besteht darin, dass der Seewind kräftiger weht und daher die Volllaststunden der Anlagen auf See höher sind (ca. 3.800 Stunden pro Jahr) gegenüber Anlagen an Land (ca. 2.200 Stunden pro Jahr in Schleswig-Holstein, 1.000 in Bayern). Stunden und Tage mit Schwachwind und Flaute gibt es aber auch hier. Trotz einer Fast-Verdopplung der installierten Windleistung seit 2010 auf 50.019 Megawatt im Jahr 2016 liegen die Leistungsminima unverändert im sehr niedrigen Bereich:
2010: 117 MW
2011: 86 MW
2012: 115 MW
2013: 118 MW
2014: 24 MW
2015: 105 MW
2016: 141 MW
Wenn die Maxima auf Grund des Zubaus steigen, die Minima aber nicht, ist dies das Gegenteil einer Glättung. Eine Steigerung der volatilen Einspeisung verringert nicht die Schwankungsbreite. Dies ist auch durch die mathematische Statistik nachweisbar, wie Interessenten hier nachlesen können.
Im folgenden Bild ist gut zu erkennen, dass eine stark steigende installierte Leistung von Windkraftanlagen nicht die entsprechenden Anstiege der Maximal-, weniger noch der Durchschnittsleistung nach sich zieht. Und eben keinen Anstieg der Minimallast.
Wissenschaft und Politik
Die Thinktanks der Erneuerbaren wie Agora oder das IWES (Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik) ignorieren nach Möglichkeit die gemessenen Realitäten, denn sie haben ein politisches Ziel ihrer Auftraggeber umzusetzen. Worin dieses besteht, beschrieb Frank Drieschner in der ZEIT: „Rund um die Erneuerbaren-Energien-Branche ist ein regelrechter politisch-ökonomischer Komplex herangewachsen . . . Alle Akteure in diesem Komplex verbindet ein Interesse: Probleme der Energiewende müssen lösbar erscheinen, damit die Wind- und die Sonnenbranche weiter subventioniert werden.“
Dennoch kommt IWES sie nicht umhin, einzugestehen, „ . . . dass es generell eine große Korrelation der Windstromeinspeisung in ganz Deutschland gibt. Tendenziell lässt sich sagen, dass es Wochen gibt, in denen in allen Teilen Deutschlands viel Wind weht, wie auch Wochen, in denen die Einspeisung in allen Teilen Deutschlands gering ist.“
Aber nicht nur das. Das folgende Bild zeigt die Windstromproduktion in 14 europäischen Ländern, auch hier gehen die Schwankungen weitgehend synchron.
Verläufe, die zu einer Sockelbildung – und damit zu einer Grundlastabsicherung – führen würden, sind beim besten Willen nicht zu erkennen.
Auch die angeführte Glättung der gesamten Windeinspeisung durch den vermehrten Einsatz von Schwachwindanlagen tritt nicht ein. Statistisch laufen fast alle Windkraftanlagen zeitanteilig am häufigsten im Schwachlastbereich, hier als Beispiel der Monat Mai 2017:
[Quelle: Rolf Schuster]
Knapp 88 Prozent der Betriebsstunden verbrachten Windkraftanlagen in Deutschland in diesem Monat im Leistungsbereich unterhalb 30 Prozent. Dabei unterscheiden sich die Kennlinien von Schwach- und Starkwindanlagen kaum.
Die sicher zur Verfügung stehende elektrische Leistung aus Windkraftanlagen ist unwesentlich größer als null. Dass eine Glättung selbst über Jahreszeiträume nicht eintritt, zeigt die Windstromproduktion des Jahres 2016, die trotz eines Zubaus an installierter Leistung von 4.970 Megawatt deutlich unter der von 2015 lag (77,4 zu 79,2 Terawattstunden). Der Wettergott ist kein Grüner.
Öko-Grundlast nicht in Sicht
Fazit: Da die Minima auch bei weiterem Ausbau von Wind- und Sonnenkraft nur kurz über null bleiben, die Maxima jedoch steigen, wird die durch Konventionelle als Backup vorzuhaltende Leistung mit weiterem Zubau an Windkraftanlagen größer, nicht kleiner. Die Regelkapazität könnte reduziert werden durch afrikanische Windparks (DESERTEC lässt grüßen, siehe „Dunkelflaute“, S.53) und ein europäisch dicht ausgebautes Supergrid bis hinter den Ural, dessen Kosten astronomische Höhen erreichen würde. Die Bürgerinitiativen der Trassengegner wären noch vor dem ersten Spatenstich gegründet, von regionalpolitischen Widerständen ganz zu schweigen.
Da die Wind- wie die Sonnenenergie zu einem stark fluktuierenden Einspeiseprofil führen, dessen Prognosen immer mit Unsicherheiten behaftet bleiben werden, sind sie nicht in der Lage, Versorgungsaufgaben zu erfüllen. Sollten sie durch ausreichend große Speicherkapazitäten dazu in die Lage versetzt werden, würden die Speicherkosten natürlich bilanziell diesen Erzeugungstechnologien zuzuschlagen sein.
Nennenswert große Stromspeicher existieren kaum und auch in den nächsten Jahren können absehbar keine eingesetzt werden. Damit stellen die konventionellen Erzeuger die nötige und immer stärker schwankende Residuallast bereit, die ergänzend für das Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch nötig ist. Nur sie können den Wind- und Sonnenstrom noch glätten.