Tichys Einblick
Illusionen, Illusionen

Das ABC von Energiewende und Grünsprech 40 – Klimaplan

Bisher waren die Menschen dem Wetter und dem Klima hilflos ausgesetzt. Das soll sich ändern. Wir haben einen Plan.

German Chancellor Angela Merkel, US President Donald Trump and Italian Prime Minister Paolo Gentiloni pose for a family picture as they attend the Summit of the Heads of State and of Government of the G7

© Philippe Wojazer/AFP/Getty Images

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

K wie

Klimaplan, der

Im Ergebnis des Weltklimagipfels in Paris 2016 sind die Unterzeichnerstaaten aufgerufen, ihre nationalen Klimapläne einzureichen. Kann man Klima planen?
Das Wetter kann man vorhersagen. Kann man Wetter planen? Dazu müsste man gezielt Einfluss nehmen und es auf Wunsch gestalten können. Abgesehen von bisher angewandten Techniken des Geoengineering wie das Impfen von Wolken mit Silberjodid, um regional Niederschläge auszulösen, sind praktische Verfahren dazu eher nicht bekannt. Abgesehen von zauberhafter Hilfe von Feen, Hexen oder Zwergen, die aber nur im Geltungsbereich der Werke der Brüder Grimm und Kollegen tätig sind.

Auch das Klima als Statistik des Wetters lässt sich vorhersagen, für die Einschätzung der Qualität der Vorhersagen ist allerdings noch keine ausreichende statistische Basis gegeben. Bisherige Schnellschüsse in der Klimavorhersage wie von Professor Latif im Jahr 2000 („Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren wird es in unseren Breiten nicht mehr geben“) gingen deutlich daneben.

Dennoch ist ein Klimaplan offensichtlich ein Plan, der dazu dienen soll, Wetter und damit langfristig Klima zu gestalten. Dazu würde gehören, die natürliche Klimaentwicklung mit allen solaren, astronomischen, geophysikalischen und atmosphärischen Einflussfaktoren vorherzusagen zu können, um dann menschlichen Einfluss darauf einzuschätzen und zu nehmen. Damit tun sich die Wissenschaftler jedoch schwer. Geologen gingen bisher davon aus, dass in etwa 50.000 Jahren die nächste Eiszeit über uns kommt. Klimawissenschaftler halten dagegen und sagen, dass durch den weiter steigenden CO2-Gehalt der Luft die nächste Eiszeit ausfallen wird. Ob das nicht vielleicht besser wäre für die Menschen, die es dann vielleicht noch gibt, sei dahingestellt. Um eine Vorhersage natürlicher und anthropologisch beeinflusster Klimaentwicklung geht es den wissenschaftspolitischen Einrichtungen wie dem IPCC ohnehin nicht.

Klima und Geschichte

Alle klimawissenschaftlichen Erkenntnisse werden populistisch verdichtet auf eine einzige Wirkbeziehung: CO2-Gehalt der Luft und „globale Durchschnittstemperatur“, die um nicht mehr als zwei, besser 1,5 Grad, steigen sollte. Allein die Wahl dieses Parameters ist fragwürdig. Wenn sich am Nordpol um fünf Grad höhere Temperaturen einstellten und in der Wüste Gobi um fünf Grad niedrigere, wäre die globale Durchschnittstemperatur konstant, für die betroffenen Regionen aber folgenreich. Macht eine solche Betrachtung Sinn?

Den schlichten Medienkonsumenten soll leicht verdaulich vermittelt werden, dass ein menschlich verschuldeter steigender CO2-Gehalt direkt proportional durch den Treibhauseffekt zu steigender Temperatur führt. Dass dieser Zusammenhang aus der Betrachtung der Erdgeschichte (Anstiege des CO2-Gehalts der Atmosphäre folgten einer Erwärmung, nicht umgekehrt) und auch aus junger Vergangenheit heraus nicht zu halten ist, stört die Populisten nicht. Abenteuerlicher gelingt der Umkehrschluss: Wenn wir nur genug CO2 einsparen, geht das durchschnittliche Wetter auf den Stand vor der Industrialisierung, also auf einen willkürlichen gewählten Zeitpunkt der Erdgeschichte zurück. Man stellt sich offenbar die Atmosphäre wie ein Fahrzeug vor, das durch zu viel Gas geben zu schnell fährt und man erreicht durch einfaches Gaswegnehmen nach einiger Zeit wieder die vorher gefahrene Geschwindigkeit. Anstelle die Klimahistorie als Prozess zu betrachten, schaut man sich die Erde durch ein Schlüsselloch an und möchte die klimatischen Zustände eines bestimmten Punktes der Vergangenheit wieder herstellen. Und dies soll ausschließlich durch die Minderung des etwa dreiprozentigen anthropogenen Teils des globalen CO2-Ausstoßes zu erreichen sein.

Unstrittig ist eines: Das Klima ist das Ergebnis vieler komplexer, schwer zu überschauender Einflüsse und Wirkbeziehungen auf die Atmosphäre. Wir sollten dringend Emissionen senken, denn wir können die Folgen ehrlicherweise nicht annähernd belastbar vorhersagen. Auf Grund von Computersimulationen den Eindruck zu erwecken, die Klimavorhersagen seien erwiesen richtig wie das Newtonsche Gravitationsgesetz, grenzt an Scharlatanerie und ist getrieben von politischem, nicht wissenschaftlichem Einfluss. Deutlich zeigt sich dies am Umgang mit den „Skeptikern“, die gebrandmarkt, polemisch bekämpft und zu Menschenfeinden erklärt werden, anstelle die sachliche Auseinandersetzung zu führen.

Donald Trump sorgte für schlechtes Klima, indem er den „Climexit“ seines Landes aus dem Pariser Vertrag verkündete. Deshalb empfahl Trittin im DLF den Europäern, „sich in Sachen Klimaschutz andere Bündnispartner zu suchen. China und Indien seien hier inzwischen Vorreiter.“

Damit ist der Jürgen sogar in doppelter Hinsicht desorientiert: Zunächst sollte man anerkennen, dass die CO2-Emissionen am anderen Ufer des Teiches in den letzten Jahren gesunken sind. Ganz ohne mediales Getöse oder Eigenlob, Ursache dafür waren die rein wirtschaftlich getriebene Substitution von Kohle durch (auch gefracktes) Gas und die Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken. In Deutschland indes stagnieren die Emissionen trotz Milliardeninvestitionen in die „Erneuerbaren“ und hohen medialen Einsatzes regierungsamtlicher, öffentlich-rechtlicher und diverser lobby- und kampagnengesteuerter Stellen. Vielleicht könnte man beim Thema Emissionssenkung sogar von den Amerikanern lernen?

Abgehängter Vorreiter

Zum Zweiten trifft die Redewendung, einen „Bock zum Gärtner“ zu machen, vollumfänglich zu auf die Bezeichnung von China und Indien als „Vorreitern“ bei der Emissionssenkung.

Im chinesischen Strommix ist die Kohle mit satten 70 Prozent (2014) vertreten und in der Tat bemüht man sich, diesen Anteil zu senken. Grund sind vor allem die katastrophalen Smogzustände in den Megacities, die den Menschen schaden und Entwicklung behindern. Das Land ist so groß und das Wachstum so stark, dass kein Weg umhin führt, alle möglichen Energiequellen zu nutzen, natürlich auch die regenerativen. Wasserkraft wird traditionell genutzt, für Wind- und Sonnenstrom ist genug Platz und Wetter, so dass hier kräftig zugebaut wird – allerdings mit ähnlichen Problemen wie bei uns. Vor allem in den windgünstigen Gebieten im Westen des Riesenreichs wurden bisher über 70.000 Megawatt Windkraft installiert, von deren Produktion bereits 2015 etwa 15 Prozent abgeschaltet werden mussten. Der Netzausbau in Richtung der Verbraucherzentren an den östlichen Küsten kommt nicht nach. Daher gilt vorerst ein Ausbaustopp, weitere Genehmigungen werden vom Netzausbau abhängig gemacht.

Um den steigenden Bedarf dennoch sichern zu können, plant die KP einen deutlichen Zubau von Kernkraftwerken. Fünf Kernkraftwerke gingen 2016 in Betrieb, 20 sind im Bau. Zu den 2.362 bestehenden Kohlekraftwerken könnten 1.171 in Planung oder Bau befindliche dazukommen. Ob es wirklich so viele werden, ist offen, aber auszuschließen ist, dass es keine neuen mehr geben wird. Das Ziel der Staatsführung, die Versorgung unterbrechungsfrei und preiswert zu sichern, wird man nicht von ein paar Milliarden Tonnen CO2 abhängig machen. So ist auch Chinas Klimaplan eher bescheiden. Ab 2030 sollen die Emissionen nicht mehr steigen, das heißt, in den 13 Jahren bis dahin können noch ein paar Schippen draufgelegt werden. Und selbst in der zentral beaufsichtigten chinesischen Wirtschaft gelingt es nicht immer, die Emissionen korrekt zu erfassen. 2015 musste die Abrechnung für 2013 um etwa eine Milliarde Tonnen nach oben korrigiert werden, das ist mehr als Deutschlands kompletter Emissionsanteil.

Schwarzes Gold

Indien wird seinen Kohleabbau bis 2020 zunächst auf jährlich 1,5 Milliarden Tonnen für 76.000 Megawatt Kraftwerksleistung verdoppeln und dann auf Platz 2 (vor den USA) der Liste im Weltranking klettern. Außerdem sind fünf Kernkraftwerke im Bau, auch in Wind und Sonne wird kräftig investiert. Das Land will endlich den Bedarf decken zugunsten einer sicheren Versorgung der wachsenden Bevölkerung. „Der größte Schadstoff ist die Armut“, sagt der indische Umweltminister und entsprechend wird die Regierung handeln. Im Klartext: China und Indien werden ihre Emissionen zunächst weiter steigern. Sie werden gern die Emissionen senken, wenn andere Technologien das wirtschaftlich möglich machen, aber eines werden sie nicht tun – die wirtschaftliche Entwicklung begrenzen, um den Ausstoß zu verringern. Würde sich Deutschland diesen beiden „Vorreitern“ anschließen, sähe die hiesige Energiewende deutlich anders aus. Das weiß der Jürgen halt noch nicht.

In Australien probte man bereits den Kohleausstieg. Im Süden des Landes wurden große Kapazitäten an Wind- und Solarkraft aufgebaut und suggerierten so viel Sicherheit, dass die Abschaltung des letzten Kohlekraftwerks feierlich begangen wurde. Am 8. Februar 2017 stellte sich jedoch heraus, dass nach Sonnenuntergang zu wenig Wind wehte und der Import aus anderen Landesteilen nicht ausreichte, es kam (nicht zum ersten Mal) zur gezielten Flächenabschaltung. Nun werden teuer und eilig neue Gaskraftwerke gebaut. Der EE-Anteil Australiens beträgt über 40 Prozent.

Auch andere große Unterzeichnerstaaten folgen der CO2-Hysterie nicht. Japan plant oder baut derzeit 43 Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 21.200 Megawatt, die jährlich etwa 127 Millionen Tonnen CO2 emittieren werden. Japan als rohstoffarmes Land setzt auf preiswerte Importkohle, da Flüssiggas zu teuer ist. Die meisten der nach dem Fukushima-GAU abgeschalteten Kernkraftwerke gehen wieder in Betrieb.

Während die meisten Länder der Welt bei der Kohle bleiben oder mit Augenmaß reduzieren wollen, steigt Pakistan neu ein in die Förderung von Braunkohle. Üppige Vorkommen in der Thar-Wüste sollen mit chinesischer Hilfe erschlossen und verstromt werden, um teure Öl- und Gasimporte zu sparen. 2020 wird ein 25-prozentiger Braunkohleanteil am Strommix die Versorgung sichern helfen in einem Land, das unter häufigen Stromausfällen leidet.

Auch für die Türkei ist die Kohle eine wichtige Energiequelle. Die Regierung erklärte den Bergbau zum strategischen Wachstumsfeld. Die hohe Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen soll durch die Nutzung teils neu entdeckter einheimischer Kohlevorkommen reduziert werden und den steigenden Bedarf sichern helfen. Die Kohlekraftwerkskapazität soll von 15.000 auf 80.000 Megawatt steigen. Der Trend geht weg vom teuren Gas zu Kernkraft und Kohle. Russlands Energiestrategie beruht auf dem Ausbau von Kern- und Kohlekraft. Erdöl und vor allem das emissionsärmere Erdgas sollen dem Export- und damit dem Devisengeschäft vorbehalten bleiben. Die Ukraine setzt ebenso auf diese Energieträger und will jede Abhängigkeit von russischem Gas vermeiden.

Ägypten baut derzeit das bisher weltweit größte Gaskraftwerk, der Sudan plant ein Kernkraftwerk und in Südafrika gehen bis 2019 zwei Steinkohlekraftwerksriesen mit je 4.800 Megawatt in Betrieb.

In Mittel- und Osteuropa ist von Kohleausstieg keine Rede. Polen und Tschechien bleiben bei Stein- und Braunkohlekraftwerken, Polen baut neu und will wie Weißrussland in die Kernkraft einsteigen. Tschechien und die Slowakei prüfen, ihre Kernkraftkapazitäten zu erweitern, wofür Ungarn bereits einen Bauvertrag mit Russland in der Tasche hat und noch mit EU-Formalitäten ringt.

Nicht Kohle, sondern Öl und Gas sind die Rohstoffe Norwegens, die den Wohlstand des Landes begründen. Die Klimapolitik des Landes ist widersprüchlich, denn der weltweit größte Staatsfond verkaufte medial bejubelt seine Anteile an Kohlebeteiligungen und hängte sich damit ein grünes Mäntelchen um. Gleichzeitig verstärkt das Land die Suche nach Öl und Gas. Anfang des Jahres schrieb die Regierung im Polargebiet Zonen aus, in denen Unternehmen nach Erdöl suchen dürfen. Die Erdölförderung in der Arktis ist mit ökologischen Risiken behaftet. In Dänemark gilt ein faktisches Ausbaumoratorium für die Windkraft, solange die Untersuchungen zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Infraschalls nicht abgeschlossen sind. Schweden wird mit seiner Selbstverpflichtung, bis 2045 CO2-emissionsfrei zu werden, kein Problem haben, nachdem der Atomausstiegsbeschluss aufgehoben wurde und der Energiemix auf den beiden großen Säulen Wasser- und Kernkraft sowie Biomasse und Wind beruht. Viele andere Länder setzen ähnliche Ziele in ihrer Energiepolitik wie in den hier beispielhaft genannten.


Quelle: BP statistical review of world energy 2017

Wunsch und Wirklichkeit

Unsere Klimakanzlerin indes empfahl auf der Hannovermesse 2015 dem Ministerpräsidenten des Partnerlandes Indien die deutsche Energiewende und behauptete, weltweit würde eine Abkehr von fossilen Brennstoffen erfolgen. Wie Modi darauf reagierte, ist nicht überliefert, vermutlich hat er milde gelächelt.

Trump als Ehrlichmacher
Klimaschutz: Heuchelei entlarvt im Spiegel des Narren
Welche Wirkungen wird der Pariser Vertrag haben? Viele Formulierungen sind dehnbar und lassen den Ländern Spielraum. „Der Treibhausgasausstoß steht im Kontext der Armutsbekämpfung“, heißt es im Text. Die Klimapläne der Staaten bestehen aus selbsterdachten Verpflichtungen zur Minderung der CO2-Emissionen. Die Verpflichtungen sind nicht bindend und unterliegen gewissermaßen der „freiwilligen Selbstkontrolle“. Die meisten der Unterzeichnerstaaten besitzen kein System zur Erfassung der Emissionen. Das Bundesumweltministerium hilft derzeit in etwa 20 Ländern, nationale Register aufzubauen. Wie die Kontrolle der nationalen Klimapläne erfolgt, ist unklar, denn nicht einmal die Regeln, nach denen die Versprechungen gemessen, bewertet, berichtet und überprüft werden, liegen vor.

Man kann sich die penibel arbeitenden ägyptischen oder somalischen Emissionsinspekteure gut vorstellen, wie sie jede Tonne CO2 akribisch erfassen. Und selbstverständlich werden alle Drittweltländer die Klimamilliarden, die von den Industrieländern gesandt auf ihren Konten eingehen, völlig korrekt und ausschließlich für die Emissionssenkungen oder die Vorsorge gegen die Folgen von Klimaveränderungen einsetzen. Der Vizechef des IPCC, Ottmar Edenhofer, sagte bereits 2010 zur NZZ: „Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um . . . Man muss sich von der Illusion frei machen, dass internationale Klimapolitik Umweltpolitik ist. Das hat mit Umweltpolitik . . . fast nichts zu tun.“

Ist das 1,5-Grad-Ziel nun mit der Summe der einzelnen Klimapläne zu erreichen? „Klimaretter.info“ merkt an, dass die zurzeit vorliegenden Pläne zu CO2-Emissionen von 55 Milliarden Tonnen im Jahr 2030 führen, aber schon für das 2-Grad-Ziel nur maximal 44 Milliarden Tonnen in jenem Jahr emittiert werden dürften. Also zusammen gefasst: Zunächst steigen die jährlichen Emissionen von heute etwa 34 Milliarden Tonnen auf 55 Milliarden im Jahr 2030, um dann gemäß Pariser Vertrag bis 2050 auf null zu sinken, denn ab dann soll die Welt „klimaneutral“ funktionieren. Laut Abkommen werden alle fünf Jahre neue, „anspruchsvollere“ Ziele festgelegt. Das dürfte jegliche Großinvestition in der Industrie verhindern, sollten die Staaten ihre Selbstverpflichtungen tatsächlich ernst nehmen. In Deutschland ist dies zu vermuten.

Unaufhaltsame Entwicklung

Dennoch sollte man der Weltgemeinschaft nicht unterstellen, das Pariser Abkommen nur als Wohlfühlversprechen und Instrument zu sehen, mit dem man Geld aus den Industriestaaten ins eigene Land holen kann. Es gibt in der Tat ein starkes Interesse daran, Emissionen zu senken. Allerdings geht es dabei weniger um prognostizierte Hitzekatastrophen oder Klimaflüchtlingsströme am Ende unseres Jahrhunderts auf Grund von CO2, sondern um die Luftbelastungen in den Ballungsräumen der Welt durch Staub, Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlenmonoxid. Der Energiebedarf steigt wie die Bevölkerungszahl und ein Einfaches „weiter so“ schadet den Menschen und verhindert wirtschaftliche Prosperität.

Was wird getan? Zunächst investieren einige Länder nach Jahren der Stagnation mehr in die emissionsarme Kernkraft, weitgehend unbeachtet von den deutschen Medien. Der DLF meldet am 13. Juni dazu in kürzest möglicher Form: „Die Atomkraft ist weltweit auf dem Vormarsch.“ Zitiert wird der Vorsitzende der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), wonach in den vergangenen zwei Jahren 20 neue Reaktoren ans Netz gingen. In 30 Ländern laufen 449 Kernkraftwerke, 60 Reaktoren seien im Bau, vor allem in Asien.

Ein anderer Weg besteht im Ersatz alter durch neue Kohlekraftwerke. Der Wirkungsgradsprung kann zehn Prozent und mehr betragen und so die Emissionsbilanz verbessern. Ein Weg, den im Übrigen auch die Ethikkommission für Deutschland empfahl. Eine weitere Möglichkeit besteht im Abtrennen und Nutzen des CO2 aus Verbrennungsprozessen und dessen Nutzung für das EGR oder EOR (Enhanced Gas Recovery, Enhanced Oil Recovery). In Nordamerika praktiziert man dies, um mit dem CO2 aus Verbrennungsprozessen in Kohlekraftwerken Öl- und Gasfelder weiter ausbeuten zu können. In der Bilanz tauscht man dadurch relativ hohe Kohleemission gegen geringere Öl- oder Gasemission ein.

Ein weiterer Weg besteht in der Kohlevergasung (IGCC – Integrated Gasification Combined Cycle). SIEMENS spricht dabei von einer „Schlüsseltechnologie für die schadstoffarme Stromerzeugung“ und baut drei Anlagen – in China. General Electric schätzt, dass in Kürze die Hälfte aller bestellten Gasturbinen mit Gas auf Kohlebasis betrieben werden wird. Sollten Öl- und Gaspreise weltweit ansteigen (was derzeit nicht abzusehen ist), wäre aus wirtschaftlicher Sicht die Kohleverflüssigung und –vergasung die wirtschaftlich nächstliegende Lösung. Wirtschaftlicher als netzgebundene Wind- und Sonnenenergieeinspeisung, die zwingend mit Speicher- oder Flexibilisierungskosten verbunden ist.

Unterdessen hofft China auf eine Energierevolution. Erstmalig gelang es, eine Lagerstätte von Methanhydrat („brennendes Eis“) anzubohren und zu nutzen. Methanhydrat vom Meeresboden könnte Reserven beinhalten, die alle Weltvorkommen an Öl und Gas übersteigen. Die Verbrennung wäre so emissionsarm wie bei normalem Erdgas.

Ziele und Enttäuschungen

Dies alles meint Deutschland nicht zu brauchen. Von den vier vom IPCC vorgeschlagenen Instrumenten zur Emissionssenkung (Erneuerbare / Energieeffizienz / CCS / Kernkraft) sind zwei politisch verteufelt und nicht nutzbar. Unbeirrt verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die reine Wind- und Sonnenlehre umzusetzen und gibt, getrieben von der Überzeugung, Vorreiter in Sachen Klimaschutz zu sein, den Schulmeister gegenüber der Welt.

Dennoch wird deutlich, dass der Erfolg ausbleibt. Von Verbrauchern und Staat ins System der Erneuerbaren gepumpte Milliarden erfüllen nur unzureichend die Wünsche der Politik. Obwohl weitere Windkraftanlagen zugebaut wurden, sank die Stromproduktion aus bewegter Luft 2016 unter den Wert des Vorjahrs. Das Wetter wollte nicht. Kaum Fortschritte bei der Emissionssenkung gibt es im Gebäude- und Verkehrsbereich.

Die Ziele der Bundesregierung werden nicht zu erreichen sein:

Die Frage stellt sich: Waren die Ziele realistisch? Bisher ist noch nie ein Energiekonzept irgendeiner Bundesregierung aufgegangen, so gesehen befindet sich die gegenwärtige in einer soliden Traditionslinie. Die Kanzlerin formulierte kürzlich auf dem energiepolitischen Dialog der CDU/CSU-Bundestagfraktion: „Wir müssen uns permanent an die Realitäten anpassen.“ Warum tut sie es nicht?

Weitere Emissionssenkungen in Deutschland (sogar die schnelle Abschaltung der 20 „schmutzigsten“ Kohlekraftwerke) sind im globalen Maßstab unerheblich. Technologieforschung und –export mit dem Ziel globaler Emissionssenkung wurden hier staatlich eingeschränkt oder verhindert (Kernenergie und moderne Kohletechnologie). So beschränkt sich die hiesige Forschung auf Wind- und Sonnenkraft, die technologisch weitgehend ausgereizt sind, keinen Technologiesprung bieten und keinen wirklich wirksamen Beitrag zu einer deutlichen Emissionssenkung werden leisten können. In der gegenläufigen Wirkung von Umlagen aus dem EEG und CO2-Emissionshandelssystem ist die Wirkung sogar gleich Null.

Wo Demut gegenüber der Natur und ihrer Allmacht angebracht wäre – durch Akzeptanz ihrer stetigen Änderung und Minderung der zivilisatorischen Einflüsse auf sie – herrschen politischer Hochmut und Machtillusion. Die Fähigkeiten der uns Regierenden reichen erwiesenermaßen nicht aus, einen Flughafen in vertretbarem Zeit- und Kostenrahmen zu bauen oder die Landesgrenzen zu kontrollieren (Ausnahme: G-7-Gipfel in Elmau oder G-20-Gipfel in Hamburg). Das Wetter indes so beeinflussen zu können, dass eine globale Erwärmung am Ende des Jahrhunderts ein bestimmtes Maß nicht übersteigt, diese mithin gottähnliche Fähigkeit schreiben sie sich aber allen Ernstes zu.

Ziele nicht zu erreichen, ist nicht ehrenrührig. Aber unrealistische Ziele wecken Illusionen. Die Illusionen von heute sind die Enttäuschungen von morgen, beim
Pariser Vertrag genau so wie in der deutschen Energiepolitik.


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