Knäckebrot, Gulaschsuppe, serbische Bohnensuppe und zur Abwechslung vielleicht auch einige Debrecziner – das gehörte zu den Notfallempfehlungen. Die eisernen Reserven standen in dieser Woche auf dem Tisch bei der Präsentation der Übung »Helios« österreichischer Ministerien, Katastrophenschutz-Behörden und Zivilschutzorganisationen.
Das müsse man sich vorstellen wie »Campen daheim«, sagte Innenminister Herbert Kickl, der beim Ministerrat in Zivilschutz-Uniform auftrat. »Bereiten Sie sich vor, wie für einen zweiwöchigen Campingurlaub in den eigenen vier Wänden.«
»Es war wirklich extrem wichtig, einmal diesen Extremfall zu simulieren«, sagte Österreichs Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und fuhr fort: »Das Szenario eines Energiemangels ist nicht aus der Luft gegriffen.«
Drei Tage probten verschiedene Dienststellen Stromausfall. Noch zählt auch Österreich zu den Ländern mit einer relativ sicheren Stromversorgung. Doch Deutschland mit dem einmaligen Energiewende-Experiment wird immer mehr zum unsicheren Kantonisten im europäischen Stromverbund. Stärkere Schwankungen können im Netz erhebliche Folgen haben.
Österreich produziert selbst mit vielen Wasserkraftwerken hohe Strommengen, fragte der Moderator anschließend, wieso ist ein mehrtägiger Stromausfall überhaupt denkbar?
Es müsse ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch vorhanden sein. »Und da sprechen wir nicht auf nationaler Ebene«, erklärte Studiogast Robert Stocker, Leiter der Abteilung Krisen- und Katastrophenmanagement, »sondern wir sind eingebettet in eine internationale Ebene.« Und: »Wir leben in einer vernetzten Welt.«
Netzbetreiber auf österreichischer Seite lassen über drei verschiedene Kanäle die wichtigen Daten zur Steuerung der Stromflüsse laufen. Die Werte werden ständig miteinander auf Plausibilität verglichen. Diese dreifache Redundanz endet an der Übergabestelle St. Peter zur TenneT TSO GmbH, dem Übertragungsnetzbetreiber auf deutscher Seite. Auf deutscher Seite gibt es jedoch nur noch einen Kanal – vielleicht aus Sparsamkeitsgründen des niederländischen Eigentümers, spekulieren österreichische Experten. Dieser Informationskanal hat seinerzeit nicht mehr funktioniert mit jenen fatalen Folgen.
In Berlin übt sich die Bundesregierung derweil mit Pfeifen im Wald: Sie hatte gerade in der Antwort ( Drucksache 19/9656 ) auf kleine Anfrage von Steffen Kotré, Tino Chrupalla, Enrico Komning und weiterer Abgeordneter der Fraktion der AfD beteuert: »In diesem Austausch hat die sichere Stromversorgung den höchsten Stellenwert.«
Die Abgeordneten fragen nach der Sicherheit der Stromversorgung, wenn die Kraftwerke stillgelegt und die Kohlegruben dichtgemacht sein werden. Sie beziehen sich auf die Aussage der Bundesnetzagentur, dass die Stilllegungen eine »nicht zu rechtfertigende Gefährdung der Versorgungssicherheit in Deutschland darstellen und darüber hinaus zu einer erhöhten Abhängigkeit von Stromimporten führen werden.«
Die Bundesregierung führt als Begründung an, dass die zuständigen Bundesnetzagentur, die Übertragungsnetzbetreiber, die Deutsche Energieagentur DENA sowie der BDEW »in der Tat einen hohen Sachverstand hinsichtlich des deutschen Stromsystems« besäßen.
Auch in der Schweiz macht man sich Sorgen, wer am Ende in Europa überhaupt Versorgungssicherheit gewährleistet? Rein rechnerisch exportiert Deutschland sogar Strom. Doch in dieser Rechnung fuhrwerkt das Milchmädchen reichlich mit. Denn die entscheidende Frage beim Strom lautet: Wann exportiert Deutschland Strom und wann muss es importieren? Denn Strom ist nicht gleich Strom. Es kommt auf den Zeitpunkt an. In herbstlichen und winterlichen Hochdruckwetterlagen herrscht meist viel Nebel und wenig Wind. Strom gibt es dann eher weniger, eine kritische Situation, wenn in Deutschland die großen Kraftwerke abgeschaltet werden sollen. Die umgekehrte Situation herrscht dagegen bei Sturm über Europa vor. Dann liefern all die vielen Windräder Strom im Überfluss, den keiner abnehmen kann. Denn Strom muss in dem Augenblick erzeugt werden, in dem er auch gebraucht wird.
Doch dieses Spiel ist auch begrenzt, wie allein das vergangene Jahr zeigt. Denn da waren die Stauseen in den Schweizer Bergen ziemlich leer, die Pegelstände in den Bergseen auf einem Rekordtief.
Immerhin hat sich in verschiedenen Politikkreisen die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Energiewende krachend gescheitert ist. Das reicht sogar bis ins dunkelgrüne Baden-Württemberg. Im Kabinett wird intern offen ausgesprochen, dass dieses »Jahrhundertwerk« nicht funktionieren wird, und wohl die meisten Minister wird ein erhebliches Unwohlsein überkommen, wenn sie daran denken, für einen katastrophalen Blackout verantwortlich zu sein. Nur noch zwei Kernkraftwerke liefern den Löwenanteil des Stroms allein im Industrieland Baden-Württemberg. Schon jetzt aber wird der Reaktor Philippsburg 2 langsam heruntergefahren. Der soll bis zum Ende des Jahres abgeschaltet werden. Woher dann der Strom kommen soll, weiß niemand.
Grüne und CDU überlegen in Stuttgart fieberhaft, wie sie aus der Nummer am besten herauskommen und die Schuld dem Gegner zuschieben können. Der grüne Umweltminister Franz Untersteller denkt schon relativ laut über die Nutzung der Kernenergie nach. Sein größtes Problem: Wie sag ich’s der unbedarften Gefolgschaft?
Ein einmaliges Experiment: Einem noch prosperierenden Industrieland die wichtigste Energiequelle abzuschalten – das hat noch nie zuvor jemand gewagt. Das hat das Potential, über den europäischen Netzverbund ganz Europa lahmzulegen.