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Öl läuft am Mast herunter

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof stoppt Windräder-Bau

Beim Bau von Windrädern vor allem in Wäldern gewinnt der Trinkwasserschutz an Bedeutung. Das hat jetzt auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof erkannt und stoppt ein Windprojekt bei München.

picture alliance / dpa | Peter Kneffel

Der beschleunigte Bau von Windkraftwerken ist nach der letzten Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eine Angelegenheit von „überragendem öffentlichen Interesse“. In der juristischen Abwägung vor Gericht ein schweres Geschütz, dem argumentativ nur wenig entgegengesetzt werden kann. Zu diesem Wenigen gehört nach einer jüngst ergangenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes auch der Trinkwasserschutz. Das Urteil war von der in Bayern ansässigen Naturschutzorganisation „Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität“ (VLAB) erstritten worden. Dabei ging es um den Bau dreier Windräder im Höhenkirchner Forst vor den Toren Münchens.

Die im vergangenen Oktober vom zuständigen Landratsamt genehmigten, rund 250 Meter hohen Windgiganten sind zwar in einem Gebiet geplant, in dem Windkraftnutzung Vorrang genießt. Allerdings liegt die Vorrangzone gleich in zwei Wasserschutzgebieten. In der mündlichen Verhandlung äußerte das Münchner Wasserwirtschaftsamt Bedenken gegen den favorisierten Standort. Das Trinkwasser sei in diesem Bereich des Höhenkirchner Forsts teilweise nur sehr gering durch den Boden geschützt. Durch eine Baustelle würden die Vorkommen, die unter anderem für die Gemeinde Ottobrunn wichtig sind, noch stärker gefährdet.

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Zwar bestehe für die Errichtung von Windkraftanlagen ein sehr hohes öffentliches Interesse, befand die Kammer. Jedoch gelte dasselbe hohe öffentliche Interesse eben auch für den Trinkwasserschutz. Ob es im Höhenkirchner Forst sicherere und damit bessere Standorte für Windenergieanlagen gebe, habe das Landratsamt nicht ausreichend geprüft, so die Richter. Das wegweisende Urteil wird den Bau der Windräder nun zumindest stark verzögern, könnte ihn aber auch endgültig vereiteln. Auch die Gemeinde Ottobrunn hatte gegen das Windkraftprojekt Klage angestrengt, über die allerdings noch nicht befunden wurde.

Wie bei dem riesigen Windindustriegebiet nahe Altötting, dessen Bau durch einen Bürgerentscheid, der bundesweit Aufsehen erregte, zumindest teilweise in Frage gestellt wurde, handelt es sich bei den zahlreichen, in den Wäldern südlich und östlich von München geplanten Windrädern um Prestigeprojekte der bayerischen Staatsregierung. Schließlich will man zeigen, dass auch im windarmen Südbayern die „Energiewende“ vorankommt. Bayerns windkraftbesessener Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte im Höhenkirchner Forst höchstselbst zum Spaten gegriffen, als im Juni mit ersten Rodungsarbeiten für den Bau der Anlagen begonnen wurde.

Mit dem Bau von immer mehr Windrädern in Waldgebieten gewinnt der Trinkwasserschutz an Bedeutung. Für den Bau der Windräder im Höhenkirchner Forst müssen laut den Planungen knapp 7.000 Quadratmeter Wald gerodet und teilweise dauerhaft versiegelt werden – die Fläche eines Fußballfeldes. Dazu kommen Aufstellflächen für die Kräne sowie Zufahrtswege für Baufahrzeuge, für die ebenfalls viele Bäume gefällt werden müssten. Für den Zeitraum des Baus handelt es sich um eine Großbaustelle mitten im Wald. Es wären im konkreten Fall mehr als tausend LKW-Fahrten notwendig. Teilweise müssten auf der Baustelle Fahrzeuge und Baumaschinen auch betankt werden. Auch bei größter Sorgfalt sind Kontaminationen nicht auszuschließen.

Doch nicht nur beim Bau, sondern auch im Betrieb der Windkraftwerke drohen Gefahren für das Trinkwasser. Immer wieder kommt es zu Havarien, bei den Hunderte Liter Getriebeöl auslaufen können. Im Rahmen einer simplen Google-Suche stößt man auf zahllose Artikel über solche Vorkommnisse, bei denen mehr oder weniger große Mengen Öl in den Boden gelaufen sind. „Öl läuft aus abgebranntem Windrad (agrarheute 10.04.2024), „Öl an Windrad ausgetreten“ (Gießener Anzeiger, 23.05.23), „Windradhavarie bei Clausnitz – Polizei und Umweltamt ermitteln nach Anzeige“ (Freie Presse, 08.04.2024), „Schon wieder trat Öl an einer Windkraftanlage im Windpark Obbach aus“ (Mainpost, 13.07.2022).

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Ein konkreter Fall kann so aussehen: Im „Windpark“ Bretzenstein (Landkreis Hassberge in Unterfranken) traten an einer Anlage wegen eines Hydraulikschadens 260 Liter Getriebeöl aus. „Wer die Stelle an der Anhöhe Bretzenstein unweit des Eberner Stadtteils Fierst besucht, findet im Umkreis des Windrads Spuren verspritzten Öls und wie eine Klebefalle in der Küche ist der braun verschmierte Mast besät mit toten Insekten“, so der anschauliche Bericht eines Lokalreporters. Laut zuständigem Landratsamt bestand zwar keine Gefahr für das Grundwasser, doch verwies ein Amtssprecher auf „mögliche Probleme für die angrenzenden Äcker“. Bei landwirtschaftlichen Flächen spielt auch der Pfad Boden-Nutzpflanze eine Rolle, weshalb der Betreiber zur Beauftragung eines Sachverständigen aufgefordert worden sei.

„Öl-Lecks sind bei Windkraft-Anlagen nicht selten“, heißt es auf der Webseite eines Unternehmens von Industriekletterern, das sich auf die Reinigung von Windkraftwerken spezialisiert hat. „Die in den Gondeln verbauten Getriebe sind im täglichen Betrieb hohen Belastungen ausgesetzt. Trotz regelmäßiger Wartungen kann es passieren, dass z.B. aufgrund von Materialermüdung das Schmieröl aus dem Getriebegehäuse in das Innere der Gondel gelangt und durch den Spalt zwischen Turm und Gondel austritt. Vermeiden lässt sich das kaum, weil die Gondel drehbar mit dem Turm verbunden ist. Das Schmieröl läuft am Turm herunter und wird eventuell auch noch durch den Wind in der Gegend verteilt. Da ist rasches Handeln gefragt.“

Unterdessen gibt es zwar auch getriebelose Anlagen, die mit etwa einem Drittel des Öls auskommen, das konventionelle Anlagen benötigen – 100 bis 200 Liter im Vergleich zu 500 bis 800 Litern -, grundsätzlich bleibt die Möglichkeit von Öl-Havarien bestehen. Getriebelose Anlagen sind außerdem teurer in der Anschaffung und schwerer zu transportieren, dafür haben sie später niedrigere Wartungskosten und angeblich eine längere Lebensdauer. Solche getriebelosen Anlagen waren auch im Höhenkirchner Forst geplant. Doch sie hielten die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes nicht davon ab, ihrem Bau im Wasserschutzgebiet vorerst einen Riegel vorzuschieben.


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